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"Eine Frage der Ehre" - Das SAT.1-Interview mit Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl Donnerstag, 29. Juni 2000 um 0.20 Uhr

Berlin (ots)

- Wortlaut des SAT.1-Exklusiv-Interviews mit Ex-Kanzler Helmut
Kohl am Donnerstag, 29. Juni 2000 -
Unmittelbar nach seinen Aussagen vor dem
Parteispenden-Untersuchungsausschuss am Donnerstag, 29. Juni 2000 in
Berlin, gab Dr. Helmut Kohl (CDU) SAT.1-Chefredakteur Jörg Howe und
dem Leiter der Parlamentsredaktion Hans Schregelmann ein Interview.
Das Gespräch unter dem Titel "Eine Frage der Ehre" - Das
SAT.1-Interview mit Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl wird in voller
Länge am Donnerstag, 29. Juni 2000 um 0.20 Uhr in SAT.1 ausgestrahlt.
Die wichtigsten Passagen aus dem Interview mit dem "Kanzler der
Einheit" sind auch am Freitag, 30. Juni 2000 im
SAT.1-FRÜHSTÜCKSFERNSEHEN (5.30 bis 9.00 Uhr), den SAT.1-Nachrichten
um 15.00 und 16.00 Uhr sowie in "18:30" zu sehen.
Es folgt der Wortlaut des Interviews:
Herr Dr. Kohl, heute im Ausschuss hat es einige Aufregungen
gegeben. Sie sind mit einem Terminkalender konfrontiert worden. Ihnen
ist vorgeworfen worden, Sie hätten sich mit den CDU-Mitgliedern aus
dem Ausschuss abgesprochen. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?
Ich muss sagen, ich verstehe diese Vorwürfe eigentlich überhaupt
nicht. Es ist der Terminkalender einer Mitarbeiterin, der hier
vorliegt, den sie dem Ausschuss übergeben hat. Daran können Sie ja
schon erkennen, wie man was hinter diesen Notizen vermutet hat. Und
in den Notizen steht, dass ich mich, wenn hier Sitzungswochen sind
und die Kollegen aus dem Bundestag in Berlin sind - ist doch immer
die Woche, in denen die Sitzungen des Untersuchungsausschusses
stattfinden - ich mich mit dem einen oder anderen Kollegen treffe,
einfach um informiert zu werden. Meine Lage ist ja mehr als
eigenartig. Also, im Dezember wurde beschlossen, diesen
Untersuchungsausschuss einzusetzen. Im Dezember habe ich dem
Ausschuss angeboten, dass ich sofort aussagen will. Dann hat man die
Sache rausgezögert. Jetzt sind sieben Monate vergangen. Jetzt war ich
heute zum ersten Mal da. Und jetzt hat man schon vor ein paar Tagen
mitgeteilt, dass ich am nächsten Donnerstag, 14.00 Uhr, wieder kommen
darf und dass man mich vor Weihnachten wieder vorladen will - und
dann im nächsten Jahr. Ich muss sagen, das ist ein skandalöses
Vorgehen, denn es zeigt ja, dass der Ausschuss - die
Ausschussmehrheit rot-grün - überhaupt kein Ergebnis erzielen will,
denn jetzt soll die Sache auf die nächste Bundestagswahl hingezogen
werden. Mir geht es aber darum, jetzt schnell im Ausschuss zu
diskutieren und die Fragen zu beantworten. Im Dezember hat man
gesagt, man wolle - ich sage es jetzt mal mit meinen Worten -
untersuchen, ob die Regierung, Regierungsmitglieder, es ist immerhin
die Regierung, die meinen Namen trägt in diesen 17 Jahren, ob die
bestechlich gewesen sei, Regierungshandeln käuflich war. Dies hat man
gestützt auf Vermutungen - bei der Abgabe von Spürpanzern im
Golfkrieg an Saudi-Arabien, beim Neubau der Leuna-Raffinerie. Und
dann noch zwei ganz absurde Sachen, Geschäfte, die MBB und die
Airbusfirma mit Kanada und anderen gemacht hat. Dinge, die mich
überhaupt nichts angehen. Später hat man als fünften Punkt noch die
Spendengeschichte nachgeschoben, wo ich einen Fehler gemacht habe.
