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Amnesty International

Politischer Skandal auf der Weltausstellung deutet sich an: EXPO2000 will Engagement für Menschenrechte einschränken
amnesty international droht an, sich vom Ausstellungsbereich "Menschenrechte" im Themenpark zurückzuziehen

Berlin / Hannover (ots)

   EXPO2000 gibt offenbar Druck der Türkei nach / "Schlag ins Gesicht
der Opfer / amnesty kämpft um Ausstellung in derzeitiger Form /
Unterstützung von Prominenten / Großdemonstration am 19. August
amnesty international hat angedroht, sich von der Präsentation des
Themas Menschenrechte im Themenpark (Halle 7) der Weltausstellung in
Hannover zurückzuziehen. Als wissenschaftlicher Kooperationspartner
hat die Menschenrechtsorganisation diesen Bereich gemeinsam mit den
Organisatoren des Themenparks langfristig vorbereitet. Anhand von
Einzelschicksalen wird dort zur Zeit die desolate Situation in
sudanesischen Gefängnissen und Folter von Kindern und Jugendlichen in
der Türkei dargestellt. Außerdem geht es um den Einsatz von
Repressionstechnologien wie Elektroschockgeräten in den USA. Und:
Besucher können sich direkt in Form von Protestfaxen für Menschen in
verschiedenen Ländern, die akut von Menschenrechtsverletzungen
bedroht sind, einsetzen. Der stellvertretende Generalkommissar der
EXPO2000, Norbert Bargmann, hat offenbar angewiesen, den
Ausstellungsteil, der die Türkei betrifft, bis zum morgigen Freitag
entfernen zu lassen. "Wenn dies geschieht, gibt die EXPO2000 dem
Druck der Türkei offenbar nach. Trotz mehrfacher vorheriger
Nachfragen unsererseits wurden wir erst vor zwei Tagen mündlich
informiert, dass zwei Beschwerdebriefe von türkischen
Regierungsstellen vorliegen. Wir können und werden eine von
staatlicher Seite geforderte Veränderung der Ausstellung nicht
akzeptieren. Hier steht unsere Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Als
unabhängige Menschenrechtsorganisation sind wir den Menschenrechten
verpflichtet und sonst niemandem" erklärt Uwe Kirchner,
Vorstandsbeauftragter von amnesty international für die EXPO2000.
"Außerdem finden wir diesen Umgang der EXPO, vor allem ihre
Informationspolitik, mit einem ihrer Partner gelinde gesagt
befremdlich."
Durch ein Video sowie Textbeiträge wird das Schicksal von mehreren
türkischen Kindern und Jugendlichen dargestellt: Sie waren im
Dezember 1995 verhaftet und beschuldigt worden, gegen das
Anti-Terror-Gesetz verstoßen zu haben. Im Polizeipräsidium von
Manissa wurden sie zehn Tage lang geschlagen und mit Stromstößen
gefoltert. 1997 wurden zehn der Jugendlichen zu Freiheitsstrafen
verurteilt. Das Gericht hat die Foltervorwürfe genauso wenig
berücksichtigt wie die Erklärung der Jugendlichen, ihre Geständnisse
seien unter dem Druck der Folter zu Stande gekommen. Inzwischen läuft
ein Wiederaufnahmeverfahren. Die Polizisten wurden in zwei Prozessen
zunächst freigesprochen, auch hier läuft ein Wiederaufnahmeverfahren.
"Solche Menschenrechtsverletzungen sind in der Türkei an der
Tagesordnung. Niemand, der auf einer türkischen Polizeistation fest
gehalten wird, ist vor Folter und Misshandlungen sicher, nicht einmal
Kinder. Die türkischen Behörden gehen Foltervorwürfen nur selten
nach. Wenn sich Folterer dennoch einmal vor Gericht verantworten
müssen, gehen sie in der Regel straffrei aus. Angesichts dieser
Situation wäre es ein Schlag ins Gesicht der Opfer, wenn sich die
Türkei auf der EXPO mit massiver Schützenhilfe der Veranstalter -
