Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Unternehmerische Erfahrungen mit der Treuhandanstalt: Leipziger Unternehmer berichten
Unternehmerische Erfahrungen mit der Treuhandanstalt: Leipziger Unternehmer berichten
Anlässlich des 35. Jahrestags der Gründung der Treuhandanstalt am 17. Juni 1990 veröffentlicht die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur 21 Videointerviews mit Unternehmerinnen und Unternehmern, die ab 1990 ehemalige DDR-Betriebe übernommen haben. Die Gespräche erweitern das Treuhand-Dossier auf der Website der Stiftung, das inzwischen eine umfassende Sammlung von Zeitzeugenstimmen und Materialien zum Thema bietet.
„Die neuen Interviews zeigen, wie unmittelbar und widersprüchlich die wirtschaftliche Transformation erlebt wurde – nicht theoretisch, sondern als Alltag voller Entscheidungen, Verantwortung und Risiken“, erklärt Dr. Anna Kaminsky, Direktorin der Bundesstiftung Aufarbeitung. „Unsere Sammlung lädt dazu ein, die Arbeit der Treuhand differenziert zu betrachten und auch Klischees zu hinterfragen, die sich in den 1990er Jahren verfestigt haben.”
Ein Teil der Interviewten kam nach dem Mauerfall in die DDR, um Unternehmen zu erwerben oder als Investoren tätig zu werden. Andere übernahmen die Betriebe, in denen sie zuvor selbst gearbeitet hatten – als technische Leiter, Direktoren oder Selbstständige. Manche konnten ihre Unternehmen langfristig etablieren, andere scheiterten.
Martina-Elvira Lotzmann war während der friedlichen Revolution Direktorin eines VEB-Spezialhandels, der die sowjetischen Streitkräfte mit Textilien versorgte. Nach der Umwandlung in ein Treuhandunternehmen übernahm sie den Betrieb 1993 per Management-Buy-Out – als Leipziger Handelsgesellschaft Merkur mbH. Bereits im Jahr zuvor gründete sie mit dem Modezentrum LEIPZIG EINS eine Plattform, die zwischen westlichen Modeproduzenten und dem ostdeutschen Einzelhandel vermittelte. Lotzmann baute zudem ein Netzwerk kleiner Modeunternehmen mit Partnern in den GUS-Staaten auf, insbesondere in Minsk. Trotz dieser unternehmerischen Initiativen musste sie Anfang der 2000er Jahre Insolvenz anmelden.
Das Unternehmen VEB Industriemontagen Leipzig wird 1992 zur IMO Leipzig GmbH privatisiert. Wolfgang Topf übernimmt die Funktion eines geschäftsführenden Gesellschafters. Die Firma entwickelte sich in den Folgejahren zu einem national und international anerkannten Stahlbaumontagebetrieb mit rund 300 Mitarbeitern. 2017 muss das Unternehmen IMO Leipzig GmbH Insolvenz anmelden.
Ziel der Veröffentlichung ist es, diese individuellen Perspektiven sichtbar zu machen und die Debatte über die Treuhandanstalt um unternehmerische Erfahrungen zu erweitern. Dabei geht es nicht um pauschale Urteile, sondern um die historische Einordnung von Entscheidungen und Handlungsweisen im Kontext einer komplexen Umbruchsituation.
Die Interviews und begleitenden Podcastfolgen sind kostenfrei abrufbar unter: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/dossiers/die-treuhandanstalt/treuhandbetriebe/interviews
Jonathan Harnisch
Pressereferent
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