Das habe ich oft genug gesagt. Es wäre doch etwas ganz Leichtes
gewesen, jetzt zu sagen, lasst uns das mal abarbeiten. Dann habe ich
erst gestern erfahren, ob ich heute überhaupt Redezeit zu Beginn
habe. Das ist ein unmögliches Verfahren. Man lässt mich sieben Monate
warten und dann erfahre ich gestern endlich, dass ich wirklich zu
Beginn über eine Stunde zu allen Fragen reden kann. Ich bin darauf
angewiesen, Informationen zu bekommen, aber doch nicht, um Zeugen zu
beeinflussen. Das ist doch völlig lächerlich. So dann überhaupt zu
wissen, was da geplant ist, nachdem ich in der Zeitung jeweils lese,
was die Ausschussmehrheit beschließt. Ganz abgesehen, dass Mitglieder
aus der Ausschussmehrheit fortdauernd öffentliche Vorverurteilungen
vornehmen. Sehen Sie, als die Behauptung aufgestellt wurde vor
einigen Wochen in einer quasi Sondersendung der ARD, Francois
Mitterand hätte mich mit 30 Millionen Mark im Zusammenhang mit Leuna
bestochen, habe ich sofort gesagt, das müssen wir aufklären, das muss
jetzt sofort gemacht werden. Ich habe überhaupt keine Chance gehabt
bis zu dieser Stunde, außer dem, was ich heute selbst dazu gesagt
habe, dazu befragt zu werden. Und wenn man jetzt den Kollegen vom
CDU/CSU-Teil den Vorwurf macht, sie hätten mit mir gesprochen. Ja,
die Sozialdemokraten, die Grünen reden mit der Bundesregierung, mit
dem Bundeskanzleramt. Sie kriegen alle möglichen Materialien. Sie
haben Akten, die ich nicht habe. Die haben Notizen, die ich nicht
habe. Von Waffengleichheit kann gar keine Rede sein. Ich beklage mich
ja auch gar nicht. Ich habe da keine Gefühle der Unterlegenheit. Aber
sie sollen jetzt endlich mal voranmachen. Lasst uns doch mal drei
ganze Tage zu dem Thema zusammensitzen. Lasst uns doch jetzt mal die
Vorwürfe belegen.
Das heißt aus Ihrer Sicht, dass die Arbeit dieses
Untersuchungsausschusses eigentlich eine Farce ist?
Ja. Aus meiner Sicht hat dieser Untersuchungsausschuss - ich habe
sowieso meine eigene Meinung über parlamentarische
Untersuchungsausschüsse. Da stehe ich übrigens nicht alleine. Das ist
keine parteipolitische Frage. Ich kenne fast niemand, der erwartet,
dass aus einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, also jemand,
der was von der Sache versteht, im Sinne von Gerechtigkeit oder
Aufklärung kommt. Das ist ein politisches Kampfinstrument. Dieser
Ausschuss hat - das ist ja der Sinn des Hinausziehens bis zur
nächsten Bundestagswahl - ein klares Ziel: 17 Jahre Regierungszeit
Helmut Kohl zu verdunkeln und möglichst zum Vergessen zu bringen.
Damit muss ich leben. Aber ich kämpfe. Ich stelle mich dieser
Auseinandersetzung.
Sie haben heute vor dem Ausschuss die Spendernamen wieder nicht
genannt, weil Sie Ihr Ehrenwort gegeben haben. SPD und Grüne werfen
Ihnen jetzt vor, dass Sie Ihr Ehrenwort über das Gesetz stellen.
Sehen Sie das auch so?
Nein. Das sehe ich überhaupt nicht. Man kann anderer Meinung sein
als ich, das respektiere ich auch. Aber ich verlange auch Respekt vor
meiner eigenen Meinung. Das Gesetz, um das es hier geht, ist ein
Gesetz, in dem die Pflicht auferlegt wird, Spenden zu nennen. Das
Gesetz sieht aus gutem Grund vor, dass diejenigen, die so etwas tun,
wie ich einen Fehler begehen, ja nicht strafbar dadurch werden,
sondern dass die Strafe darin besteht, dass ihre Partei, in diesem
Fall meine Partei, die sozusagen die Ausgaben, die dadurch entstanden
sind, wieder gutmachen muss. Am besten ist das Wort Wiedergutmachung.
