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Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 13. Oktober 2010 die Wahl Deutschlands in den Weltsicherheitsrat:

Bremen (ots)

Die Welt-Reform rückt näher

von Joerg Helge Wagner Die befürchtete Zitterpartie fand also nicht statt: Deutschland wurde gestern gleich im ersten Wahlgang als nicht-ständiges Mitglied in den Weltsicherheitsrat gewählt. Das ist aus drei Gründen bemerkenswert. Dieses Gremium allein kann Beschlüsse fassen, die für alle 192 UN-Mitglieder bindend sind - als letztes Mittel kann es auch die Anwendung von militärischer Gewalt beschließen. Mit Deutschland ziehen zwei gewichtige Mitstreiter für die überfällige UN-Reform in dieses Gremium ein: Indien und Südafrika - und der dritte, Brasilien, bleibt noch ein Jahr. Und Deutschland war erst 2003/2004 nicht-ständiges Mitglied, die jetzige erneute Wahl war also keineswegs ein Selbstläufer. Hätte die UN-Vollversammlung Deutschland gestern abblitzen lassen und die erforderliche Zweidrittel-Zustimmung verweigert, wäre dennoch nicht der deutsche Außenminister Westerwelle der Blamierte gewesen. Auch nicht Kanzlerin Merkel, die schon 2007 energisch einen ständigen (!) Sitz im Weltsicherheitsrat gefordert hatte. Die Blamage hätte die Weltgemeinschaft sich selbst bereitet: Eine derartige Brüskierung des drittgrößten Beitragszahlers und weltweit drittgrößten Geberlandes für Entwicklungshilfe hätte man außerhalb des Glasklotzes am East River nur als kleinkarierte politische Blödheit werten können. Es wäre Wasser auf die Mühlen all jener Kritiker gewesen, die die UN immer schon als wenig effektiv, selbstbezogen, bürokratisch, zu teuer und reform-unfähig gegeißelt haben - nicht nur in Deutschland. So weit ist es nun zum Glück nicht gekommen. Im Gegenteil: Die Chancen stehen selten gut, den Reformprozess wenigstens anzuschieben - wenngleich es vollkommen illusorisch ist, dass er in den zwei Jahren der deutschen Ratsmitgliedschaft vollendet wird. Doch neben den drei genannten aufstrebenden Schwellenländern könnte eine geschickte deutsche Außenpolitik auch die USA einbinden. Diese mächtigste Veto-Macht bremste bislang jeden Reformversuch stumpf aus: Vor allem in den Bush-Jahren galt jede erweiterte Mitbeteiligung als Verlust eigener Macht - in einem Gremium allerdings, auf dessen Votum man in Zweifelsfall selbst pfiff. Dem letzten Irak-Krieg gegen Diktator Saddam Hussein fehlte 2003 bekanntlich der Segen des Sicherheitsrates. Heute aber hat die Obama-Administration erkannt, dass ihr Machtverlust auch so eingetreten ist: In der Frage nach Sanktionen gegen den Iran etwa ist man auf zunehmend selbstbewusste Staaten wie Indien, Brasilien oder Südafrika angewiesen. Da wäre es doch eine ausgesprochen nachhaltige Außenpolitik, sie gleich in einen erweiterten ständigen Rat einzubinden - zusammen mit ohnehin verlässlichen Verbündeten wie Deutschland, Japan, Kanada und Australien. Dieses innerste Zwölfer-Gremium könnte es sich sogar leisten, auf ein Veto-Recht seiner Einzelmitglieder zu verzichten - wenn es dafür ein gemeinsames Veto mit Zweidrittel- oder Dreiviertelmehrheit beschließen könnte. Dann wäre auch die Gruppe der rotierenden nicht-ständigen Mitglieder von zehn auf 24 problemlos zu erweitern, um den heutigen Proporz zu wahren. So könnte sie aussehen: eine reformierte Völkergemeinschaft, die nicht mehr bloß der "Schnappschuss eines historischen Moments am Ende des Zweiten Weltkrieges" (Merkel) ist. Sie würde die realen Gewichtsverhältnisse spiegeln, die sich nicht nach Atomsprengköpfen, sondern nach Wirtschaftskraft und Beitragsleistung bemessen. Daran aktiv mitzuwirken, wäre für einen deutschen Außenminister aller Ehren wert. Er sollte sofort anfangen. joerg-helge.wagner@weser-kurier.de

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