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Wolfgang Huber: EIntreten für die Menschen im Nahen Osten Ratsvorsitzender predigt am Israelsonntag

Hannover (ots)

Es gilt das gesprochene Wort!
Wolfgang Huber: Eintreten für die Menschen im Nahen Osten
Ratsvorsitzender predigt am Israelsonntag
Im Nahen Osten sei eine "Parteinahme für die Menschen" nötig, 
sagte der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in 
Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, in seiner Predigt zum 
Israelsonntag am 20. August im Berliner Dom. Wahrhaftig werde ein 
solches Eintreten durch die Umkehr zu Gott, "nicht aus der 
Parteinahme für die eine oder die andere Seite", sondern für die 
Menschen. Es gehe darum, den Ruf des Evangeliums laut werden zu 
lassen. "Unsere Aufgabe besteht nicht darin, den derzeitigen 
Konfliktparteien die richtigen Maßnahmen vorzuschreiben", so Wolfgang
Huber. Er hoffe, "dass der Waffenstillstand hält und dass er dazu 
genutzt wird, das Misstrauen zu überwinden und dem Frieden Raum zu 
schaffen."
"Der Atem stockt, wenn man im Jahr 2006 den Namen dieses Sonntags
ausspricht: Israelsonntag", so der Ratsvorsitzende. In diesem Jahr 
werde der Israelsonntag, der 10. Sonntag nach Trinitatis, vor "einem 
düsteren Hintergrund" begangen. "Angesichts der beunruhigenden 
Nachrichten aus dem Nahen Osten fällt es schwer, das Wort des 
Propheten nachzusprechen: Saget der Tochter Zion: Siehe, dein Heil 
kommt!". Auch in den Worten des Propheten Jesaja könne man die 
Spannung zwischen der von ihm verkündeten großen Friedensvision und 
"den eigenen unfriedlichen Erfahrungen" spüren, sagte der 
Ratsvorsitzende mit Bezug auf den Predigttext in Jesaja 62,6-12. 
Jesaja spreche von Wächtern auf den Zinnen Jerusalems, die darüber 
wachen sollen, dass Gott sich an seine Verheißungen und Zusagen 
erinnert. In den vergangenen Wochen "waren wir alle aufgefordert, 
Wächter zu sein. Deshalb mussten wir Gott und die Menschen darauf 
aufmerksam machen, wie sehr sich Israel in seiner Existenz bedroht 
sieht. Zugleich aber spüren wir den tief sitzenden Hass der 
radikalisierten Muslime auf Israel und die westliche Welt." Wachsame 
Menschen spürten das auch in Israel.
Der Bischof berichtete vom israelischen Schriftsteller David 
Großmann, dessen Sohn als Soldat 14 Tage vor seinem 21. Geburtstag im
Südlibanon gestorben ist. Gemeinsam mit Amos Oz und anderen 
Schriftstellerkollegen habe Großmann in den letzten Wochen 
Verständnis für die militärische Reaktion Israels gezeigt. Er 
"forderte aber zugleich, dass Israel die Bemühungen um einen 
Waffenstillstand aufnehmen und die geplante Bodenoffensive 
unterlassen solle." Andere Formen, "rastlos zu sein und auch Gott 
keine Ruhe zu lassen um des Friedens willen" sei das Engagement der 
evangelischen Gemeinden. Die Sorge um die Menschen, deren Leben 
bedroht war, habe das Leben in der deutschsprachigen evangelischen 
Gemeinde in Beirut in den letzten Wochen bestimmt, berichte Pfarrerin
Friederike Weltzien. In der evangelischen "Abrahams Herberge" in Beit
Jala im Westjordanland seien rund 20 arabische Israelis aus 
Nordisrael aufgenommen worden. "Die Mitarbeiter des Gästehauses 
brachen ihre Ferien ab, um den traumatisierten Flüchtlingen, vor 
allem den Kindern unter ihnen, beizustehen." Deutsche Kirchen 
unterstützten diese Hilfe.
"Das Heil, auf das wir hoffen, steht noch aus." Die Menschen 
sehnten sich nach Frieden für Israelis, Libanesen und Palästinenser. 
Eine Umkehr zu Gott könne dem Dialog der Religionen neue Kraft geben,
wie dem Dialog zwischen Juden und Muslimen, "auch wenn das Verhältnis
zwischen ihnen heute zum Zerreißen gespannt ist." Der Nahe Osten 
brauche Feindesliebe, so Bischof Wolfgang Huber. Anders könne Hass 
und Unversöhnlichkeit kein Ende finden.