Das muss ich in Kauf nehmen. Da habe ich den Fehler gemacht. Da stehe
ich zu. Ich habe ja Spenden gesammelt. Wir haben insgesamt mit 1600
Spendern 8 Millionen Mark Spenden zusammengebracht, die die CDU zur
Begleichung des Schadens, den ich verursacht habe, bekommen hat. Und
ich will überhaupt nicht meine Meinung über das Gesetz stellen. Aber
wissen Sie, für mich ist ein Wort ein gegebenes Wort. Und es gibt
eine breite Unterstützung in der Bevölkerung zu diesem Thema.
Sie haben noch mal gesagt, Sie kämpfen um Ihre Ehre. Fühlen Sie
sich selbst noch als Ehrenmann?
Ja, selbstverständlich. Ich kenne eigentlich niemand, außer denen,
die mir parteipolitisch ans Zeug wollen und die sowieso eine
Antiposition haben. Sie brauchen ja nur hören - gehen Sie nach Paris,
gehen Sie nach Moskau, gehen Sie nach Washington oder London - was
die Leute von mir halten. Sie können es ja hier in Berlin bei jedem
wesentlichen Besucher erfahren. Das, was hier stattfindet, soll ja
meine Ehre schmälern. Aber diesen Schuh ziehe ich mir nicht an.
Sie mussten fast sieben Monate warten, bis Sie jetzt endlich vor
den Ausschuss geladen worden sind. Das ist eine lange Zeit. Sie waren
damals sehr ungehalten im Bundestag, als es um die Vorwürfe ging. Ist
das nicht an Ihre Nerven gegangen?
Ja. Selbstverständlich. Ich mache da gar kein Hehl draus. Ich bin
durch ein tiefes Tal gegangen. Auch in meinem Inneren. Sie müssen
sehen, ich bin Ehrenbürger Europas. Einer der angesehensten Deutschen
in der Welt. Und wenn ich jetzt die Relation meines Vergehens, meines
Fehlers nehme - und ich habe ja nichts eingesteckt. Keiner sagt ja,
ich hätte Geld genommen. Das sagt ja niemand. Auch nicht mal meine
Gegner. Dann ist das, was über mich hereingebrochen ist, und das
steht in keinem Verhältnis mehr zu dem, was ich getan habe. Das sagen
mir auch sehr viele. Und was Sie ja dann erleben, das Menschliche,
allzu Menschliche. Wissen Sie, es gab ja viele, die haben die ganzen
Jahrzehnte gar nicht genug bei mir sitzen können. Um nicht zu sagen,
auf dem Schoß sitzen. Aus allen Bereichen. Manche auch in der eigenen
Partei. Und wenn sie dann so plötzlich über Nacht sich als Outsider
wiederfinden, ist das schon spürbar. Aus diesem Tal bin ich jetzt
Gott sei Dank heraus. Und deswegen sagt ja auch jeder, das ist wieder
der alte Helmut Kohl, voller Kampfeslust. Und das will ich jetzt auch
zeigen.
Einer der jüngsten Vorwürfe ist die Aktenvernichtung im
Kanzleramt. Zwei Drittel der Computerdaten sollen gelöscht worden
sein, das riecht natürlich für die Öffentlichkeit nach Verschleierung
- müssen Sie dafür die politische Verantwortung übernehmen?
