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Deutsche Umwelthilfe e.V.

Sicherheitsmängel des Atomkraftwerks Brunsbüttel bleiben vorerst Staatsgeheimnis

Berlin (ots)

Zügiger Einblick der Öffentlichkeit in
Schwachstellenliste verweigert - OVG Schleswig nennt 
EU-Umweltinformationsrecht "geringerwertig" als vermeintliches 
Geheimhaltungsinteresse des AKW-Betreibers Vattenfall - Deutsche 
Umwelthilfe schickt Beschwerde an EU-Umweltkommissar Stavros Dimas - 
Vattenfall: Veröffentlichung der Mängelliste würde "Kaufpreis" des 
Altreaktors mindern
24. April 2007: Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hat 
EU-Umweltkommissar Stavros Dimas in einem Schreiben um "die 
Einleitung der notwendigen Schritte" gebeten, damit in Deutschland in
Zukunft ein "zügiger Vollzug der Vorgaben der 
EU-Umweltinformationsrichtlinie sichergestellt werden" könne. 
Hintergrund der Beschwerde ist eine Entscheidung des 
Oberverwaltungsgerichts Schleswig aus der vergangenen Woche (AZ.: 4 
MB 7/07), wonach der Betreiber des umstrittenen Atomkraftwerks 
Brunsbüttel Vattenfall Europe und die für die Atomaufsicht zuständige
Kieler Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) eine Mängelliste mit 
mehreren hundert "offenen Punkten" bis auf weiteres vor der 
Öffentlichkeit unter Verschluss halten können.
"Mit Sicherheitsmängeln eines Atomkraftwerks darf man nicht 
jahrelang taktische Spielchen treiben", sagte 
DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. "Es kann nicht sein, dass die
Öffentlichkeit über eine Mängelliste, die laut Auskunft der 
zuständigen Ministerin mehrere hundert Punkte umfasst, erst in ein 
paar Jahren informiert wird, wenn der Altreaktor voraussichtlich 
längst stillgelegt sein wird". Vattenfall Europe, aber auch das 
schleswig-holsteinische Sozialministerium als zuständige 
Atomaufsicht, hätten seit August letzten Jahres alles getan, damit 
der 956 Seiten umfassende Bericht nicht öffentlich wird. Es gehe 
offenbar darum, wegen der im Atomkonsens vereinbarten Stilllegung des
Siedewasserreaktors (voraussichtlich im Jahr 2009) keine 
Nachrüstungsinvestitionen mehr tätigen zu müssen.
"Wir erleben seit Monaten ein zynisches Spiel mit der Sicherheit 
der Menschen in Schleswig-Holstein und weit darüber hinaus", sagte 
Baake. Sollte diese Vergehensweise Bestand haben, laufe die 
EU-Umweltinformationsrichtlinie immer dann ins Leere, wenn ein 
privates Unternehmen Missstände verbergen wolle. Baake: "Wer die 
Veröffentlichung unbequemer Wahrheiten verhindern will, klagt einfach
durch alle Instanzen gegen Herausgabebeschlüsse der jeweiligen 
Behörde - und hat jahrelang Ruhe."
Weil dies gerade im Fall der Hochrisikotechnologie Atomkraft die 
Umweltinformationsrichtlinie der EU ad absurdum führen würde, will 
die DUH nun EU-Umweltkommissar Stavros Dimas zum Eingreifen gegen die
Blockadepraxis in Deutschland bewegen. In dem Schreiben führt die 
Leiterin Verbraucherschutz und Recht der DUH, Cornelia Ziehm, aus, 
dass die nationalen Gerichte das Informationsinteresse der DUH (und 
damit der Öffentlichkeit insgesamt) als "vergleichsweise 
geringerwertig" eingestuft haben als das Interesse des 
Brunsbüttel-Betreibers Vattenfall Europe auf weitere Geheimhaltung 
der Schwachstellenliste. Dies sei umso fragwürdiger als Vattenfall 
als Betreiber einer Hochrisikotechnologie seine 
Geheimhaltungsansprüche "nur pauschal und in keiner Weise auch nur 
plausibel dargelegt" habe. Ziehm: "Sinn und Zweck der 
Umweltinformationsrichtlinie laufen ins Leere, wenn 
Informationsbegehren erst nach langwierigen Verwaltungs- und 
Gerichtsverfahren verwirklicht werden könnten. Der Gesetzgeber der 
