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Deutsche Marine - Bilder der Woche: Deutscher Austauschoffizier im Ewigen Eis

Deutsche Marine - Bilder der Woche: Deutscher Austauschoffizier im Ewigen Eis
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Glücksburg (ots)

Trotz Sommerzeit auf der südlichen Halbkugel stampfte der 
Eisbrecher "Antarctic Patrol Almirante Oscar Viel" der chilenischen 
Marine von Punta Arenas kommend durch die Drake-Straßen-Dünung in 
Richtung Antarktis. Das Deck war wie leergefegt. Mit an Bord: 
Oberleutnant zur See Steffen-Hinrich Boie. Anfang 2008 nahm er als 
Austauschoffizier auf Einladung der chilenischen Marine an einer 
sechswöchigen Fahrt des Eisbrechers in die Antarktis teil.
"Dieser Austausch hat meinen Horizont erweitert. Ich konnte erleben, 
wie die Kameraden anderer Nationen Probleme unterschiedlich anpacken 
und trotzdem zum Ziel kommen", zieht der heute 29-jährige 
Kapitänleutnant beeindruckt ein Fazit und berichtet von seiner 
außergewöhnlichen Seefahrt.
Mit dem Eisbrecher in die Antarktis
Die Aufgabe des chilenischen Marine-Schiffes war es, 
Versorgungsgüter und  internationale Wissenschaftler zu verschiedenen
Forschungsstationen zu bringen oder sie mit zurück zu nehmen und 
ebenfalls den dort angefallenen Müll aus der Antarktis 
abzutransportieren. An Bord trafen etwa 100 Menschen der 
unterschiedlichsten Nationen, wie Chilenen, Belgier, Ukrainer, 
Argentinier oder Peruaner aufeinander. Nicht nur die 
unterschiedlichsten Sprachen und Sprachvermögen prägten den Alltag, 
sondern auch die verschiedensten Interessen. So wurden viele 
anregende Gespräche geführt und Adressen ausgetauscht. "Mit einigen 
der Kameraden habe ich bis heute per E-Mail Kontakt." Über 
Deutschland wurde der Austauschoffizier auch immer wieder ausgefragt.
"Chico Soto" (ein chilenischer Allerweltsname) war sein Spitzname an 
Bord.
Schiff inmitten von Naturgewalten
In den eisigen Gewässern bedeutete eine Gewitterfront peitschenden
Schneeregen gegen die Steuerbord-Seitenwand, so dass es nicht lange 
dauerte, bis die Brückenfenster teilweise zugeeist waren. Der Wind 
schraubte sich in Spitzen auf sagenhafte 70 Knoten. Vom 
Schnellbootfahren war Boie es gewohnt, bei starkem Seegang 
durchgeschüttelt zu werden. "Es war trotzdem schwer, bei diesem Kurs 
nachts ein Auge zuzumachen, auch wenn ich nicht seekrank wurde." Zu 
regelmäßigem Schlaf kam der damalige Oberleutnant in den Wochen an 
Bord des Eisbrechers ähnlich wenig, wie auf seinem Schnellboot: "Ich 
war zur Wache rund um die Uhr eingeteilt, jeweils zwei Mal vier 
Stunden innerhalb eines Tages und einer Nacht." Und so lebte er am 
besten nach dem alten Marineprinzip: "Esse und schlafe, wenn die Zeit
es dir erlaubt." Dafür entschädigten ihn unvergessliche 
Naturerlebnisse in der Eislandschaft.
Bei der so genannten "Schweine-Wache" von 00 bis 04 Uhr hatte der 
Offizier über 14.000 Kilometer von zu Hause entfernt seine erste 
Begegnung mit der Antarktischen Felsenlandschaft. Isla Smith und ihr 
Charakteristikum, der 2.012 Meter hohe Mount Foster, waren komplett 
mit Schnee und Eis bedeckt. Die chilenischen Kameraden wiesen ihn auf
den ersten Eisberg hin. Ein überwältigender Anblick, da es in der 
Antarktis nachts nicht wirklich dunkel wird. Die Eisberge waren hier 
wieder ganz anders strukturiert und so groß wie Flugzeugträger. Eine 
weitere Gelegenheit zum Fotografieren dieser ergreifenden Landschaft 
inmitten des anderen Endes der Welt hatte Boie durch einen Flug mit 
einem der beiden an Bord vorhandenen Helikopter. Pilot Romano nahm 
ihn mit auf seiner Tour über Estrecho de Gerlache in Richtung Isla 
Livingston. Einen Tag später entdeckte er durch das Fernglas eine 
Luft-Wasser-Blase. Bei näherer Betrachtung handelte es sich 
tatsächlich um zwei Wale. Diese scheuen Riesen befanden sich querab 
vom Schiff.
Betreten der Antarktis
Fünf Tage nach dem Auslaufen von Chile setzte er hier auch seinen 
ersten Schritt auf den Boden der Antarktis im orangefarbenen 
Ganzkörperanzug, der als Kälteschutz für Landgänge vorgeschrieben 
war. Pinguine und Wale konnte er hautnah beobachten und diese 
Augenblicke in der Eiswüste genießen. Heiße Wasserbäder  "agua mui 
caliente" im Freien waren möglich. Bei einem Grad Außentemperatur 
lagen die Seefahrer in kurzen Hosen in gebuddelten Löchern im Nassen.
Aufgrund des heißen Untergrundes erhitzte sich das darin befindliche 