Nein. Ich denke gar nicht daran. Zunächst einmal weiß jeder, dass
es nicht die Sache des Bundeskanzlers ist, nach den Dateien zu
gucken. Ich war nicht im Archiv und habe die Akten hin und her
getragen. Aber zu den Erfahrungen dieser Wochen gehört ja auch, dass
ein Hausdurchsuchungsbefehl mir gegenüber erlassen wurde. Ein
unglaublicher Vorgang, auch auf Hinweis des Kanzleramtes, was den
Vorfall noch gravierender macht, weil jemand anonym in einem
wirklichen Pamphlet behauptet hat, mein Fahrer und ich und noch ein
Dritter hätten vor Weihnachten nachts Akten aus dem Kanzleramt
rausgeholt und nach Mainz in die Landesgeschäftsstelle der CDU
abgefahren. Ich war übrigens zu der Zeit gar nicht mehr im
Kanzleramt. Ich bin am 28. Oktober ausgeschieden. Dass das möglich
ist, dass daraus ein Hausdurchsuchungsbefehl aufgrund einer anonymen
Anzeige, an der nichts dran ist, wie jeder erkennen konnte, das ist
schon erheblich für mich ein Problem, dass so was überhaupt in der
Justiz möglich ist. Ansonsten muss ich sagen, wenn die
Bundesregierung sagt, die Siegel sind da nicht in Ordnung, dann soll
sie ein geordnetes Verfahren einsetzen. Das heißt, man hat gesagt,
man wolle das den Staatsanwälten, den Gerichten übergeben - ich kann
nur sagen: Macht das! Und dabei wird sich sehr rasch rausstellen, was
ja nun der Untersucher selber gesagt hat. Er hat ja wörtlich gesagt,
er war ja sehr vorsichtig als Jurist, er hat nicht gesagt: ich oder
Minister Bohl oder andere wären schuld, sondern es hätte sich gar
nichts gefunden, dass das auf unsere Anweisung geschehen ist. Und
deswegen will ich erst mal sehen, was nun wirklich ist. Das, was ich
bisher gehört habe, ist für mich nicht eine Untersuchung, die ich als
seriös betrachte, deshalb bin ich nicht bereit, die Ergebnisse zu
akzeptieren. Ich will eine wirkliche unparteiische Untersuchung
haben, wo ich genau auch wie jeder andere davon ausgehen kann, das
sind Leute, die das jetzt machen, wo man das Vertrauen haben kann.
Nun wird ja aus Kreisen der SPD und der Grünen immer wieder
gesagt, Sie sollten auf Ihr Abgeordnetenmandat im Bundestag
verzichten und Sie sollten auch nicht mehr Ehrenbürger Europas sein.
Das kann man Ihnen zwar schwerlich nehmen...
Ja!
...aber es wird immer wieder gefordert. Wie gehen Sie damit um?
Gar nicht. Ich bin gewählt, ich bin jetzt 41 Jahre Abgeordneter,
ich habe zu Beginn dieser Legislaturperiode schon gesagt, ich höre
mit dem Ende der Periode auf. Dann kamen jetzt diese Vorgänge
dazwischen. Ich wäre ja völlig arm dran, wenn ich jetzt nicht mehr
nach Berlin als Abgeordneter gehen könnte, weil ich ja dann als
Privatperson nahezu überhaupt keine Möglichkeit hätte, mich hier zur
Wehr zu setzen. Übrigens hat das auch eine finanzielle Seite, denn im
Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung, denn ich war 25 Jahre
ehrenamtlich Parteivorsitzender. Ich habe dies alles ehrenamtlich
gemacht. Und wenn ich jetzt meine Pension betrachte, die ja nicht
schlecht ist, aber gemessen an dem, was hier auch an Kosten auf mich
zukommt, ist sie keineswegs so, dass ich da große Sprünge machen
kann. Also wenn ich das Abgeordnetenmandat aufgebe, bin ich ja auch
dem Parlament ausgeliefert, all denen, die was ganz anderes mit mir
vorhaben. Und deswegen mache ich das nicht. Und der Ehrenbürger
Europas - da soll doch die SPD über ihren Vorsitzenden, den
Bundeskanzler Schröder, im Kreis der europäischen Regierungschefs,
und die haben mir ja diesen Titel mit seiner Unterstützung verliehen,
den Antrag stellen, Helmut Kohl bekommt den Ehrentitel "Ehrenbürger
Europas" aberkannt.
Dann soll er es machen! Aber er ist viel zu klug, um nicht zu
wissen, dass das völlig abartig ist, dass das nur für den
innenpolitischen Verleumdungskampf in Gebrauch genommen wird.
Herr Dr. Kohl, zu Ihrer eigenen Partei: Ihre Nachfolgerin im
Parteivorsitz Angela Merkel, will Ihre politischen Leistungen jetzt
zum 10. Jahrestag der deutschen Einheit groß feiern lassen - woher,
denken Sie eigentlich, kommt dieser Sinneswandel und freut Sie diese
Annäherung?
