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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Mythos Varus

Bielefeld (ots)

Falls Sie über eine Schlacht von vor 2000 Jahren
reden möchten, tun Sie einfach kund, wo sich der Verlierer in sein 
Schwert stürzte. Beim Hermannsdenkmal? Im Arnsberger Wald? Am Dümmer 
See? Auf dem Marsch? Im Sommerlager? Sie dürfen auch Merseburg an der
Saale nennen, denn sogar dort soll Varus gefallen sein: Als ungefähr 
die 700. Theorie zum Untergang der drei römischen Legionen im Jahr 9 
n.Chr. veröffentlicht wurde, hörten die Historiker auf zu zählen.
Während sich nun aber die Wissenschaft über erstaunliche Funde beugt,
die belegen, dass die Römer nach der Niederlage Germanien keineswegs 
überstürzt verlassen haben, stürzt das Volk an den Fernseher und 
schaltet das ZDF ein, wo man verkündet, der Germanen-Mythos habe 
»nach Jahrhunderten patriotischer Erhitzung eine Ausnüchterungskur« 
hinter sich.
Das ist so unwahr wie Merseburg an der Saale. Er heizt sich gerade 
wieder auf, der Mythos.
Gewiss: Nach 1945 war's vorbei mit Tümelei und Kriegsgeschrei. Viele 
unschuldige Jahre lang trat der Deutsche nicht mehr als stählerner 
Recke in Erscheinung, sondern als guter Europäer. Dann jedoch fand 
ein englischer Offizier in Kalkriese erste Anzeichen für eine 
Schlacht, und es wurde - ziemlich zeitgleich - Deutschland souverän. 
Und als über den Gebeinen von Kalkriese ein Museum errichtet wurde 
und - wiederum fast zeitgleich - über Serbien erneut deutsche Bomber 
dröhnten, da fuhr die Geschichte endlich im alten Gleis: Wir sind 
Arminius!
Auch das aber ist so unwahr wie Merseburg. Der Cherusker hatte vom 
Deutschsein keine Vorstellung.
Eine Nation jedoch braucht einen Gründungsmythos, sonst fühlt sie 
sich nackt, und weil der gelegentlich angemahnte 
Verfassungspatriotismus nicht zum wärmenden Kleide taugt, darf jetzt 
nicht nur das Fernsehen, sondern auch die linksliberale Wochenzeitung
»Die Zeit« von alten Wurzeln raunen. Je näher das Jubiläum der 
Schlacht rückt, desto enger rücken wir Deutschen und die alten 
Germanen zusammen.
In der deutschen Hauptstadt hat Mitsch Kohn fleißig komponiert - es 
gibt jetzt eine Sinfonie zum Gemetzel. Die Popmusiker der Gruppe 
»Westphalica« schmettern im Quartett »Als die Römer frech geworden«, 
im Tonstudio zusammengemischt mit den Originalversen des 
Butzenscheibenlyrikers Joseph Victor von Scheffel (1826-1886). 
»Mediengerecht und zeitgemäß bearbeitet«, wie es heißt.
Ob das wahr ist?
An dieser Stelle dürfen wir wohl ein berühmtes Zitat abwandeln: Die 
Wahrheit hat eine Bataille verloren, jetzt ist Museumsbesuch die 
erste Bürgerpflicht. Die drei großen Ausstellungen lohnen die 
Aufmerksamkeit allemal. Fangen Sie in Haltern an: Politik vor 2000 
Jahren. Fahren Sie weiter nach Kalkriese: Krieg vor 1994 Jahren. 
Heben Sie sich Detmold für den guten Schluss auf: Geschichte, zum 
Mythos geronnen.
Zu seinem wahren Kern müssen Sie selbst vorstoßen.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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