Umweltinformationsrichtlinie hat das seinerzeit erkannt und daher 
ausdrücklich festgelegt, dass Umweltinformationen "so rasch wie 
möglich und innerhalb einer angemessenen Frist" zugänglich zu machen 
sind."
Seit fast sechs Jahren wird der fragwürdige Sicherheitszustand des
Atomkraftwerks Brunsbüttel von den Eigentümern Vattenfall Europe und 
E.ON in enger Abstimmung mit der Atomaufsicht des Landes 
Schleswig-Holstein vor der Öffentlichkeit geheim gehalten. 
Gleichzeitig soll Bundesumweltminister Sigmar Gabriel auf Antrag des 
Reaktorbetreibers Vattenfall den Betrieb des 30 Jahre alten 
Siedewasserreaktors sogar über die im Atomkonsens vereinbarte 
Betriebsdauer hinaus verlängern, ohne dass zuvor Klarheit über die 
Sicherheitsmängel geschaffen wird.
Die DUH bemüht sich bereits seit August 2006 um die Herausgabe einer 
"Schwachstellenliste", die auf eine am 30. Juni 2001 abgeschlossene, 
so genannte periodische Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) des 
Atomkraftwerks Brunsbüttel zurückgeht. Die zuständige 
schleswig-holsteinische Sozialministerin Trauernicht hatte im 
vergangenen Sommer eingestanden, dass noch immer "hunderte offener 
Punkte" nicht abgearbeitet worden seien. Zwar stimmte die Ministerin 
im November 2006 zunächst der von der DUH auf Basis der 
EU-Umweltinformationsrichtlinie beantragten Einsichtnahme in die 
Liste grundsätzlich zu, wies jedoch anschließend den Antrag der 
Umweltschützer auf sofortige Vollziehung dieser Entscheidung zurück. 
Seither hat die DUH versucht, die sofortige Herausgabe der 
Mängelliste vor Gericht zu erzwingen. Gleichzeitig klagte Vattenfall 
als Betreiber des AKW Brunsbüttel unter Hinweis auf angebliche 
Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gegen die Herausgabe der Liste.
Auch in dem jetzt entschiedenen, von der DUH angestrengten 
Verfahren zur raschen Herausgabe der Schwachstellenliste setzte 
Vattenfall auf Verzögerung - mit teils abenteuerlichen Argumenten. 
Die Geheimhaltung der Mängelliste begründete der Konzern mit der 
Erklärung, sie erlaube eine Bewertung des aktuellen Anlagenzustandes 
und lasse so Rückschlüsse auf Nachrüstungserfordernisse, fehlende 
Sicherheitsnachweise und damit den Wert der Anlage zu. Vattenfall 
würde deshalb bei einem möglichen Verkauf ein wirtschaftlicher 
Schaden entstehen, da ein potenzieller Käufer durch die 
Veröffentlichung der Liste (etwa durch die DUH) den mangelhaften 
Zustand des Reaktors erkennen könne. Die Fiktion "etwaiger konkreter 
Verkaufsabsichten" bezüglich des über 30 Jahre alten und zur 
Stilllegung anstehenden Meilers hielt der Konzern auch noch in einem 
Schriftsatz an das Gericht aus der vergangenen Woche aufrecht. Zitat:
"Die Mängelliste kann den Kaufpreis des Kernkraftwerkes im Falle 
einer Veräußerung direkt beeinflussen".
Eigentlich müsste ein solches Verständnis des Begriffs Geschäfts- 
oder Betriebsgeheimnis bei Vattenfall "alle Atomaufsichtsbehörden im 
Lande in höchste Alarmbereitschaft versetzen", erklärte Ziehm. Es 
offenbare sich "eine Haltung, die beim Verkauf eines Gebrauchtwagens 
mit defekten Bremsen jedermann als schlicht kriminell einstufen 
würde."

Pressekontakt:

Für Rückfragen:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Tel.: Mobil: 0151 55 01 69 43,, E-Mail: baake@duh.de

Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Recht, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Tel.: 030/258986-0, 0160/5337376, E-Mail: ziehm@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax: 030 258986-19, Mobil: 0171 5660577,
E-Mail: rosenkranz@duh.de

Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell

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