Zunächst einmal, was die eigene Partei betrifft, ich habe nie eine
Fehde mit meiner eigenen Partei gehabt. Wir haben über 700.000
Mitglieder, wenn Sie die CSU dazu nehmen sind wir mit über 800.000
mit Abstand die mitgliederstärkste Partei in Deutschland, die Union
als Ganzes. Und ich hatte mit der Parteiführung erhebliche Probleme,
das wissen Sie ja auch! Ich habe ja den Ehrenvorsitz deswegen in der
Partei auch niedergelegt vor ein paar Wochen. Aber ich bin daran
interessiert, dass die Partei die nächste Bundestagswahl gewinnt, ich
bin nicht auf Rache oder auf Krach aus. Und ich wünsche, dass die
Frau Merkel Erfolg hat. Das habe ich ihr nicht nur geschrieben und
gesagt, das ist meine Überzeugung. Und für die Partei ist das ja nur
ein Vorteil. Wissen Sie, jetzt haben wir Juni, gleich Juli, und wir
sind auch gleich im Oktober. Da werden dann schon ein paar Leute mehr
in Deutschland die Frage stellen: Wie war das eigentlich vor 10
Jahren? Und wenn ich mir jetzt das Konzept betrachte, wer da am 3.
Oktober in Dresden reden wird zum 10. Jahrestag, da werden eine Menge
Leute die Frage stellen, ja, wo sind denn die Redner vom 3. Oktober
1989, also elf Jahre oder zehn Jahre zurück. Und da wird mancher doch
sagen, irgendwo gab es da doch einen mit einer Figur, die nicht
leicht zu übersehen war. Da gab's doch noch den Helmut Kohl. Dann
werden auch die Leute die Frage stellen, die ich ja jeden Tag
gestellt bekomme. Es ist ja nicht so, dass ich in der Bevölkerung
keine Verankerung habe. Und es ist spürbar, die Sozialdemokraten sind
von allen Geistern verlassen, was sie da jetzt mit mir machen. Das
nützt doch nichts, wenn man ein altes Parteimitglied, das
hochverdient ist, wie der Verleger, der WAZ, Herr Schumann, der 45
Jahre SPD-Mitglied war, aus der Partei hinauswirft wegen
ehrenwidrigen Verhaltens, weil er dem Helmut Kohl, dem Ehrenbürger
Europas, aus seinem privaten Vermögen spendete. Das ist eine
politische Entwicklung, die schändlich ist. Ich war immer für scharfe
Auseinandersetzung unter politischen Gegnern. Aber ich habe nie
Politik im Freund-Feind-Verhältnis verstanden.
Zur Normalität mit Ihrer eigenen Partei gehört natürlich auch,
dass der Abgeordnete Dr. Helmut Kohl wieder an Fraktionssitzungen
teilnimmt.
Ja, mache ich auch. Ich bin ja noch immer im Plenum. Ich habe aber
gesagt, ich will in die Fraktion erst dann gehen, wenn ich ausgesagt
habe. Als ich das sagte, war ich nicht der Meinung, dass wir erst im
Juni überhaupt zu einer ersten Einvernahme im Ausschuss kommen. Ich
war eigentlich der Meinung, dass ich spätestens gleich nach der
Osterpause in den Untersuchungsausschuss kommen kann. Ich wollte die
Daten jetzt abwarten und auch die in der nächsten Woche. Aber es ist
völlig klar, dass ich nach der Sommerpause wieder in die Fraktion
gehe. Ich wollte nicht in die Fraktion gehen, ich sage Ihnen das ganz
offen, bevor ich meine Karte auch im Untersuchungsausschuss abgegeben
habe.
Ich frage nochmal anders, was Ihre eigenen Leistungen angeht.
Durch diese ganze Affäre, jetzt in der Rückschau, glauben Sie, dass
Ihre staatsmännischen Leistungen eigentlich Schaden genommen haben
dadurch, was in den letzten Monaten über Sie hereingebrochen ist?
Nein, überhaupt nicht. Das ist jetzt natürlich eine, wenn man es
mal so ausdrücken will, leicht verdunkelte Zone, aber wenn sie mit
mir jetzt über die Straßen Berlins gehen, können Sie ja sehen, wie
die Leute, und jetzt sind ja viele Leute zu Besuch aus ganz
Deutschland, wie die Leute reagieren. Die Leute sagen, oh,
Menschenskind, warum hat er das gemacht. Das ist ein intelligenter
Mann. Wie kann der so einen Fehler machen. Und dann sagen sie auch,
der hätte das Wort nicht geben dürfen. Das wird alles gesagt. Aber
wenn alles aufgezählt ist, kommt auch der Punkt, aber es waren doch
16 Jahre, wo es uns doch ganz gut ging. Und wir haben doch Dinge
erreicht wie nie zuvor. Wir haben eine Stellung in Deutschland und in
der Welt erreicht, und da hat der Helmut Kohl doch auch was mit zu
tun.
