Pressemitteilung WORLD VISION: Zum UN-Friedenstag am 21.09.2004
Vergewaltigungen im Ost-Kongo nehmen zu
Friedrichsdorf/Taunus (ots)
Ein dauerhafter Frieden bleibt trotz UN-Truppenpräsenz in weiter Ferne. WORLD VISION startet Pilotprojekt für Vergewaltigungsopfer Die meisten Opfer schweigen, die Täter laufen weiter frei herum
Der Ost-Kongo kommt nicht zur Ruhe. Milizionäre verunsichern weiterhin große Landstriche. Die Zivilbevölkerung ist das Ziel systematischer Vertreibung, Gewalt und Mord. Mehr und mehr richtet sich die Gewalt gegen unschuldige Frauen. Über 10.000 Frauen sind allein im zurückliegenden Jahr Opfer einer systematischen Vergewaltigungswelle von Seiten verschiedener ostkongolesischer Milizgruppen geworden. Obwohl der International Criminal Court eine Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen angekündigt hat, bleiben die Täter auf freiem Fuß und werden so gut wie nie bestraft, indes die Opfer anschließend kaum eine Chance auf ein normales Leben haben. Aus Furcht, von ihren Ehemännern verlassen zu werden, sprechen die meisten Frauen nicht über die Verbrechen, die ihnen angetan wurden, und schweigen statt dessen.
"Vergewaltigung hat es in dieser Region schon immer gegeben. Aber noch nie in diesem Ausmaß", sagt Jürgen Feldmann, WORLD VISION-Programmleiter für den Ostkongo. Vergewaltigung gebe es schon seit Beginn des vor nunmehr seit fünf Jahren wütenden Krieges. Seither seien die Zahlen stetig gestiegen. Feldmann: "Es geht den Milizen darum, die Gesellschaftsstrukturen zu zerstören, um die Region instabil zu halten."
"40 Männer haben mich vergewaltigt. Zuerst auf dem Boden. Dann haben sie mich an einen Baum gefesselt und wieder von vorne angefangen. Es hat den ganzen Tag gedauert. Immer wenn ich ohnmächtig wurde, haben sie mir ins Gesicht getreten. Anschließend haben sie mich gewarnt, nichts zu verraten. Ansonsten würden sie meine Kinder und meinen Mann töten", sagt eine 24jährige Mutter von vier Kindern, deren Namen und Herkunftsort WORLD VISION bekannt ist. "Die Männer sprachen Kinyarwanda. Es waren Interhamwe-Kämpfer", weiß sie zu berichten. Die Interhamwe sind Hutu-Extremisten aus Ruanda, die u.a. für den dortigen Genozid von 1994 verantwortlich zeichnen. Aus Furcht vor Strafe trauen sie sich nicht in ihr Land zurück und streifen nun durch die Regenwälder des benachbarten Ostkongo.
Bei der Vergewaltigung verlor die junge Mutter ein ungeborenes Kind, das durch einen Kaiserschnitt entfernt werden musste. Ihre Genitalien wurden zerstört, ihr Rektum ebenfalls, nachdem einer der Täter ein Bajonet hineinstach. Durch schlecht verheilte Narben sickert Urin und Stuhl. Jetzt wartet sie auf eine Operation in einem von WORLD VISION unterstützten Krankenhaus in Goma, das sich auf vergewaltigte Frauen spezialisiert hat. "Es ist die Hölle. Wir bekommen täglich neue Patientinnen", sagt Assistenzärztin Joanna Lloyd. "Unsere Ärzte sind völlig erschöpft. Die Operationen sind sehr zeitaufwendig und kompliziert. Was hier passiert, ist eine Tragödie. Es ist zum Verzweifeln."
Neben den körperlichen und seelischen Schäden kommt auf die vergewaltigte Mutter jetzt noch der Absturz in die Armut zu. Ihr Mann hat sie verlassen und sich eine neue Frau gesucht. Ihre Familie hat sie ebenfalls verstoßen. "Eine vergewaltigte Frau hat ihren Wert in der Gesellschaft verloren. Wer keine medizinischen Gründe hat, schweigt lieber über das Geschehene als alles zu verlieren", sagt Jürgen Feldmann. Ein WORLD VISION-Pilotprojekt soll Frauen beibringen, mit dem Geschehenen umzugehen und möglichst wieder ein normales Leben zu führen. Das von USAID mit 100.000 US-$ geförderte Projekt läuft über drei Monate und soll, wenn erfolgreich, auf drei Jahre ausgedehnt werden.
Vergewaltigung wird im Ostkongo nicht geahndet. Frauen leben in einem rechtsfreien Raum. Selbst wenn ein Opfer den Mut aufbringt und die Täter anzeigt, werden diese für rund 10 US-$ wieder auf freien Fuß gesetzt, meint Jürgen Feldmann. Jahrzehntelange Kriege und Korruption haben es im Ostkongo nie zugelassen, dass Rechtsstrukturen aufgebaut wurden. Auch scheinen die verantwortlichen Behörden kein großes Interesse daran zu haben. Der Kongo ist ein Land reich an Bodenschätzen wie Gold, Diamanten, Kupfer usw. und wer von den Kriegstreibern den Zugang zu den Minen nicht auf friedlichem Wege bekommt, holt sich mit Gewalt, was er haben will.
WORLD VISION Deutschland fordert von der internationalen Politik einen besseren Zugang zu den intern Vertriebenen und einen wirksameren Schutz für sie (letzten Monat waren 160 Flüchtlinge getötet worden), eine ausführliche Untersuchung des Ausmaßes der sexuellen Gewalt im Ost-Kongo, eine systematische Entwaffnung der Milizen und eine bessere Kontrolle des Waffenflusses in die Region sowie eine behutsame Rückführung der Vertriebenen in ihre Heimat.
HINTERGRUND
WORLD VISION Deutschland e.V. ist ein überkonfessionelles christliches Hilfswerk mit den Arbeitsschwerpunkten langfristige Entwicklungshilfe und humanitäre Nothilfe. Rund 170 Projekte werden momentan in 45 Ländern durchgeführt. WORLD VISION Deutschland ist Teil der weltweiten WORLD VISION-Partnerschaft mit rund 20.000 Mitarbeitern in fast 100 Ländern. WORLD VISION unterhält offizielle Arbeitsbeziehungen zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und arbeitet eng mit dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) zusammen. Weitere Infos unter http://www.worldvision.de
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