Entfremdung vom Christentum
Raimund Neuß zur Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung
Köln (ots)
Inkulturation. Dieses sehr katholische Schlüsselwort hat der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Dienstagnachmittag genannt, als er nach Folgerungen aus der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung gefragt wurde - eine von evangelischer Seite regelmäßig unternommene soziologische Erhebung, an der sich nun erstmals auch die Katholiken beteiligt haben.
Die katholische Weltkirche fragt sich seit Jahrzehnten, wie das Christentum in historisch nicht christlich geprägten, meist außereuropäischen Kulturen Wurzeln schlagen kann: Inkulturation eben. Und ebenfalls seit Jahrzehnten schert sich diese Kirche keinen Deut um die Frage, wie es denn in europäischen Kulturen aussieht. Das Christentum schien ein so selbstverständlicher Teil dieser Gesellschaften zu sein, dass man sich um Inkulturation keine Gedanken machen musste - auf katholischer Seite nicht und auf evangelischer ja ohnehin nicht.
Jetzt müssen die Kirchen sich mit widersprüchlichen Aussagen auseinandersetzen. Nur ein Fünftel der über 5000 Befragten teilt den Glauben an Gott, der sich durch Jesus Christus zu erkennen gibt. Selbst unter den Kirchenmitgliedern kann dem nur ein knappes Drittel zustimmen. Da ist es fast ein Wunder, dass "nur" 43 Prozent der Katholiken und 37 Prozent der Protestanten zumindest öfter über einen Kirchenaustritt nachgedacht haben - und dass bei den tatsächlich Ausgetretenen Motive überwiegen, die auf Enttäuschung und Vertrauensverlust schließen lassen, aber nicht auf prinzipielles Desinteresse. Dabei sollte sich die evangelische Kirche nicht damit trösten, dass ihre Vertrauenswerte höher sind als die der katholischen Partner. Das dicke Ende bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt wird hier noch kommen.
Was tun? Immer noch ist die Reichweite kirchlicher Angebote erstaunlich hoch. Das wäre eigentlich ein guter Ausgangspunkt für Inkulturation. Damit ist kein simples Anpassen gemeint, wie sie Teile der evangelischen Kirche beim Thema Schwangerschaftsabbruch vorführen. Und andererseits nicht die Idee, man könne das vermeintlich wahre Christentum in reaktionärer Version von anderen Kontinenten rückimportieren und neu ansiedeln.
Nein, Inkulturation bedeutet tiefe Auseinandersetzung mit einer Gesellschaft. Nur dann können die Kirchen ihre Botschaft zu den Menschen bringen.
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