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EKD - Evangelische Kirche in Deutschland

Seelsorgerliche Begleitung auch im Auslandseinsatz Wolfgang Huber würdigt 50 Jahre Militärseelsorgevertrag

Hannover (ots)

Es gilt das gesprochene Wort!
"Jeder Auslandseinsatz ist mit neuen Risiken verbunden; ob er zum 
Frieden beiträgt, ist immer wieder ungewiss", so der Vorsitzende des 
Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang
Huber. Bei einer Festveranstaltung zur Feier des 50jährigen Bestehens
des Militärseelsorgevertrages zwischen der EKD und der Bundesrepublik
Deutschland in Köln erklärte Huber, die wachsende Zahl der 
Auslandseinsätze zeige das Ausmaß der Friedensgefährdung in unserer 
Zeit. Angesichts ihrer Gefährlichkeit müssten sie auch seelsorgerlich
intensiv begleitet werden. In einem Auslandseinsatz werde das Leben 
der Soldatinnen und Soldaten besonders gefährdet, daher müssten diese
Einsätze "politisch ernsthaft geprüft und militärisch sorgfältig 
vorbereitet" werden.
Bei Auslandseinsätzen seien Soldatinnen und Soldaten nicht nur 
militärischen Herausforderungen, sondern auch den "Fragen von Leben 
und Tod, von Sinn und Ziel menschlichen Handelns" ausgesetzt, so 
Bischof Huber. Die evangelische Seelsorge entsende gegenwärtig 
jährlich bis zu einem Drittel ihrer Seelsorger in die 
Auslandseinsätze. "Dass der Glaube ein tragfähiges Lebensfundament 
bildet, erschließt sich manchem in einer solchen Lage ganz neu", 
sagte Huber. Nicht selten ließen sich Soldatinnen und Soldaten 
während der Auslandseinsätze taufen.
Die evangelische Seelsorge in der Bundeswehr wende sich allen 
Soldatinnen und Soldaten zu, auch den Konfessionslosen. "Sie schuldet
das Evangelium von der Freiheit in Jesus Christus nicht nur den 
Mitgliedern der Kirche, sondern allen Menschen, die nach einem 
tragfähigen Grund für ihr Leben fragen." Darüber hinaus leisteten die
Seelsorgerinnen und Seelsorger im Rahmen des Lebenskundlichen 
Unterrichts einen wichtigen Beitrag zur ethischen Reflexion und 
Sinnorientierung der Soldatinnen und Soldaten. Dieser Unterricht sei 
auch für die Zukunft wichtig: "Auch künftig brauchen Soldaten einen 
Ort, an dem sie auf dem Hintergrund ihrer Erfahrungen zur ethischen 
Urteilsbildung befähigt und ermutigt werden."
Der Ratsvorsitzende hob hervor, dass der Militärseelsorgevertrag 
der einzige Vertrag dieser Art zwischen der EKD und der 
Bundesrepublik ist. Er sei ein "starkes Vorbild" auch für andere 
Bereiche: "Auch im Vergleich mit der Regelung in anderen Ländern hat 
der Militärseelsorgevertrag Lob, Dank und Anerkennung verdient." In 
ihm komme die "fördernde Neutralität" zwischen Staat und Kirche zum 
Ausdruck, er entspreche dem Grundsatz der wechselseitigen 
Unabhängigkeit beider. Die große Aufgabe des 
Militärseelsorgevertrages sei es, zu gewährleisten, dass 
Militärseelsorger einerseits der Freiheit des Glaubens Ausdruck zu 
geben hätten, zugleich aber den Loyalitätspflichten eines 
Staatsbeamten entsprechen müssen, auch um von den Soldatinnen und 
Soldaten anerkannt zu werden. "Einen eigenständigen Weg zu finden, 
der dem Auftrag der Kirche und der Verantwortung des Seelsorgers 
gerecht wird und zugleich die Erwartungen der Soldaten und die 
Loyalitätspflichten gegenüber dem Staat ernst nimmt: das ist die 
große Aufgabe, deren Gelingen wir heute, nach fünfzig Jahren, 
feiern."
Hannover, 21. Februar 2007
Pressestelle der EKD
Silke Fauzi
Bischof Dr. Wolfgang Huber
Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
Festrede zum fünfzigjährigen Jubiläum des Militärseelsorgevertrags
am 22. Februar 2007 auf dem Flughafen Köln/Bonn
I.
Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Evangelischen 
Kirche in Deutschland gibt es nur einen einzigen Vertrag. Das ist 
erstaunlich. Denn Verträge zwischen Staat und Kirche sind in 
Deutschland nicht ungewöhnlich. In allen Bundesländern sind sie 
bekannt. Zuletzt wurden in den Stadtstaaten Bremen, Hamburg und 
Berlin solche Verträge geschlossen. Sie entsprechen dem Grundsatz der
wechselseitigen Unabhängigkeit von Staat und Kirche. Sie gestalten 
