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Rheinische Post: Die Krise als Wahlhelfer? von Sven Gösmann

Düsseldorf (ots)

Willkommen im Super-Wahljahr! Die große
Koalition (teil-)verstaatlicht die Commerzbank, SPD-Chef Müntefering 
gibt grünes Licht für eine Opel-Bürgschaft, SPD-Finanzminister Peer 
Steinbrück will den Eingangssteuersatz senken, CDU-Ministerpräsident 
Rüttgers hält 100 Milliarden für seinen Deutschlandfonds bereit; der 
Bankenrettungsschirm (500 Milliarden) ist auch noch da, das 
Konjunkturpaket II wird gerade geschnürt, das nächste schon ersonnen.
Nach anfänglicher Schockstarre ob der größten Krise aller Zeiten 
verteilt die Politik Geld, um die Wähler bei Laune zu halten, dass 
denen nach Jahren der Maßhalten-Appelle schwindlig wird. Die 
Gewerkschaften kommen bei solch staatlichen 
"Die-Kasse-ist-voll-Signalen" gar nicht mehr runter von ihren 
Acht-Prozent-Lohnforderungen. Munter treibt das Schiff Deutschland 
dem Eisberg der Ernüchterung entgegen, die Kapelle der 
Konjunkturprognostiker spielt dazu. Der aktuelle Gassenhauer heißt 
"Noch mehr Banken verstaatlichen".
Natürlich: Gut und sinnvoll, dass sich endlich etwas tut. Aber die 
Vielfalt der Stimmen sorgt dafür, dass an sich sinnvolle 
Einzelmaßnahmen in der Wahrnehmung untergehen, noch ehe sie zu wirken
beginnen können. Das staatliche Handeln in Bund und Land ist längst 
mit dem bösen Wort Sammelsurium belegt. So löst es beim Bürger keine 
Beruhigung, sondern vielmehr Besorgnis aus. Er fragt sich: Jeden Tag 
zwei neue Vorschläge, täglich eine neue Maßnahme  steht es wirklich 
so schlimm? Prozyklisches Handeln kann aber nur Wirkung entfalten, 
wenn es von Führungsstärke und demonstrativer Zuversicht begleitet 
wird. Natürlich ist die Krise gefährlich, sie aber zu einer 
unbeherrschbaren Naturkatastrophe hochzureden, nimmt jedem 
Konjunkturpaket die Wirkung.
Unschön ist auch, dass in dieser Woche der Klausursitzungen das 
dahinter stehende Wahlkalkül der Parteien allzu offensichtlich wurde.
Alle zählen auf die Krise als Wahlhelfer. Diese Rechnung könnte noch 
am ehesten für die Parteien der großen Koalition aufgehen. Ihre 
Überlegung: In unsicheren Zeiten setzen die Menschen auf das Bewährte
und nicht auf linke Abenteuer.
Die Kanzlerin strebt wieder ein Bündnis mit der SPD an  es wäre für 
sie der bequemste Weg der Machtsicherung. Die Liberalen beschweren 
sich nicht erst seit den kraftlosen Koalitionsabsichts-Erklärungen 
der CDU-Führung dieser Tage über den immer dünner werdenden 
Gesprächsfaden ins Merkel-Lager. Dort träumt man lieber von der 
Wiederwahl und der Eröffnung schwarz-grüner Optionen in einigen 
Jahren. Schwarz-Grün haben die Kanzlerin und ihre Strategen als den 
gesellschaftlichen Mainstream von morgen ausgemacht. Das mag sogar 
stimmen, sorgt aber dafür, dass sich der tonangebende Teil der 
CDU-Spitze zur Zeit ziemlich weit vor der eigenen Truppe bewegt. 
Keine Beruhigung für das tatsächlich bürgerliche Lager im 
bürgerlichen Lager kann es sein, dass es in Hessen nach der 
Landtagswahl am 18. Januar wahrscheinlich zu einer CDU/FDP-Koalition 
kommen wird. Hessen, die Skandalnudel unter den Bundesländern, bleibt
ein Sonderfall und nicht die Blaupause für die Koalitionsarithmetiker
dieses Wahljahres.
Die Sozialdemokraten versuchen das zu nutzen, indem sie die FDP 
umgarnen. Sie schaffen Foren der Wiederannäherung. Jüngstes Beispiel:
die gemeinsame Erklärung zur Abrüstung der SPD-Altvorderen Schmidt 
und Bahr mit ihrem alten FDP-Widersacher Hans-Dietrich Genscher oder 
die Berliner Hinterzimmergespräche mit den Westerwelles und Niebels, 
die als Stimmungsaufheller für die Zeit nach der Bundestagswahl 
dienen sollen. Die SPD-Führung hat erkannt, dass ihre Partei am 27. 
September kaum stärkste Kraft werden und auf Hilfe angewiesen sein 
dürfte. Müntefering und Kanzlerkandidat Steinmeier setzen nun auf ein
rot-gelb-grünes Reformbündnis. Die FDP und ihr Chef Westerwelle 
wiederum wollen auf jeden Fall zurück an die Macht  notfalls mit der 
SPD und den Grünen.
Der Verlierer dieser Entwicklung könnte  neben der allzu 
selbstsicheren Union  ausgerechnet die Linkspartei werden, die lange 
als Profiteur der Krise galt. Ihr Ruf nach staatlichen Interventionen
ist jetzt Allgemeingut bis hin zum Wirtschaftsflügel der Union; damit
ist sie ihres Alleinstellungsmerkmals aus neoliberaleren Zeiten 
beraubt. Immerhin: Ein Gutes würde die Finanzkrise so politisch 
bewirken. Alles andere Beschriebene macht weniger Hoffnung.

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