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Ökonom Bofinger kritisiert Finanzpolitik der Union als "naiv": Den Wandel kann man nicht aus der Portokasse bezahlen
Rechnung der Union geht hinten und vorne nicht auf

Berlin (ots)

Der Ökonom Peter Bofinger kritisiert scharf die Steuer- und Finanzpläne von CDU und CSU: "Die Rechnung der Union, ohne neue Schulden und ohne neue Steuern auskommen zu können, geht hinten und vorne nicht auf", sagte Bofinger der "Heilbronner Stimme". Die Umsetzung der Wahlversprechen koste Milliarden, zudem sei die Pandemie längst nicht bewältigt, auch müsse die Herausforderung des Klimaschutzes angegangen werden. Bofinger: "Man kann der Union eigentlich nur wünschen, dass sie nicht gewählt wird. Sie legt sich mit ihrer Rhetorik jetzt eine Zwangsjacke an, die ihr das Leben in der Regierung enorm erschweren würde. Entfesselung? Das ist das Gegenteil davon." Der ehemalige Wirtschaftsweise der Bundesregierung ergänzte: "Wo will man denn Staatsausgaben kürzen, um Spielraum für Investitionen zu bekommen? Bei der Pflege, der Gesundheit, der Rente? Wer vollmundig in TV-Debatten Modernisierung verspricht, muss auch bereit sein, zu investieren, und sagen, woher das Geld kommen soll. Man kann nicht davon ausgehen, dass unsere wirklich sehr leistungsfähige Wirtschaft die große Transformation aus eigener Kraft bewältigen wird." Er betonte: "Der Gedanke, man könnte Wandel und Zukunft aus der Portokasse bezahlen, ist einfach naiv."

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet und sein Finanzexperte Friedrich Merz hatten zuvor im Endspurt zur Bundestagswahl gewarnt: "Gerade nach der Pandemie sind Steuererhöhungen Gift für die wirtschaftliche Erholung", heißt es in dem 8-Punkte-Wirtschaftspapier, das die beiden am Mittwoch in Stuttgart beim Arbeitgeberverband Südwestmetall vorstellten. Der CDU-Chef erläuterte, das vorgestellte Wirtschaftspapier sei eine Zusammenfassung des CDU-Wahlprogramms.

Bofinger mahnt, die Menschen und Unternehmen beim Wandel in eine klimaneutrale Zukunft zu unterstützen: "Wenn der Staat die privaten Haushalte motivieren möchten, den Übergang auf emissionsarme Technologien engagiert mitzugehen, muss er ihnen finanziell zur Seite stehen. Und auch die Wirtschaft dürfen wir beim Wandel nicht allein lassen. Auf der einen Seite müssen wir Klimaschutztechnologien vorantreiben, auf der anderen Seite Jobs sichern. Das alles bekommt man nicht zum Nulltarif." Die historische Herausforderung des Klimawandels, der mit einem enormen Digitalisierungsschub einher gehe und so "eine nie dagewesene Transformation unserer Wirtschaft bedingt, wird bei einem Festhalten an der Schuldenbremse nicht zu stemmen sein. Aber wenn wir es wie Präsident Biden machen und den Investitionen Vorrang vor überkommenen Schuldenregeln geben, ist das eine große Chance für unsere Wirtschaft".

Eine wichtige Rolle bei der Transformation spielten Steuern auf CO2-Emissionen, erläuterte der Wirtschaftsexperte: "Aber um Normalbürger auf diesem Weg mitzunehmen, brauchen wir entsprechende Prämien, damit sich die Menschen den Umstieg auf die Elektromobilität leisten können. Gleichzeitig sind massive Investitionen in den Regionalverkehr und in die energetische Sanierung von öffentlichen und privaten Gebäuden nötig."

Bofinger betonte zudem: "Wir müssen derzeit keine Inflationsängste haben. Die Corona-Krise hat eine massive Nachfrage-Reduktion bewirkt. Der Staat hat mit Milliarden geholfen und die Wirtschaft mit am Laufen gehalten. Damit wurde eine riesige Deflation verhindert. Ohne diese Milliardenpakete hätte es einen katastrophalen Einbruch gegeben, ähnlich wie Anfang der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Gottseidank wurden diese Schulden aufgenommen, denn nur deshalb sind wir bisher so gut durch die Krise gekommen." Eine Regierung, die keine Schulden gemacht hätte in einer solchen Situation, hätte das "Land zugrunde gerichtet". Kritisieren könnte man allenfalls die Mehrwertsteuersenkung, so Bofinger, "die teuer und wenig zielgerichtet war. Zudem führt sie dazu, dass jetzt für ein halbes Jahr die Inflationsraten überhöht ausgewiesen werden, was die Menschen verunsichert".

Peter Bofinger (66) ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg. Von März 2004 bis Ende Februar 2019 war er Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Das komplette Interview: https://www.stimme.de/bundestagswahl2021/uebersicht/oekonom-bofinger-den-wandel-kann-man-nicht-aus-der-portokasse-bezahlen;art143937,4532719

Pressekontakt:

Heilbronner Stimme
Hans-Jürgen Deglow
Chefkorrespondent / Berlin
hans-juergen.deglow@stimme.de

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