Gastgeber ist immerhin die Bundesrepublik Deutschland -
ausschließlich als schönes Reiseziel präsentieren könnte", betont Uwe
Kirchner.
Alle Details der Ausstellung im Themenpark waren der EXPO2000 seit
langem bekannt, Proteste von Regierungen wurden erwartet und bewusst
in Kauf genommen. Noch Anfang Juli hat der Leiter des Themenparks,
Dr. Martin Roth, sich demonstrativ hinter die Ausstellung gestellt
und zu Gunsten eines verschwundenen Gewerkschafters ein Fax an die
kolumbianische Regierung gesandt. "Wenn die Veranstalter dem Druck
der türkischen Regierung nachgeben, ist nur eine Schlussfolgerung
möglich: es ging nie um Inhalte, sondern immer nur um den schönen
Schein und einen Rekord der teilnehmenden Nationen." so Uwe Kirchner.
Im Themenpark hat die Menschenrechtsorganisation bislang zu
Aktionen zu Gunsten von acht akut bedrohten Menschen aufgerufen.
Bereits in zwei Fällen haben die Protestschreiben aus Hannover zu
einem Erfolg beigetragen: Daw Khin Nu und Daw Chaw, zwei etwa
70-jährige Frauen, die ohne medizinische Versorgung in einem
Gefängnis in Yangon (Rangun), der Hauptstadt von Birma, fest gehalten
worden waren, wurden nach acht Tagen aus der Haft entlassen. Die
beiden Frauen waren verhaftet worden, weil sie Büroflächen an die
"Nationale Liga für Menschenrechte", die größte Oppositionspartei des
Landes unter Führung der Friedensnobelpreisträgerin Daw Aung San Suu
Kyi, vermietet hatten. Auch der Menschenrechtler Floribert Chebeya
Bahizire und andere Mitarbeiter der Organisation "La Voix des Sans
Voix" in der Demokratischen Rebublik Kongo sind nicht mehr akut
gefährdet. Die Menschenrechtler waren vor sechs Wochen untergetaucht,
nachdem die kongolesischen Sicherheitskräfte eine breit angelegte
Fahndung nach ihnen gestartet hatten. Die Organisation hatte im Mai
2000 einen kritischen Bericht über die Menschenrechtslage im Land
veröffentlicht, der in der kongolesischen Presse ein breites Echo
fand. Inzwischen haben die Menschenrechtler ihr Büro in der
Hauptstadt Kinshasa wieder geöffnet.
Rund 8000 Besucher der EXPO haben sich bislang an der Aktion im
Themenpark beteiligt. Prominente aus Politik und Gesellschaft haben
öffentlich betont, der Beitrag von amnesty international sei ein
unverzichtbarer Bestandteil der Weltausstellung. amnesty
international würde es sehr bedauern, wenn eine bislang im Sinne der
Menschenrechte erfolgreiche Zusammenarbeit nun durch die einseitige
Handlungsweise der EXPO2000 beendet würde: "Wir kämpfen immer noch um
die Aktion und haben mehrfach versucht, mit der EXPO2000 ins Gespräch
zu kommen, wurden jedoch sehr rüde abgewiesen. Außerdem haben wir uns
bemüht, mit Hilfe prominenter Fürsprecher die EXPO zum Einlenken zu
bewegen. Leider war das alles bislang erfolglos." betont Uwe
Kirchner. Unter anderem hatte sich die Vorsitzende des
Bundestagsausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe,
Claudia Roth, mit einem dringlichen Appell an Birgit Breuel gewandt.
Für den 19. August, dem Nationentag der Türkei, hat die
Menschenrechtsorganisation eine Großveranstaltung angekündigt. "Wir
ernten in unserer täglichen Arbeit Proteste von Regierungen. Das
gehört dazu. Wir lassen uns nicht erpressen", meint Uwe Kirchner.
Wenn Sie Rückfragen oder Interviewwünsche haben - wenden Sie sich
bitte an:
amnesty international        + 49 - (0)228 - 98373-36 / - 0
- Pressestelle -             + 49 - (0)228 - 630036
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Eva Gutmann

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