Generationswechsel im Familienunternehmen: Führungskultur als Schlüssel zum Erfolg
Warum Verantwortung im Unternehmen nicht delegiert, sondern nur ermöglicht werden kann
von Frank Plümer, PLÜCOM TRAINING
Viele Unternehmen formulieren den Anspruch, mehr Eigenverantwortung zu fördern – gerade im mittleren Management. Häufig wird dieser Anspruch mit klassischer Delegation verwechselt: neue Rolle, erweiterter Aufgabenbereich, höheres Gehalt, eventuell ein Coaching. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass formale Delegation nicht automatisch zu mehr Ownership führt.
Entscheidungen werden weiterhin nach oben eskaliert, Teams orientieren sich an früheren oder übergeordneten Führungsebenen, Konflikte landen regelmäßig bei Geschäftsführung oder Bereichsleitung. Eigenverantwortung ist deshalb weniger eine Frage individueller Motivation, sondern vor allem eine Systemleistung: Sie entsteht dort, wo Struktur, Kultur und Führungspraxis zueinander passen.
Ein wirksamer Ansatz zur Analyse und Gestaltung dieser Systemleistung ist das 4-Felder-Modell für Empowerment. Es betrachtet vier Dimensionen, die für die Stärkung von Eigenverantwortung maßgeblich sind: Klarheit und Guardrails, Vertrauen und psychologische Sicherheit, Führungskompetenz sowie Ressourcen. Erst im Zusammenspiel dieser vier Felder können Führungskräfte Verantwortung tatsächlich übernehmen und nutzen.
Klarheit und Guardrails als Grundlage
Klarheit bedeutet deutlich mehr als eine überarbeitete Stellenbeschreibung. Im Zentrum steht, welche Verantwortung eine Führungskraft tatsächlich trägt und welche Entscheidungsrechte damit verbunden sind. Besonders wichtig sind dabei einige Kernfragen:
- Wofür ist die Führungskraft konkret verantwortlich?
- Welche Entscheidungen trifft sie eigenständig, welche nach Abstimmung und welche verbleiben bewusst auf höherer Ebene?
Guardrails, also Leitplanken, konkretisieren diesen Rahmen. Sie definieren, in welchen Budget-, Risiko- oder Personalkorridoren eigenständig entschieden werden kann, ab wann eine Rücksprache sinnvoll ist und wo Entscheidungen explizit bei der nächsthöheren Ebene bleiben.
Fehlen solche Leitplanken, entstehen zwei typische Risiken: Entweder wird aus Unsicherheit gar nicht entschieden, oder verschiedene Bereiche treffen unkoordinierte Entscheidungen, die das Unternehmen als Ganzes destabilisieren. In beiden Fällen bleibt der Ruf nach „mehr Eigenverantwortung“ wirkungslos.
Vertrauen und psychologische Sicherheit
Formal delegierte Verantwortung entfaltet ihre Wirkung nur, wenn sie von Vertrauen und psychologischer Sicherheit begleitet wird. Entscheidend ist, ob Entscheidungen sichtbar bei der zuständigen Führungskraft bleiben oder ob sie regelmäßig nachträglich von oben korrigiert werden. Ebenso relevant ist, ob Vorgesetzte erkennbar hinter Entscheidungen stehen, die im vereinbarten Rahmen getroffen wurden, auch wenn sich im Nachhinein Optimierungspotenziale zeigen.
Fehlt diese Form von Sicherheit, ist es rational, Entscheidungen zu vermeiden oder konsequent nach oben zu verlagern. Führungskräfte und Mitarbeitende minimieren dann ihr persönliches Risiko, statt Verantwortung aktiv zu übernehmen. Eigenverantwortung wird in diesem Umfeld nicht aus Mangel an Leistungsbereitschaft verhindert, sondern durch die Logik des Systems.
Führungskompetenz: mehr als Fachwissen
In vielen Unternehmen werden fachlich starke Mitarbeitende zu Führungskräften befördert, weil sie Prozesse, Produkte und Kunden gut kennen. Führungskompetenz wird dabei oft vorausgesetzt, obwohl sie selten systematisch aufgebaut wird. Für Empowerment sind jedoch genau diese Kompetenzen entscheidend: die Fähigkeit, schwierige Gespräche zu führen, Feedback professionell zu geben, mit Widerständen und Unsicherheit umzugehen, Teams zu entwickeln und Guardrails mit dem eigenen Team zu vereinbaren.
