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War der Bescheid in der FDP-Spendenaffäre zu milde? Vorwürfe gegen Bundestagspräsident Lammert
Richterin am Verwaltungsgericht Berlin hätte sich höhere Strafe vorstellen können

Mainz (ots)

Der Bescheid, den Bundestagspräsident Norbert
Lammert (CDU) in der Möllemann-Spendenaffäre gegen die FDP verhängt 
hat, ist nach Recherchen des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" 
deutlich milder als möglich ausgefallen. Lammert hatte eine Strafe 
von 4,3 Millionen Euro festgesetzt. Denkbar wäre aber auch eine 
Strafe von über elf Millionen Euro gewesen, wenn der 
Rechenschaftsbericht der FDP aus dem Jahr 2000 für "wesentlich 
unrichtig" erklärt worden wäre. Der Parteienrechtler Hans Herbert von
Arnim erklärt dazu gegenüber "Report Mainz": "Ich halte den 
Rechenschaftsbericht der FDP für das Jahr 2000 für wesentlich 
unrichtig mit der Folge, dass die FDP nicht gut vier Millionen, 
sondern elf Millionen hätte zahlen müssen."
In Lammerts Bundestagsverwaltung wurde diese Frage zuvor intensiv 
diskutiert. Der zuständige Referatsleiter Johannes Becher soll nach 
Recherchen von "Report Mainz" in einem internen Vermerk geschrieben 
haben, dass die Fehler in dem Bericht so gravierend seien, dass die 
Voraussetzungen für eine wesentliche Unrichtigkeit erfüllt sein 
könnten. Zudem soll er auf ein noch ausstehendes Urteil des 
Verwaltungsgerichts Berlin gegen die NPD in einem ähnlichen Fall 
verwiesen haben.
Wenige Monate nachdem sich FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms in
einem Schreiben an Lammert um die Fairness des Verfahrens besorgt 
gezeigt haben soll, wurde Becher im November 2009 auf eine andere 
Stelle in der Bundestagsverwaltung versetzt. Die FDP dementierte 
gegenüber "Report Mainz", dass es sich dabei um eine Beschwerde 
gehandelt habe, es habe sich lediglich um einen "Hinweis auf 
Verbesserungswürdiges" gehandelt. Lammert soll daraufhin Prüfungen 
eingeleitet haben. Dazu erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer 
von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck: "Ich fand die Versetzung nach
17-jähriger Tätigkeit erstaunlich, insbesondere weil sie mitten in 
einem großen Verfahren über mögliche Rückforderungen gegenüber der 
FDP stattfanden. Ich habe den Bundestagspräsidenten danach gefragt, 
ob es Hintergründe eines Disziplinarverfahrens gab und was da der 
Gegenstand war. Der Bundestagspräsident hat mir mitgeteilt, dass ich 
diese Fragen nicht beantwortet bekomme."
Lammert lud noch vor Festsetzung des Bescheides gegen die FDP drei
renommierte Parteienrechtler zu einem Beratungsgespräch. Daran nahm 
unter anderem der Wissenschaftler Professor Joachim Wieland von der 
Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften teil. Nach seiner 
Aussage habe Lammert die Frage nach der wesentlichen Unrichtigkeit 
des FDP-Rechenschaftsberichts gar nicht aufgeworfen. Das Berliner 
Verwaltungsgericht stellte in seinem Urteil gegen die NPD vom Juni 
2009 schließlich die wesentliche Unrichtigkeit eines 
Rechenschaftsberichts wegen eines viel geringeren Verstoßes fest. 
Dennoch setzte Lammert in seinem Bescheid vom Juli 2009 die Strafe 
gegen die FDP nur auf rund vier statt elf Millionen Euro fest.
Dazu erklärte der Rechtsvertreter des Bundestagspräsidenten, 
Professor Christian Kirchberg, gegenüber "Report Mainz": "Ich bin der
Meinung, dass die FDP im wahrsten Sinne des Wortes gut damit bedient 
ist und dass sie vielleicht auch durchaus froh sein kann, dass es 
nicht noch zu höheren Sanktionen gekommen ist." Die Vorsitzende 
Richterin am Verwaltungsgericht Berlin, die über die Klage der FDP 
gegen den Bescheid im Dezember 2009 entschieden hat, soll in der 
mündlichen Verhandlung angedeutet haben, dass sie sich auch die 
höhere Strafe von elf Millionen hätte vorstellen können. Dazu 
Professor Christian Kirchberg: "Die Vorsitzende Richterin und 
gleichzeitige Präsidentin des Verwaltungsgerichts hat angedeutet, 
dass der Bundestagspräsident insoweit eine Zurückhaltung gezeigt hat,
die nicht unbedingt geboten gewesen wäre."
Dazu erklärte der Parteienrechtler Hans Herbert von Arnim: "Dass 
eine Vorsitzende Richterin in dem Gerichtsverfahren äußerte, es wäre 
durchaus auch ein höherer Bescheid über elf Millionen gegen die FDP 
denkbar gewesen, das war eine schallende Ohrfeige gegen die 
Bundestagsverwaltung."
Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundestagsvizepräsident 
Hermann Otto Solms wollten sich zu dem Sachverhalt gegenüber "Report 
Mainz" nicht äußern.
Zitate gegen Quellenangabe frei.

Pressekontakt:

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an "Report Mainz", Tel.:
06131/929-3351.

Original-Content von: SWR - Das Erste, übermittelt durch news aktuell

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