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Heizen und Kochen: Klimabilanz von Erdgas oft schlechter als bisher angenommen

TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN

PRESSEMITTEILUNG

Berechnungsmodell vergleicht Klimafreundlichkeit von Gas und Elektrizität

Klimabilanz von Erdgas oft schlechter als bisher angenommen

- Neuberechnung bezieht Gaslecks und unvollständige Gasverbrennung mit ein.

- Elektrizität kann klimafreundlichere Alternative zum Kochen und Heizen sein.

- Untersuchung von 25 Nationen zeigt: Erneuerbare Energien im Strommix machen den Unterschied.

Das Heizen und Kochen mit Erdgas ist oft klimaschädlicher als bisher gedacht. Dies ergibt ein neues Berechnungsmodell, das Forschende der Technischen Universität München (TUM) entwickelt haben. Das Besondere: Es bezieht auch die gewaltigen Gasmengen mit ein, die ungenutzt in die Atmosphäre entweichen.

„Wir wollten wissen, ob es – auch unter Berücksichtigung der Gasleckagen – klimafreundlicher ist, Gas für das Heizen und Kochen zu nutzen oder Elektrizität“, erläutert Dr. Florian Dietrich, Wissenschaftler im Bereich für Umweltsensorik und Modellierung an der TUM. Gemeinsam mit Forschenden der ETH Zürich, der Universität Utrecht und der Niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung TNO hat das internationale Team eine Hightech-Messstation für die Erfassung von Kohlendioxid, Methan und Kohlenmonoxid sowie Laserspektrometer für Vor-Ort-Messungen von Methan genutzt und alle Variablen in dem eigens entwickelten Berechnungsmodell zusammengeführt. Die Ergebnisse wurden in einem Peer-Review-Verfahren publiziert und bestätigt.

Unvollständig verbranntes Erdgas wichtig für die Klimabilanz

Auf dem Oktoberfest 2019 beispielsweise, so fanden die Forschenden heraus, ging 1,4 Prozent des damals eingesetzten Gases verloren. Bei einer Gasmenge von über 185.000 Kubikmetern entwichen also 2.500 Kubikmeter Gas in die Umgebung. „Das entwickelte Berechnungsmodell bezieht diese Mengen an entwichenem Erdgas mit ein und liefert einen umfassenden Emissionsfaktor für die Verwendung von Erdgas zum Kochen und Heizen“, erläutert Wissenschaftler Dietrich.

Erneuerbare Energien im Strommix senken den Emissionsfaktor

Um entscheiden zu können, ob Erdgas oder Elektrizität die klimafreundlicher ist, muss man jedoch auch auf den verwendeten Strommix schauen: „Ein hoher Anteil erneuerbarer Energien senkt den Emissionsfaktor für Elektrizität erheblich, während z.B. die Verwendung von Kohlestrom den gegenteiligen Effekt hat“, so Dietrich. Die Forschenden haben all diese Faktoren in ihr Berechnungsmodell miteinfließen lassen und können so quantitative Rückschlüsse ziehen, für welche Nationen Strom bereits heute die klimafreundlichere Alternative zu Erdgas ist und welche Anstrengungen die anderen Nationen noch unternehmen müssen, um diesen Punkt zu erreichen.

Für alle 25 untersuchten Nationen wird dabei deutlich: „Durch die Einbeziehung der Leckagen und unvollständigen Verbrennungen wird insgesamt ein geringerer Anteil an erneuerbaren Energiequellen im Strommix benötigt, als bisher angenommen“, fasst die Professorin für Umweltsensorik und Modellierung Jia Chen zusammen, die zudem Leiterin des Innovationsbereichs Umwelt im Robotik- und KI-Institut MIRMI der TUM ist. Es ist also für die meisten Nationen bereits deutlich früher möglich, aus Aspekten des Klimaschutzes auf Elektrizität anstelle von Gas zu setzen.

Kanada mit klarer Empfehlung für Elektrizität

Auf einzelne Staaten geblickt heißt das, dass beispielsweise Kanada mit seinem hohen Anteil an Wasserkraft aus reinen Klimaschutzgründen bereits heute fürs Heizen und Kochen komplett auf Elektrizität setzen könnte. In China sieht es anders aus: Denn die Kohleverbrennung dominiert dort im Strommix, so dass durch die Verwendung von Elektrizität bei identischer Energiemenge mehr Kohlenstoff ausgestoßen wird als bei der Verbrennung von Erdgas.