gemeinsame Angelegenheiten; sie bringen die "fördernde Neutralität" 
zum Ausdruck, die nach einer treffenden Formulierung des 
Bundesverfassungsgerichts das Verhältnis von Staat und Religion in 
unserem Land bestimmt. In ihnen spiegelt sich der 
Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen, der auch in einer religiös 
pluralen Gesellschaft unverzichtbar bleibt.
In den Bundesländern sind solche Verträge geläufig; aber auf der 
Ebene des Bundes gibt es bis zum heutigen Tag nur einen einzigen 
derartigen Vertrag. Er ist einem ebenso wichtigen wie heiklen Thema 
gewidmet: der Seelsorge in der Bundeswehr. Manche Vorwürfe waren mit 
seinen Anfängen verbunden. Noch nicht einmal zwölf Jahre waren seit 
dem Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen, nach dessen Grauen viele 
Christen davon überzeugt waren, Gott selbst habe dem deutschen Volk 
"die Waffen aus der Hand geschlagen". Im geteilten Land, aber der 
noch geeinten evangelischen Kirche musste der Abschluss dieses 
Vertrags besonders viel Aufsehen erregen. Dass die DDR ihn scharf 
kritisierte, konnte nicht verwundern. Otto Dibelius, der evangelische
Bischof von Berlin und unterzeichnende Ratsvorsitzende der EKD, 
musste sich gefallen lassen, dass er als "NATO-Bischof" tituliert 
wurde; als Ehrentitel war das nicht gemeint. Seit dieser 
Anfangsdebatte haben sich beispielsweise an der Auseinandersetzung 
darüber, ob der Beamtenstatus der Militärpfarrer sich mit der 
Unabhängigkeit des geistlichen Amts vertrage, viele beteiligt; auch 
mich hat diese Frage schon in jungen Jahren bewegt.
Wie verträgt sich die Nähe zu den Menschen in Uniform mit der 
Freiheit des Evangeliums? Die Frage hat es in sich. Wer den Soldaten 
seelsorgerlich beistehen will, muss dazugehören; er muss mehr sein 
als "ein Gast mit Passierschein für die Wache". Wer dazu gehören 
will, muss den Loyalitätspflichten eines Beamten entsprechen. Doch 
der Zeuge des Evangeliums muss zugleich der Freiheit des Glaubens 
Ausdruck geben und seiner Kirche unzweideutig verbunden sein. Einen 
eigenständigen Weg zu finden, der dem Auftrag der Kirche und der 
Verantwortung des Seelsorgers gerecht wird und zugleich die 
Erwartungen der Soldaten und die Loyalitätspflichten gegenüber dem 
Staat ernst nimmt: das ist die große Aufgabe, deren Gelingen wir 
heute, nach fünfzig Jahren, feiern. Ich habe es wieder und wieder 
kritisch erwogen und sage es deshalb nicht leichtfertig. Aber ich 
sage es: Auch im Vergleich mit der Regelung in anderen Ländern hat 
der Militärseelsorgevertrag Lob, Dank und Anerkennung verdient.
Nur einen Vertrag gibt es zwischen der Bundesrepublik Deutschland 
und der Evangelischen Kirche. Das muss nicht so bleiben. Sollten sich
andere Regelungsmaterien zeigen, dann kann man an einem starken 
Vorbild Maß nehmen.
II.
In der Zeit vor 1989 musste dieser Vertrag sich in vielen Debatten
bewähren. Ob militärische Gewalt angesichts der atomaren Drohung dem 
Frieden dienen könne, beschäftigte viele Menschen. Nach der Wende von
1989/90 stand die Frage an, welche Gestalt die Seelsorge in der 
gemeinsamen deutschen Armee annehmen solle. In der evangelischen 
Kirche wurde darüber lebhaft gestritten. Manchmal geschah das zum 
ungläubigen Staunen einer größeren Öffentlichkeit. Aber eine Kirche, 
die sich mit einer solchen Frage schwer tut, braucht sich dessen 
nicht zu schämen. Es ist der staatlichen Seite sehr zu danken, dass 
sie unserer Kirche die dafür nötige Zeit einräumte; durch einen 
Briefwechsel sowie durch eine Rahmenvereinbarung wurde der nötige 
Spielraum geschaffen, bis eine kirchengesetzliche Regelung es möglich
machte, den Militärseelsorgevertrag auch auf die neuen Bundesländer 
zu erstrecken.
Einig war man sich dabei in dem Ziel, die kirchliche Bindung der 
Seelsorge in der Bundeswehr zu stärken und gleiche Arbeitsbedingungen
für alle Seelsorgerinnen und Seelsorger zu schaffen. Heute beschreibt
die Grundordnung der EKD die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr
als Gemeinschaftsaufgabe.
Das Gewicht dieser Aufgabe steht jedem vor Augen, der Soldatinnen 
