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Neue Westfälische (Bielefeld)

Neue Westfälische: Europa vor der Wahl Die Schatten-Macht WERNER WEIDENFELD

Bielefeld (ots)

Ein Spitzenereignis der Weltpolitik steht an.
Der global zweitgrößte Demokratiekomplex ist zu entscheiden. 375 
Millionen Menschen sind zur Wahl gerufen - nur in Indien sind es 
mehr.
Die Atmosphäre im Vorfeld der Wahl entspricht der Dramatik dieser 
Größenordnung in keiner Weise. Die Stimmung ist eher gelangweilt. 
Europa wird zur Nebenwahl reduziert, unwichtiger als National- und 
Regionalwahlen, bestenfalls ein Stimmungsbild für die Bundestagswahl 
wenige Monate später.
Phantasielos wirken die Werbemittel der Wahlkämpfer. Die Europäische 
Union leistet sich eine Wahl ohne einen wirklichen Wahlkampf. In der 
Geschichte der Demokratie ein Phänomen der Merkwürdigkeit.
Die Europäische Union wirkt seit vielen Jahren als Magnet politischer
Macht. Die Nationalstaaten mussten Souveränität abgeben, und die 
Globalität ist als Antwort zu diffus. Bleibt der Kontinent als die 
angemessene Größe, gestalterische Macht zu organisieren. Sicherheit, 
Energie, Klimaschutz, Außenhandel, Binnenmarkt, Landwirtschaft, 
Industriepolitik - eine schier endlose Liste von Zuständigkeiten 
Europas ließe sich aufzählen.
In den Alltag lässt es sich übersetzen in CO2-Werte für Autos, 
Senkung der Handytarife, Kontrolle der Finanzmärkte, Liberalisierung 
des Energiemarktes. Das Machtpaket Europa wird von seinen eigenen 
Bürgern nicht in dieser existentiellen Bedeutung erkannt. Es bleibt 
zweitrangig in der Wahrnehmung.
Die vielen Europareformen der letzten Jahrzehnte haben einen großen 
Gewinner gehabt: das Europäische Parlament. Ursprünglich in den 
Römischen Verträgen (1957) ohne wirklich relevante Kompetenzen 
ausgestattet - dann in jedem Reformvertrag mit weiteren 
Zuständigkeiten versehen.
Es ist Gesetzgeber, Mitgestalter der Exekutive, Kontrolleur, 
Inszenierer der Öffentlichkeit. Der Mythos vom einflusslosen 
Parlament ist jedoch trotz alledem dominant. Die bedauernde Floskel 
von der Irrelevanz des Europäischen Parlaments gehört zum grauen 
Alltag - aber mit der Realität der Politik hat dies nichts mehr zu 
tun.
Die Europawahl konfrontiert uns also mit einer besonderen Dramatik: 
der Schieflage von realer Substanz und persönlicher Wahrnehmung. Die 
Weltmacht Europa ist in der Wahrnehmung zwergenhaft geblieben. In den
Köpfen der Menschen ist der Mythos des schwachen Parlaments nach wie 
vor fest verhaftet.
Wenn Europa nicht politischen Schiffbruch erleiden will, dann muss es
die grobe Schieflage der Wahrnehmungen korrigieren. Der Machtmagnet 
muss erklärt, der politische Wettbewerb mobilisiert, die 
Sachalternativen profiliert werden. Dann kann Europa aus dem 
politischen Schatten heraustreten. Dann können prägnante Gesichter 
die politische Seele Europas in Schwingung versetzen.
Prof. Dr. Werner Weidenfeld ist Direktor des Centrums für 
angewandte Politikforschung der Uni München. Soeben ist sein 
Bestseller "Europa von A bis Z" in 11. Auflage neu erschienen, 
Nomos-Verlag, 499 Seiten, 19,90 Euro.

Pressekontakt:

Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: 0521 555 276
joerg.rinne@neue-westfaelische.de

Original-Content von: Neue Westfälische (Bielefeld), übermittelt durch news aktuell

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