Viel ist in den letzten Monaten über schwarze Kassen bei der CDU
geredet worden. Bereuen Sie eigentlich irgendwelche Dinge, die Sie
als Vorsitzender der CDU oder im Namen der CDU für Ihre Partei getan
haben?
Natürlich. Ich habe ja öffentlich mehr als einmal gesagt, das war
ein Fehler. Und das tut mir auch leid, dass ich das getan habe. Dass
ich diese knapp zwei Millionen, etwas über zwei Millionen Mark in
sechs Jahren sozusagen ohne Anmeldung im Parteiregister
entgegengenommen habe. Da muss man auch mal die Relation herstellen.
In diesen sechs Jahren hat die CDU Deutschland ein Gesamtvolumen mit
Wahlkämpfen von 450 Millionen gehabt. Und diese zwei Millionen, das
sind knapp 0,5 %. Also, die Verhältnismäßigkeit ist ja auch noch zu
bedenken.
Eine letzte kurze Frage zur Ausschusstätigkeit in den nächsten
Wochen. Sie werden da ja noch ein paar Mal auftreten. Werden wir Sie
da ähnlich streitlustig, fast aggressiv erleben wie heute? Wie sehen
Sie das?
Ich war aber heute nicht aggressiv. Wissen Sie. Es fällt mir bei
den normalen Ausschussmitgliedern nicht schwer, da habe ich gar kein
Problem. Aber ich muss Ihnen sagen, von 100 Leuten, die mit mir
reden, haben 90 ein Problem, sich mit Herrn Ströbele von den Grünen
auseinander zu setzen. Weil die Leute, die ein bisschen was wissen,
sagen, dieser Mann hat ja nun unter Rechtsstaatsprinzipien einen
Lebenslauf hinter sich, der schon ganz ungewöhnlich ist. Dass der
sich jetzt als Richter über den früheren deutschen Bundeskanzler da
hinsetzt. Und wenn der also von Verfassungsbruch redet, dann muss ich
ganz einfach sagen, irgendwo tut es mir doch schon am Kopf weh. Wenn
ich die Straßenschlachten von Frankfurt sehe, und was es da alles in
diesen Jahren mit den Vorläufern der Grünen gegeben hat, mit Teilen
der Vorläufer der Grünen, ich sage nicht mit den Grünen, gegeben hat.
Wissen Sie, es ist einfach zu sagen, ich kann mir eine bessere
Beschäftigung und eine kurzweiligere auch vorstellen.
Aber wenn die halt beschließen, wir machen noch zehn
Ausschusssitzungen, dann gehe ich halt in Gottes Namen in zehn
Ausschusssitzungen. Ich werde durch Passivität die Sache nicht
machen. Und je mehr das deutsche Publikum sieht, was da beabsichtigt
ist, normale Leute, und was die da jetzt betreiben, auch die Leute,
die mich nicht mögen, bestreiten ja nicht gänzlich, dass ich
irgendwann in diesen Jahrzehnten nicht nur umsonst gearbeitet habe,
sondern auch ein bisschen was für das Land beigetragen habe. Und das
ist dann, das ist ein Schuss, der nach hinten losgeht. Da zeigt sich
einmal mehr, dass jede Form von Fanatismus dumm ist. Und die
Sozialdemokratie, wie die Grünen das jetzt inszenieren, das sind
natürlich persönlich intelligente Leute, aber sie machen eine dumme
Politik, mit Schaum vorm Mund. Das mag der Wähler nicht.
Herr Dr. Kohl, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Bildmaterial vom Interview liegt bei obs und action press vor.
Radiostationen können über NEWS AKTUELL/ors Interviewsequenzen
abrufen.
Rocco Thiede
SAT.1 PRESSE & PR
Tel.: 030 / 2090-2385 / Fax: 030 / 2090-2337
E-Mail:  rocco.thiede@sat1.de
Bildmaterial über SAT.1 per ISDN: Telefon 030/2090-2395
Bildmaterial über SAT.1 per Post:   Telefon 030/2090-2390
SAT.1 im Internet: http://www.sat1.de und
http://www.sat1nachrichten.de
Der vollständige Wortlaut des Interviews ist auch unter
"www.sat1nachrichten.de" nachzulesen.

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