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Neue Westfälische (Bielefeld): UNICEF-Kinderstudie Für Glück hab ich grad' keine Zeit JOHANN VOLLMER

Bielefeld (ots)

Das glücklichste Volk der Erde? Schwer zu sagen. Kommt ganz auf die Sichtweise an. Fragt man wie die Forscher des "World Happiness Reports" nach Wohlstand, Gesundheitsvorsorge und sozialer Sicherheit, liegen die Dänen und ihre skandinavischen Nachbarn ganz vorne. Deutschland landet hier weltweit auf Rang 30. Es geht uns also gut. Einigermaßen. Wir können nicht klagen. Danke der Nachfrage. Verändert man die Definition des Glücks, rutschen sämtliche Industrienationen aus den Top Ten. Im vergangenen Jahr fragten Forscher bei einer globalen Umfrage anders. Kindlicher. "Haben sie gestern gelächelt oder gelacht?", "Hat man sie den ganzen Tag lang gut behandelt?", "Waren sie ausgeruht, haben sie etwas interessantes erlebt, haben sie den Tag genossen?" Glücklich ist hier, wer in den verarmten Ländern Panama, Paraguay oder El Salvador lebt. Die Deutschen? Ein Volk von sorgenvollen Grüblern, abgeschlagen auf Platz 47. Glück, so scheint es, ist keine deutsche Tugend. Anders als die Amerikaner, die in ihrer Verfassung Leben, Freiheit und das Streben nach Glück ("Pursuit of Happiness") zu den unveräußerlichen Rechten des Menschen zählen, taucht in den mehr als 12.000 Wörtern des deutschen Grundgesetzes der Begriff "Glück" nicht einmal auf. Stattdessen belächeln wir entrückte Länder wie Bhutan (im Glücklichkeitsranking auf Rang 8), das die Mehrung des "Bruttosozialglücks" in der Verfassung verbrieft hat. Glückszustände fallen bei uns schon eher unter das Rauschmittelgesetz. Schützenswert ist das persönliche Glück schon gar nicht. Wen wundert es also, dass uns die UNICEF -Kinderstudie ein verheerendes Zeugnis ausstellt. In keinem anderen Industrieland der Welt ist die Kluft zwischen objektiven Entwicklungschancen und subjektivem Unglücksempfinden bei Jugendlichen so groß wie in Deutschland. Noch machen wir es uns leicht. Kinder sind halt so, wankelmütig, das legt sich schon, wenn der Ernst des Lebens beginnt. Dabei ist die UNICEF-Studie für die Gesellschaft bedeutender als jeder internationale Leistungstest über Rechen- oder Rechtschreibqualitäten der Jüngsten. Denn entweder ist der Nachwuchs nur der Seismograph für eine gesellschaftliche Krise, die die Erwachsenen nur noch nicht wahrhaben wollen. Oder - viel wahrscheinlicher - unser beständiges Krisendenken hat sich wie eine schwarze Wolke über die Kindheit in diesem Land gelegt. Das deutsche Wunschdenken nach Planbarkeit von Lebensläufen lässt immer weniger Platz für Freiheit und Unbeschwertheit. Zeit zum Glücklichsein, zum Kindsein gerne - aber nach den Hausaufgaben. Wir verwandeln unsere eigenen Zukunftsängste in Leistungsdruck, wissen immer, was das Beste ist - und wehe, der Englischunterricht hat nicht mit drei Jahren begonnen. Wir debattieren über Kinder als Kostenfaktoren, Zeitdiebe und Karrierekiller. Statt zu sorgen, sorgen wir uns. Es wird Zeit den Kindern etwas Freiheit und Vertrauen zurückzugeben. Dieses Land ist lebenswert. Wir müssen es nur selbst wieder vorleben.

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