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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Mietpreisbremse Politisches Placebo FLORIAN PFITZNER, DÜSSELDORF

Bielefeld (ots)

Deutschland ist ein Land der Mieter. Die Eigenheimquote ist in kaum einem Industrieland niedriger, nirgendwo sonst nimmt das Genossenschaftswesen einen derart breiten Raum ein. Dabei haben sich die Mieten über Jahre äußerst moderat entwickelt. Inzwischen sind die Kosten aber explodiert; vor allem in den Städten spalten Wucherpreise soziale Milieus. Wer heute aus beruflichen oder privaten Gründen umziehen muss, erlebt nicht selten den blanken Horror. Dutzende Bewerber schieben sich durch Hausflure, um sich völlig überteuert annoncierte Wohnungen anzusehen. In Metropolen wie Hamburg oder Berlin ist das Preisniveau besonders hoch, doch auch in wirtschaftlich aufblühenden Provinzstädten ziehen die Wohnraumkosten an. Neue Mieter zahlen nicht selten bis zu 40 Prozent mehr als ihre Vorgänger. Durchschnittsverdiener, ältere Menschen und alleinerziehende Frauen reihen sich überhaupt nicht mehr in die Karawane ein. Wer es in Deutschland eh schon schwer hat, muss nun auch auf die Vorteile der Stadt verzichten. Jobs, Dienstleistungen und medizinische Versorgung fehlen nicht nur in ländlichen Gebieten, sondern auch in den Randbezirken. Pendeln kostet Zeit und Geld. Mit der sogenannten Mietpreisbremse verkünden die möglichen Großkoalitionäre in Berlin nun stolz das Ende des Wuchers. Bald sollen die Länder entscheiden, ob sie die Kosten auf den überhitzten Wohnungsmärkten deckeln wollen. Maximal zehn Prozent dürften die Mieten dann in neu vereinbarten Verträgen über dem ortsüblichen Niveau liegen. In laufenden Mietverhältnissen soll der Zuschlag eine Grenze von 15 Prozent innerhalb von drei Jahren nicht überschreiten. Unberührt bleiben Preisveränderungen nach Modernisierungen, die der Vermieter weiterhin dauerhaft auf die Miete aufschlagen darf. Neubauten dürfte die Mietpreisbremse indes - anders als befürchtet - nicht hemmen, bleiben Einstiegstarife doch frei verhandelbar. So bieten sich freilich Anreize, den Neubau mehr denn je an den Wünschen der solventen Klientel auszurichten. Ganze Wohnblöcke landen in Deutschland zudem unter dem Hammer und werden privatisiert. Mehr als 600.000 Wohnungen haben Bund, Länder und Gemeinden bisher verkauft - auf Kosten der Mieter. Arbeitersiedlungen sind für Arbeiter dadurch häufig nicht mehr bezahlbar. Wohnraumkosten entwickeln sich zum Armutsrisiko. Sozialklauseln dienen den Verkäufern dabei allein als sanftes Ruhekissen für ihr schlechtes Gewissen. Gewinner des freien Markts ist der Investor - zumindest solange er vor einer Sanierung nicht das Einverständnis des Mieters einholen muss. Insofern ist die gefeierte Mietpreisbremse nur ein politisches Placebo, höchstens ein kleines Pflaster auf einer klaffenden Wunde. Es passt nicht zusammen, einerseits hunderttausende Wohnungen zu verkaufen und anderseits eine Kostendeckelung zu etablieren. Um die Mieter in Zukunft zu schützen, müssen sich Städte und Gemeinden vielmehr am urbanen Trend orientieren und endlich neues Bauland erschließen.

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