Hannover, 18. August 2006
Pressestelle der EKD
Silke Fauzi
Der Israelsonntag wird seit dem frühen Mittelalter im Christentum 
am 10. Sonntag nach Trinitatis gefeiert. Er ist dem Gedenken an die 
Zerstörung des jüdischen Tempels gewidmet, zugleich seit den 
sechziger Jahren mit einem Gedenken an die Judenverfolgung des 
Dritten Reiches verbunden sowie mit der Reflexion des Verhältnisses 
von Kirche und Israel.
Die Predigt im Wortlaut:
Es gilt das gesprochene Wort!
Bischof Dr. Wolfgang Huber
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
Predigt am Israelsonntag,
dem 20. August 2006,
im Berliner Dom
Jesaja 62,6-12
I.
Der Atem stockt, wenn man im Jahr 2006 den Namen dieses Sonntags 
ausspricht: Israelsonntag. Er erinnert daran, dass im Jahr 70 nach 
Christus Jerusalem durch den Kaiser Titus zerstört wurde. Über 
Jahrtausende haben Christen dieses Ereignis als Strafe Gottes 
gedeutet, als Strafe dafür, dass Israel sich nicht zu Christus 
bekannt habe. Als Bußtag wurde der Israelsonntag begangen. Die 
Gemeinden trugen an vielen Orten Trauerkleidung, und der Kirchenraum 
war von Schwarz als liturgischer Farbe bestimmt wie am Bußtag oder am
Totensonntag.
	Auch noch in der Gestalt der Buße rechtfertigte man das Leiden 
Israels und gab der Zerstörung Jerusalems einen vermeintlich 
göttlichen Sinn.  Erst spät haben wir als Christen erkannt, dass es 
uns nicht zusteht, die Erwählung des Volkes Israel in Abrede zu 
stellen und es dadurch für vogelfrei zu erklären. Auf ganz andere 
Weise als in früherer Zeit muss dieser Sonntag deshalb ein Bußtag 
sein. Wir schämen uns dessen, was unsere Väter und Mütter im Lande 
wie im Glauben den Juden angetan haben.
	Zugleich aber gilt, dass wir uns des Evangeliums nicht schämen 
können, weil es die Kraft Gottes ist, die selig macht alle, die 
darauf vertrauen. Als Christen, die ihr Leben an dem Ruf des 
Evangeliums orientieren wollen, hören wir auf den Predigttext aus 
Jesaja 62:
 	O Jerusalem, ich habe Wächter über deine Mauern bestellt, die den 
ganzen Tag und die ganze Nacht nicht mehr schweigen sollen. Die ihr 
den HERRN erinnern sollt, ohne euch Ruhe zu gönnen, lasst ihm keine 
Ruhe, bis er Jerusalem wieder aufrichte und es setze zum Lobpreis auf
Erden! Der HERR hat geschworen bei seiner Rechten und bei seinem 
starken Arm: Ich will dein Getreide nicht mehr deinen Feinden zu 
essen geben noch deinen Wein, mit dem du soviel Arbeit hattest, die 
Fremden trinken lassen, sondern die es einsammeln, sollen' s auch 
essen und den HERRN rühmen, und die ihn einbringen, sollen ihn 
trinken in den Vorhöfen meines Heiligtums. Gehet ein, gehet ein durch
die Tore! Bereitet dem Volk den Weg! Machet Bahn, machet Bahn, räumt 
die Steine hinweg! Richtet ein Zeichen auf für die Völker! Siehe, der
HERR lässt es hören bis an die Enden der Erde: Saget der Tochter 
Zion: Siehe, dein Heil kommt! Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und 
was er sich erwarb, geht vor ihm her! Man wird sie nennen «Heiliges 
Volk», «Erlöste des HERRN», und dich wird man nennen «Gesuchte» und 
«Nicht mehr verlassene Stadt».
II.
Am Israelsonntag 2006 hören wir dieses prophetische Wort auf einem 
besonderen, auf einem düsteren Hintergrund. Es ist nämlich noch nicht
ausgemacht, ob die kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem Staat
Israel und der paramilitärischen Hisbollah im Libanon als 
33-Tagekrieg des Jahres 2006 in die Geschichte eingehen wird. Vorerst
schweigen die Waffen; vorläufig gibt es einen brüchigen 
Waffenstillstand. Angesichts der beunruhigenden Nachrichten aus dem 
Nahen Osten fällt es schwer, das Wort des Propheten nachzusprechen: 
Saget der Tochter Zion: Siehe, dein Heil kommt!