Für Deutschland gibt es derzeit trotz des stark zunehmenden Anteils an Wind- und Solarenergie noch keine klare Empfehlung für Elektrizität. Damit befindet sich Deutschland noch in breiter „Gesellschaft“: Für 18 von 25 betrachteten Staaten ist Elektrizität im Vergleich mit Gas aktuell noch nicht klimafreundlicher, darunter Staaten wie Spanien, Italien, die Niederlande, Japan und Australien. Ein Blick auf die Diagramme der TUM-Forschenden zeigt jedoch deutlich, dass für viele der untersuchten Nationen Elektrizität schon bald die klimafreundlichere Alternative sein wird, da kontinuierlich in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert wird.

Weitere Informationen

  • In einem Presserundgang am 27. Juni 2023 auf der Messe Automatica in München, von 11:30 bis 12:30 bekommen Vertreter von Medien neu entwickelte Demos aus den Bereichen Gesundheit, Mobilität, Umwelt und Arbeit zu sehen – unter anderem auch eine Demo von Prof. Jia Chen. Akkreditierung über andreas.schmitz@tum.de.
  • Auf der Messe Automatica vom 27. bis 30. Juni 2023 finden Sie zudem über 30 Demonstrationen von Forschungsarbeiten zum Thema Robotik und KI in Halle B4 im Bereich AI-Society. Hier geht es zur Übersicht
  • Für diese Forschungsarbeit kamen unter anderem folgende Technologien aus dem Bereich für Umweltsensorik und Modellierung von Prof. Jia Chen sowie der Universität Utrecht und TNO und der Bioscience-Firma LI-COR zum Einsatz:
    1. MUCCnet-Stationen: Die Hightech-Messstation auf dem Dach des TUM-Forschungsbereiches zeigten zu Zeiten des Oktoberfests einen starken Anstieg der Methankonzentrationen. Dies war für die Wissenschaftler der Auslöser dafür, die Methanemissionen bei Verbrennungsprozessen mit Erdgas näher zu untersuchen.
    2. Laserspektroskopie: Zusätzlich zu diesen Messungen schickten Prof. Chen und Dr. Dietrich Studierende mit einem Laserspektrometer im Rucksack auf das Oktoberfestgelände. Diese präzisen Gasmessungen vor Ort bestätigten den Verdacht, dass ein Event wie das Oktoberfest, auf dem eine große Menge der Energie durch Erdgas bereitgestellt wird, eine starke Methanquelle darstellt.
    3. Durch zusätzlich durchgeführte Messungen des Isotopen- sowie des Ethan-Methan-Verhältnisses ließ sich auch ermitteln, welche Mengen an Methan durch Lecks und unvollständige Verbrennung entweichen.
  • Prof. Jia Chen ist Professorin für Umweltsensorik und Modellierung an der TUM und Leiterin des Innovationsbereiches Umwelt im Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI). Mit dem von Executive Director Prof. Sami Haddadin geführten MIRMI hat die TUM ein integratives Forschungszentrum geschaffen, in dem inzwischen über 70 Professor:innen der TUM und ihre Teams mithilfe von Robotik und künstlicher Intelligenz neue Lösungsansätze etwa in der Medizin, in Fabriken und in der Pflege erforschen. Weitere Informationen finden Sie unter https://www.mirmi.tum.de/.

Zusatzinformationen für Redaktionen:

Fotos zum Download: http://go.tum.de/857097

Publikation:

Dietrich, F., Chen, J., Shekhar, A., Lober, S., Krämer, K., Leggett, G., Van der Veen, C., Velzeboer, I., Denier van der Gon, H., Röckmann, T. (2023). Climate impact comparison of electric and gas-powered end-user appliances. Earth's Future, 11, e2022EF002877. https://doi.org/10.1029/2022EF002877

Wissenschaftlicher Kontakt:

Prof. Jia Chen

Lehrstuhl für Umweltsensorik und Modellierung

Technische Universität München (TUM)

jia.chen@tum.de

Die Technische Universität München (TUM) ist mit mehr als 600 Professorinnen und Professoren, 50.000 Studierenden sowie 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine der forschungsstärksten Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, verknüpft mit den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die TUM handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit dem Campus TUM Asia in Singapur sowie Verbindungsbüros in Brüssel, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006, 2012 und 2019 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands.

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