Bleiben diese Kompetenzen unterentwickelt, können noch so klar definierte Verantwortungsbereiche im Alltag nicht genutzt werden. Entscheidungen werden vertagt, Konflikte nicht bearbeitet, Teams orientieren sich eher an informellen Strukturen als an der formalen Rolle. Auch hier zeigt sich, dass Eigenverantwortung ohne gezielte Investition in Führungskompetenz kaum tragfähig ist.
Ressourcen als Prüfstein der Ernsthaftigkeit
Verantwortung ohne Ressourcen bleibt ein Lippenbekenntnis. In der Praxis wird Führungskräften häufig signalisiert, sie seien nun „für diesen Bereich verantwortlich“, ohne dass zusätzliche Zeit, personelle Unterstützung oder Budgets bereitgestellt werden. Führungsaufgaben kommen zur vollen operativen Auslastung einfach oben drauf. Gerade in Transformations- oder Kulturprojekten ist das ein häufiger Grund dafür, dass gute Absichten nicht in Umsetzung münden.
Wer Verantwortung überträgt, ohne Ressourcen nachzuziehen, verlagert faktisch das Scheitern nach unten. Die betroffene Führungskraft steht dann für Ergebnisse ein, die unter den gegebenen Bedingungen kaum erreichbar sind. Spätestens an diesem Punkt wird deutlich, wie ernst es ein Unternehmen mit dem Thema Empowerment tatsächlich meint.
Typische Fehlentwicklungen in Empowerment-Prozessen
In vielen Organisationen lassen sich wiederkehrende Muster erkennen, die den Aufbau von Eigenverantwortung behindern. Responsibility Dumping beschreibt Situationen, in denen komplexe Aufgaben wie Effizienzsteigerungen oder Change-Begleitung pauschal nach unten gegeben werden – ohne klare Ziele, Prioritäten, Mandat oder zusätzliche Ressourcen. Nach außen entsteht der Eindruck, man setze auf Eigenverantwortung, faktisch wird jedoch Druck verlagert.
Ein weiteres Muster ist Pseudo-Partizipation. In Strategie- oder Kulturprozessen werden Mitarbeitende und Führungskräfte umfangreich beteiligt. Ideen werden gesammelt, Workshops aufwendig gestaltet, Ergebnisse visualisiert.
Wenn jedoch wesentliche Entscheidungen bereits feststehen und die erarbeiteten Beiträge anschließend folgenlos in Protokollen verschwinden, entsteht der Eindruck, Beteiligung sei vor allem symbolisch. Die Folge sind sinkendes Engagement, wachsende Skepsis und mittelfristig höhere Fluktuation im Führungskreis.
Schließlich führt eine Abfolge von Initiativen ohne konsequente Umsetzung zu Verantwortungsmüdigkeit. Wer über Jahre wiederholt Programme zu Lean Management, Digitalisierung, New Work oder Kultur erlebt, ohne dass diese spürbar in Strukturen und Routinen verankert werden, reduziert aus Selbstschutz das eigene Engagement.
Dieses Verhalten ist keine Charakterschwäche, sondern eine nachvollziehbare Reaktion auf inkonsistente Steuerung.
Das Verantwortungsgespräch als konkreter Hebel
Um Eigenverantwortung systematisch zu fördern, bietet sich ein strukturiertes Verantwortungsgespräch zwischen Geschäftsführung oder vorgesetzter Führungsebene und der jeweiligen Führungskraft an. Es orientiert sich an den vier Feldern des Empowerment-Modells und klärt Schritt für Schritt Zuständigkeiten, Entscheidungsgrenzen, gegenseitige Erwartungen und notwendige Unterstützung.
Besonders wirksam ist es, wenn am Ende konkrete Vereinbarungen zu Entscheidungsrechten, Rückendeckung, Qualifizierungsbedarf und Ressourcen getroffen werden.
Ein solches Gespräch ersetzt keine umfassende Transformation, schafft aber einen klaren Rahmen, in dem Delegation tatsächlich in gelebte Verantwortung übersetzt werden kann. Es macht sichtbar, wo Organisationen bereits tragfähige Strukturen haben – und wo Systementscheidungen notwendig sind, bevor weitere Verantwortung nach unten verlagert wird.
Fazit
Verantwortung im Unternehmen lässt sich nicht im engen Sinne „delegieren“. Sie entsteht dort, wo vier Dimensionen zusammenspielen: Klarheit und Guardrails, Vertrauen und psychologische Sicherheit, Führungskompetenz und ausreichende Ressourcen. Unternehmen, die diese Faktoren bewusst gestalten, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Beförderungen, Transformationsprojekte und Kulturinitiativen tatsächlich zu mehr Eigenverantwortung führen – statt zu Überlastung, Frustration und Verantwortungsmüdigkeit.
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Über PLÜCOM TRAINING
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