	Denn die Wirklichkeit eines vom Krieg bedrohten Alltags fällt auf 
schroffe Weise hinter diese Verheißung zurück. Über 6000 deutsche 
Staatsangehörige haben den Libanon mit Hilfe der deutschen Botschaft 
in organisierten Konvois über Tripolis nach Syrien bzw. mit Schiffen 
nach Zypern fluchtartig verlassen. Bisher wurden 27 Flüge mit 
Flugzeugen der Bundeswehr sowie mit vom Auswärtigen Amt gecharterten 
Flugzeugen für die Ausreise organisiert. Die Frauen, Kinder und 
Männer, die in Israel und im Libanon leben, konnten nicht alle das 
Land verlassen.
	Eine vergleichbare Spannung zwischen der großen Friedensvision und 
den eigenen unfriedlichen Erfahrungen kann man allerdings auch den 
Worten des Propheten abspüren. Jesaja spricht von Wächtern auf den 
Zinnen Jerusalems, die darüber wachen sollen, dass Gott sich an seine
Verheißungen und Zusagen erinnert.
	Die ihr den HERRN erinnern sollt, ohne euch Ruhe zu gönnen, lasst 
ihm keine Ruhe, bis er Jerusalem wieder aufrichte und es setze zum 
Lobpreis auf Erden! Gegen Gottes Schweigen sollen diese Erinnerer bei
Gott seine Verheißungen einklagen.
	Viele Menschen haben in den letzten Wochen mit einem Gefühl von 
Ohnmacht und Ratlosigkeit auf die eskalierende Spirale der Gewalt 
geschaut. Wir alle waren aufgefordert, Wächter zu sein. Deshalb 
mussten wir Gott und die Menschen darauf aufmerksam machen, wie sehr 
sich Israel in seiner Existenz bedroht sieht. Zugleich aber spüren 
wir den tief sitzenden Hass der radikalisierten Muslime auf Israel 
und die westliche Welt.
	Wachsame Menschen spüren das auch in Israel. David Großmann ist ein 
Beispiel dafür, einer der großen Schriftsteller Israels. In seinem 
Buch "Der gelbe Wind" beschreibt er 1987 das palästinensische Leben 
unter der israelischen Besatzung. Gemeinsam mit Amos Oz und anderen 
Schriftstellerkollegen zeigte Großmann in den letzten Wochen 
Verständnis für die militärische Reaktion Israels, forderte aber 
zugleich, dass Israel die Bemühungen um einen Waffenstillstand 
aufnehmen und die geplante Bodenoffensive unterlassen solle.
	Einer der Söhne David Großmanns heißt Uri. Er gehört zu den über 100
Kriegstoten, die Israel beklagt. Uri Großmann ist am 12. August in 
dem von ihm befehligten Panzer im Südlibanon verbrannt, zusammen mit 
drei weiteren Soldaten. Er starb 14 Tage vor seinem 21. Geburtstag. 
Im November hätte er seine dreijährige Dienstzeit bei der Armee 
beendet und wäre danach zu einer Weltreise aufgebrochen. Später 
wollte er studieren. Seiner kleinen Schwester hatte er versprochen, 
dass sie die nächste Sabbatmahlzeit zusammen einnehmen würden. Nun 
müssen andere an seiner Statt Gott und die Menschen daran erinnern, 
dass Frieden nötig ist, damit der Lobpreis Gottes laut werden kann.
	Ein anderes Beispiel aus diesen Tagen: Die evangelische Gemeinde in 
Beit Jala im Westjordanland hat etwa zwanzig arabische Israelis aus 
Nordisrael aufgenommen. Die Mitarbeiter des Gästehauses "Abrahams 
Herberge" brachen ihre Ferien ab, um den traumatisierten 
Flüchtlingen, vor allem den Kindern unter ihnen, beizustehen. 
Deutsche Kirchen unterstützen diese Hilfe. Auch das ist eine Form, 
rastlos zu sein und auch Gott keine Ruhe zu lassen um des Friedens 
willen.
	Auch auf die andere Seite dieser Tragödie will ich einen Blick 
werfen. Ich erinnere mich deutlich an einen Besuch in der 
deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Beirut. Die Pfarrstelle 
wird von einem Ehepaar gemeinsam wahrgenommen. Nun sind die beiden 
getrennt; denn Friederike Weltzien musste ihre Kinder in Sicherheit 
bringen, als die Bomben  überall, auch unweit des Gemeindehauses und 
der kleinen Kirche einschlugen. "Zwei Nächte lang haben wir wach 
gelegen", so berichtet die Pfarrerin. "Das ganze Gebäude zitterte. 