und Soldaten besucht - sei es hier in der Ausbildung oder in den 
Auslandseinsätzen. Am einen wie am anderen Ort wird der Dienst der 
Seelsorge in der Bundeswehr hoch geschätzt und intensiv in Anspruch 
genommen. Als Kirche sehen wir darin eine große Verpflichtung, der 
wir auch in der Zukunft entsprechen wollen.
III.
Dabei sind die dramatischen Veränderungen zu bedenken, unter denen
sich der seelsorgerliche Dienst an den Soldatinnen und Soldaten 
vollzieht.
Die Bundeswehr wandelt sich von einer Streitkraft mit dem 
Schwerpunkt auf der Landesverteidigung zu einer weltweit operierenden
Einsatzarmee. Das wirkt sich auf Aufgaben, Umfang und Struktur der 
Evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr aus. Die personelle 
Verkleinerung der Armee hat Folgen für die Zahl der Mitarbeiterinnen 
und Mitarbeiter in der Seelsorge, die Zahl der Leitenden Dekane 
eingeschlossen. Nicht nur der Bundeswehr, sondern auch der 
evangelischen Seelsorge wird im Zuge der Transformation eine 
erhebliche Anpassungsleistung abverlangt.
Vom Anwachsen der Auslandseinsätze muss man beeindruckt sein. 
Freuen kann man sich darüber nicht. Denn darin zeigt sich das Ausmaß 
der Friedensgefährdung in unserer Zeit. Jeder Auslandseinsatz ist mit
neuen Risiken verbunden; ob er zum Frieden beiträgt, ist immer wieder
ungewiss. Das Leben der Soldatinnen und Soldaten ist im 
Auslandseinsatz besonders gefährdet; die Sorgen der Angehörigen, die 
zurückbleiben, sind groß. Solche Auslandseinsätze müssen deshalb 
politisch ernsthaft geprüft und militärisch sorgfältig vorbereitet 
werden. Sie müssen aber auch seelsorgerlich intensiv begleitet 
werden.
Die evangelische Seelsorge entsendet gegenwärtig jährlich bis zu 
einem Drittel ihrer Seelsorger in die Auslandseinsätze. Soldatinnen 
und Soldaten sehen sich in diesen Einsätzen nicht nur militärischen 
Herausforderungen gegenüber. Sondern sie sind zugleich den Fragen von
Leben und Tod, von Sinn und Ziel menschlichen Handelns ausgesetzt. 
Dass der Glaube ein tragfähiges Lebensfundament bildet, erschließt 
sich manchem in einer solchen Lage ganz neu. Nicht selten lassen sich
Soldatinnen und Soldaten während der Auslandseinsätze taufen. Von den
Gottesdiensten im Camp wird lange berichtet.
Das ist umso bemerkenswerter, als die Zahl der Konfessionslosen in
der Bundeswehr seit der Wiedervereinigung deutlich gestiegen ist. Die
evangelische Seelsorge in der Bundeswehr wendet sich allen 
Soldatinnen und Soldaten zu. Sie schuldet das Evangelium von der 
Freiheit in Jesus Christus nicht nur den Mitgliedern der Kirche, 
sondern allen Menschen, die nach einem tragfähigen Grund für ihr 
Leben fragen.
Davon zu unterscheiden ist der Beitrag, den die Seelsorgerinnen 
und Seelsorger im Rahmen des Lebenskundlichen Unterrichts zur 
ethischen Reflexion und Sinnorientierung der Soldatinnen und Soldaten
leisten. Auch künftig wird der Freiraum gebraucht, den der 
Lebenskundliche Unterricht bietet; deshalb bin ich zuversichtlich, 
dass die Überarbeitung der Konzeption für diesen Unterricht zu einem 
guten Abschluss kommen wird. Auch künftig brauchen Soldaten einen 
Ort, an dem sie auf dem Hintergrund ihrer Erfahrungen zur ethischen 
Urteilsbildung befähigt und ermutigt werden.
In ihren Beiträgen zu dieser Urteilsbildung orientiert sich die 
evangelische Kirche am Leitbild des "Gerechten Friedens". Der Friede 
kann nur dann nachhaltig gewonnen und gesichert werden, wenn er mit 
der Gerechtigkeit verbunden ist und wenn die Gewalt der Herrschaft 
des Rechts unterworfen wird. In diesem Geist begleiten wir 
Soldatinnen und Soldaten. Mit ihnen wollen wir die Überzeugung 
bestärken, dass Frieden und Sicherheit niemals allein mit 
militärischen Mitteln zu erreichen sind. Sondern der Frieden braucht 
politische Verständigung, rechtlichen Schutz und soziale 
Verwirklichung. Und nicht zuletzt braucht er Versöhnung.

Pressekontakt:

Evangelische Kirche in Deutschland
Hans-Christof Vetter
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
E-Mail: christof.vetter@ekd.de

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