Grundwasser derart, dass der gesamte Abschnitt wild vor sich 
hindampfte. Wie Robben buddelten sie sich in das nach Sulfat 
riechende und bräunlich aussehende  Wasser ein. Um dem niedrigen 
Wasserstand zu trotzen, war regelmäßiges Wenden vonnöten. Dann konnte
sich ein angenehmes Gefühl, begleitet durch einen Panoramablick auf 
schneebedeckte Berge, einstellen. "Mui, mui bien." Nicht nur das 
Meerwasser war mit einem Grad eiskalt, sondern auch die Luft. Als das
Typhon ertönte, das die bevorstehende Abfahrt des Eisbrechers 
signalisierte, mussten die Badegäste mit nassen Badehosen wieder in 
ihre Klamotten springen.
Andere kulturelle Rituale
Bald darauf machte die Nachricht die Runde, dass ein 
Besatzungsmitglied, und zwar der beliebte 38-jährige Frisör, 
ernsthaft gestürzt sei und ohne Bewusstsein bei der Bord-Ärztin läge.
Er wurde mit dem Helikopter nach Fildes ausgeflogen, um von dort per 
Flugzeug nach Punta Arenas gebracht zu werden. Leider erlag er seinen
Verletzungen. Auf der Brücke wurde für den verstorbenen Kameraden 
eine Messe vom an Bord befindlichen Priester gelesen, an der 
Passagiere und Wissenschaftler gleichermaßen teilnahmen. Der deutsche
Austauschoffizier empfand es als anrührend, dass sich die 
unterschiedlichsten Menschen ad hoc zusammen fanden, um in Gebeten 
und Gesängen des Toten zu gedenken und in einer emotionalen vom 
Glauben geprägten Gemeinschaft Halt zu erlangen. Zudem war es für 
Boie hochinteressant, wie ein solches Ritual mit abschließendem 
Abendmahl in einem anderen Land praktiziert wird.
Kulinarische Höhepunkte
Am 29. Januar hatte der belgische Zimmerkollege Freddy Geburtstag.
Die Küche lieferte einen mit Schokoraspeln bestreuten 
Geburtstagskuchen "brazo de reina" (Arm der Königin) und es wurde mit
"Mango sour" angestoßen. Leckere Snacks wie Sandwiches mit Thunfisch,
Zwiebeln und Mayonnaise, Panadas und Ei-Häppchen bekam die Besatzung 
öfter, auch während der Nachtwachen. Der Essensplan hatte einen 
bestimmten Rhythmus und wiederholte sich ständig. Fladenbrot mit 
Marillenmarmelade am Morgen in der Offiziermesse oder Nudeln mit 
Sauce Bolognese gehörten dabei zu Boies Favoriten, im Gegensatz zur 
Fischsuppe.
Rückkehr nach Deutschland
Bei Schneefall und Nebel ging es schließlich auf den ruppigen 
Rücktransit an die Südspitze Chiles. "In Punta Arenas angekommen 
konnte ich in der Navy-school übernachten und ein chilenisches 
Schnellboot besichtigen." In der chilenischen Hauptstadt Santiago de 
Chile betrat er das Flugzeug zum 19-stündigen Flug nach Hamburg. 
Damit endete für den Austauschoffizier eine interessante und 
außergewöhnliche Zeit, die er wohl nie vergessen wird.
Das Austauschprogramm
"Ich wollte Schnellbootfahrer werden seit ich ein kleiner Junge 
war. Damals sah ich meinen großen Bruder mit dem Mikro in der Nock, 
wie er Fahrbefehle gab. Seitdem wollte ich auch zur Marine", erzählt 
der gebürtige Kaiserslauterer.
Als IIWO auf dem Schnellboot "Zobel" war Boie im Jahr 2007 zwei Mal 
im Libanon-Einsatz gewesen. Dort wurde der damalige Oberleutnant zur 
See von seinem Kommandeur für das Personal Exchange Program (PEP) 
vorgeschlagen. Dieses Austauschprogramm ermöglicht es jungen 
Offizieren, Einblicke in die Marinen anderer Nationen zu erhalten. 
Heute ist der an der Bundeswehrhochschule in Hamburg ausgebildete 
Diplom-Kaufmann promovierender Kapitänleutnant und IWO auf dem 
Schnellboot "Puma", stationiert in Rostock.
"Wir wollen die Beziehungen mit Marinen anderer Nationen durch den 
gegenseitigen Austausch pflegen und voneinander lernen. Die Deutsche 
Marine hat einige ihrer alten Schnellboote der Klasse 148 an Chile 
verkauft und so bestehen schon gute Kontakte", erklärt Boie.
Mit der Marine hat er die Welt bereist. Seine Entscheidung, 
Marineoffizier zu werden, hat er nie bereut. "Trotz aller 
Entbehrungen an Bord wie Platz- oder Schlafmangel ist es immer ein 
Gefühl der Zufriedenheit, wieder in den Hafen einzulaufen."
Autor/ Fotos: Steffen-Hinrich Boie, Deutsche Marine
Weitere Informationen rund um die Marineeinsätze und das oben 
genannte Thema finden Sie in unserem Internetportal www.marine.de.

Pressekontakt:

Presse- und Informationszentrum Marine
Oberleutnant zur See Katja Messinger
Presseoffizier
Telefon: 0 46 31 - 6 66 - 44 41 / 44 00
E-Mail: piz@marine.de
Fotoredaktion Marine: 0 46 31 - 6 66 - 44 32

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