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Berliner Morgenpost: Volksbegehren richten sich immer gegen die Regierung - Kommentar

Berlin (ots)

Es ist schon erstaunlich: Kaum tritt in Berlin eine
Initiative auf, um Stimmen für ein Bürgerbegehren zu sammeln, und 
findet dann für ihr Anliegen überaus große Resonanz, schon versuchen 
die politisch Verantwortlichen alles, um diese Initiative zu 
behindern. Zu erleben war dies beim Flughafen Tempelhof, als die 
Initiatoren mit Hilfe der Wirtschaftsverbände, der CDU, der FDP und 
anderer vernünftiger Menschen für den Erhalt kämpften und das 
Unterschriftensammeln mit kleinen Tricks erschwert wurde. Aktuell 
kann man dies nun wieder beim Volksbegehren für die Einführung eines 
Wahlpflichtfachs Religion / Ethik beobachten, das die erste wichtige 
Stufe überwunden hat und nun auf einen Volksentscheid zusteuert. SPD 
und Linkspartei - aber wieder einmal und allen voran der Regierende 
Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) - versuchen, einen Erfolg zu 
erschweren. Die neuste Idee: Die endgültige Abstimmung, also der 
Volksentscheid, soll nach Wowereits Willen nicht am Tag der 
Europawahl am 7. Juni stattfinden, sondern so schnell wie möglich. 
Wenn die Menschen am 7. Juni zur Abstimmung gehen, ist es nämlich gut
möglich, dass das erforderliche Quorum von rund 610000 
Stimmen erreicht wird. Dann müssten zwar immer noch die Mehrheit der 
abgegebenen Stimmen "Ja"-Stimmen sein, aber das wäre möglicherweise 
zu schaffen, wenn die erste Bedingung erfüllt wird. Welch 
durchschaubares Manöver.
Verwunderlich sind die Reaktionen der amtierenden Regierung auch 
deshalb, weil gerade SPD und Linkspartei - unterstützt von den Grünen
- mehr Bürgerbeteiligung wollten. "Mehr Demokratie" hieß vor wenigen 
Jahren das Zauberwort. Nicht nur in Berlin setzten sich 
Sozialdemokraten, Linke und Grüne dafür ein, dass die Bürger über 
Stadt- und Kommunalpolitik bestimmen sollen. Damit das Volk nicht von
vornherein von einer Initiative abgeschreckt wird, wurden in Berlin 
sogar die Quoren gesenkt. Die Position der CDU, die gegen eine solche
Verfassungsänderung war, wurde ignoriert.
Doch wie das so ist im politischen Alltag: In ihrer Begeisterung für 
mehr Bürgerbeteiligung hat Rot-Rot-Grün vergessen, dass sich solche 
Initiativen stets gegen die jeweiligen Regierungen richten. Ein 
Volksbegehren, mit dem das Anliegen der Regierung unterstützt wird, 
wäre ja auch Unsinn. Wer sich wundert, dass diejenigen, die mit der 
Regierungspolitik unzufrieden sind, Volksbegehren starten, der hat 
nicht mitgedacht.
Und das Volk will - so zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre - 
mitreden. Das wurde bei der Debatte über den Flughafen Tempelhof, 
beim Projekt Mediaspree im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und jetzt 
beim Religionsunterricht deutlich. Eine kluge Regierung sollte darauf
bedacht sein, dass Volks Wille sich auch entfalten kann. Das geht nur
an einem Termin, an dem möglichst viele Menschen ihre Stimme abgeben 
können. Und deshalb gehört die Festlegung eines solchen Termins zum 
Thema "Mehr Demokratie" dazu. Unabhängig davon, wer die Regierung 
stellt.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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