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BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Ein Hilferuf, der prompt erhört wurde

Berlin (ots)

So prompt ist selten ein Hilferuf erhört worden.
Und das aus bestem Grund. Geht es doch um Aufklärung über die jüngste
deutsche Geschichte. Viel wird darüber lamentiert, dass die 
SED-Diktatur im Bewusstsein von immer mehr Deutschen per Ostalgie 
ihre Schrecken verliert, dass im Schulunterricht das 
Ulbricht/Honecker-System allenfalls als Randthema behandelt wird. Und
wer sich einst dem SED-Regime widersetzte, war zwar mutig, verspielte
damit aber meist seine berufliche Zukunft, ohne dafür nach dem 
Untergang der DDR auch nur halbwegs angemessen entschädigt zu werden.
Demokratie fördernd ist das alles nicht. Gegen solches Verdrängen der
Wirklichkeit im real existierenden Sozialismus jenseits der Elbe und 
gegen das meist erbärmlich geringe Wissen der heutigen 
Schülergeneration schützen am wirkungsvollsten authentische Orte. Ein
solcher Anschauungsort, von denen es nicht mehr viele gibt, ist das 
ehemalige Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen. Ausgerechnet 
diese frühere Folterkammer der DDR drohte ihrem Informations- und 
Aufklärungsauftrag nicht länger in dem Maße gerecht zu werden, wie es
möglich, vor allem wünschenswert wäre. Weil es an Geld mangelte.
Der Hilferuf des Gedenkstättenleiters Hubertus Knabe war von der 
seltenen Art, dass er nicht nur sofort erhört wurde, sondern auch 
noch Hoffnung macht. Das akute Finanzproblem ist nämlich allein 
darauf zurückzuführen, dass für immer mehr Schulklassen das frühere 
Stasi-Gefängnis zum festen Besuchsprogramm ihrer Berlin-Reise gehört.
Dieser unerwartete Ansturm ist es, der den Etat der Gedenkstätte 
gesprengt hat. Insbesondere die Honorare für die vermehrten Führungen
können nicht mehr ausgeglichen werden. So fehlten rund 70000 
Euro in der Kasse.
Dass dieser Betrag vergleichsweise lachhaft bescheiden ist, schmälert
nicht das von Kulturstaatsminister Bernd Neumann selten schnell 
verkündete Handeln der politisch Verantwortlichen. Der Bund und 
Berlin als Träger der Stiftung Gedenkstätte Hohenschönhausen gleichen
das Minus aus und bekunden damit ohne langes Taktieren gemeinsam 
gesamtdeutsche Verantwortung. Und dankbar müssten sie obendrein noch 
sein. Dafür, dass der nicht unumstrittene Knabe die Gedenkstätte für 
immer mehr Besucher immer interessanter und attraktiver macht. Damit 
trägt sie dazu bei, Ostalgie als große Lebenslüge zu entlarven, wenn 
sie mit der Wirklichkeit von einst konfrontiert wird. Es reicht auch 
nach 20 Jahren nicht, das Unwissen der Jugend über die jüngste 
deutsche Geschichte zu beklagen. Man kann etwas dagegen tun. Zum 
Beispiel im Hohenschönhausener Stasi-Knast. Nachahmung empfohlen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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