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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Nukleare Katastrophe Ausgeliefert DIRK MÜLLER

Bielefeld (ots)

Es hätte eigentlich erst in 999.975 Jahren wieder passieren dürfen. Die deutsche Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit sieht nur einmal in einer Million Jahren ein Risiko für einen größten anzunehmenden Unfall in einem Atomkraftwerk. Und der Super-GAU im ukrainischen Tschernobyl ereignete sich 1986 und liegt mithin erst 25 Jahre zurück. Viel Zeit, um Energie zu gewinnen also. Oder? Wieso hat sich die Natur nicht daran gehalten? Wieso hat die Sicherheitstechnik im japanischen Fukushima den oberschlauen Machbarkeits-Missionaren nicht gehorcht? Weil, wenn Natur und Technik zusammenwirken, eben nur sehr grobe Voraussagen möglich sind. Die Natur hält sich nicht an Berechnungen; täte sie es, stünden wir nicht ein ums andere Mal derart staunend vor den Wundern und Verheerungen der Schöpfung, der die menschliche Technikgläubigkeit und ein außergewöhnlich starkes Erdbeben gerade einen riesigen Schaden zugefügt haben. Immer noch weiß man nicht genau, ob es in dem Reaktor von Fukushima tatsächlich zu einer Kernschmelze, zum nicht aufzuhaltenden nuklearen Höllenfeuer, gekommen ist. Die Informationspolitik der japanischen Regierung reiht sich passgenau in das gewohnte Muster der Beschwichtigung ein, das wir von Störfällen kennen, die einer profitablen Strategie entgegenlaufen. Natürlich muss man zugestehen, dass schon Erdbeben und Tsunami an sich die japanische Zivilgesellschaft an die Grenzen ihrer Belastbarkeit führen. Es ist leicht nachvollziehbar, dass die Regierung und ihre Behörden vom Ausmaß der Katastrophe tatsächlich ebenso überfordert sind wie die japanischen Bürger, wie die Zeugen, die das Geschehen weltweit in den Medien verfolgen. Jetzt Überlegungen anzustellen, ob etwa eine 35-Millionen-Metropole wie der Großraum Tokio in den nächsten tausend Jahren noch bewohnbar oder radioaktiv verseuchtes Gebiet sein wird, ist sicher zu viel verlangt. Dennoch: Japan hat in Kenntnis der Erdbebenrisiken kaltschnäuzig auf Kernspaltung als Energielieferanten gesetzt, seine Entwicklung und seinen Wohlstand damit verknüpft. Alternativen? Fehlanzeige. 54 Atommeiler produzierten bisher Strom und Strahlenmüll. Dass das Undenkbare trotz aller Vorkehrungen eintritt, zeigt sich gerade. Lernen wir daraus? Machen wir uns nichts vor. In den Chefetagen der Energiekonzerne hierzulande, in den Büros und Hinterzimmern der Atomlobby werden panisch, aber gleichzeitig ungeheuer rational Argumentationshilfen zusammengestellt, die einmal mehr plausibel nachweisen sollen, warum es eben doch möglich sein soll, dem Unkalkulierbaren ein Schnippchen zu schlagen. Schon sind sie zu hören, die Schönredner der Störfälle, die uns weismachen wollen, deutsche Reaktoren hätten bessere Sicherheitssysteme, stabilere Kühlsysteme, eine weniger anfällige Notstromversorgung. Für die Trauer um die Opfer der japanischen Katastrophe bleibt keine Zeit, auch wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel zunächst anmahnte, es sei noch Gelegenheit, über die Konsequenzen aus der Katastrophe nachzudenken. SPD und Grüne hatten immerhin für unser Land ein Ende der menschenverachtenden Atomtechnologie in Gesetzesform gebracht. Fragen blieben dabei offen, wie etwa die des generationenüberschreitend strahlenden Mülls. Aber es war ein Ende absehbar. Ein Ende einer Technologie, die im Störfall unbeherrschbar ist, aber auch im Normalbetrieb: Niemand weiß bis heute, wie mit dem atomaren Abfall verantwortbar umzugehen ist. Hoffen wir für Japan, dass es nicht zum Schlimmsten gekommen ist. Beten wir, dass sich das Land und seine Menschen von der Katastrophe erholen. Helfen wir mit Experten und Spenden, wenn es nötig sein sollte. Aber dann: Machen wir Schluss mit einer Zukunft zerstörenden Atompolitik, gehen wir auf die Straße gegen die entzauberten Technokraten. Die Laufzeit unseres Ausgeliefertseins kann schon bald ein Ende haben. Wir haben die Wahl.

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