Überall Zerstörung, Angst, Ohnmacht - ich musste meinen Sohn da 
schnell herausbringen. Es war nicht mal richtig Zeit, von meinem Mann
Abschied zu nehmen. Er blieb bei der Gemeinde, in der viele in diesen
Tagen Zuflucht suchen. Wir konnten uns zwar retten, in einem Bus voll
von Müttern mit Kindern, befanden uns alle in ständiger Angst, dass 
die Flugzeuge auch den Bus angreifen könnten." Das Leben in der 
Gemeinde war in den letzten Wochen insgesamt von der Sorge um die 
Menschen bestimmt, deren Leben bedroht ist.  "Der Hass auf Israel", 
so berichtet die Pfarrerin, "wuchs mit jeder Detonation."
	Ja, das Prophetenwort bekommt in diesen Tagen einen besonderen 
Klang: Die ihr den HERRN erinnern sollt, ohne euch Ruhe zu gönnen, 
lasst ihm keine Ruhe, bis er Jerusalem wieder aufrichte und es setze 
zum Lobpreis auf Erden!
III.
Das Heil, auf das wir hoffen, steht noch aus. Die Brücken sind 
geborsten und die Hoffnung verdorrt. Wir sehnen uns nach Frieden für 
Israelis, Libanesen und Palästinenser. Wir geben die Hoffnung auf 
einen blühenden Libanon wie auf Frieden zwischen Israel und Palästina
nicht auf. Die meisten Menschen im Iran, in Syrien, im Irak, in 
Jordanien oder in Ägypten wünschen sich - so wie wir - einen 
gesicherten Frieden im Nahen Osten.
	Unsere Aufgabe besteht nicht darin, den derzeitigen Konfliktparteien
die richtigen Maßnahmen vorzuschreiben.  Wir sind, so glaube ich, in 
anderer Weise gefordert. Es geht darum, den Ruf des Evangeliums laut 
werden zu lassen. Wir sollten uns dessen nicht schämen, was sich als 
unsere Rettung erwiesen hat. Es geht um unsere Umkehr zu Gott. Ich 
bin davon überzeugt, dass ein aus dieser Umkehr zum lebendigen Gott 
geborenes Leben anderen zum Zeichen werden kann. Es kann auch dem 
Dialog der Religionen neue Kraft geben, dem Gespräch zwischen Juden 
und Christen wie zwischen Christen und Muslimen - und eines nicht zu 
fernen Tages hoffentlich auch wieder dem Dialog zwischen Juden und 
Muslimen, auch wenn das Verhältnis zwischen ihnen heute zum Zerreißen
gespannt ist.
	      Die Umkehr zu Gott hilft auch dabei, dass unser Eintreten für 
die Menschen wahrhaftig wird, nicht aus der Parteinahme für die eine 
oder die andere Seite, sondern aus der Parteinahme für die Menschen. 
Weil wir für ihr Leben eintreten, hoffen wir darauf, dass der 
Waffenstillstand hält und dass er dazu genutzt wird, das Misstrauen 
zu überwinden und dem Frieden Raum zu schaffen.
	Als Jesus, der jüdische Rabbi aus Nazareth, in Galiläa aufbrach, 
warb er mit einfachen Worten dafür, mehr auf Gott zu vertrauen. Er 
bestärkte die einfachen Leute darin, ihr Leben neu anzupacken, denn -
so sagte er - die Herrschaft Gottes ist nahe herbeigekommen. Er säte 
nicht Hass, sondern sprach in einem auch damals vom Krieg geprägten 
Land von der Feindesliebe. Tut Buße und glaubt an das Evangelium. Ja,
Feindesliebe braucht auch der Nahe Osten. Anders können Hass und 
Unversöhnlichkeit kein Ende finden.
	    Fangen wir damit bei uns selbst an! Die Umkehr zu Gott soll den 
Ton bestimmen, in dem wir für den Frieden werben und um ihn kämpfen, 
nicht nur heute und morgen, sondern so lange es not tut. Denn der 
Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, er allein 
bewahrt unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.
Evangelische Kirche in Deutschland
Hans-Christof Vetter
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
E-Mail:  christof.vetter@ekd.de

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