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Der neue Stil im Weißen Haus tut gut
Mit Joe Biden zieht in Washington wieder ein Stück Normalität ein. Der neue Präsident räumt im Eiltempo mit Trumps Exzessen auf. Leitartikel von Thomas Spang

Regensburg (ots)

Jan Psaki, versicherte kürzlich zum Gelächter der Reporter im Briefing-Raum des Weißen Hauses, der neue Präsident habe nicht einen Gedanken an das Farbschema der Kabine in der Air Force One verschwendet. Biden verbringt seine Zeit auch nicht auf dem Golfplatz, sondern bei der Arbeit im Oval Office. Statt im Kabelfernsehen seine Befindlichkeiten zu ventilieren, berät sich der Präsident mit Experten. Vor allem braucht niemand mehr mitten in der Nacht schweißgebadet aus einem Albtraum aufwachen, um sich zu vergewissern, dass der US-Präsident nicht via Twitter einen Atomkrieg erklärt hat. Selbst tagsüber strahlt Bidens Twitter-Konto gähnende Langweile aus. Hat er es überhaupt schon einmal benutzt?

Gewiss macht der 46. Präsident von seinem Telefon Gebrauch. Nicht, um etwa den australischen Ministerpräsidenten zu beleidigen, sondern normale Gespräche mit ausländischen Staats- und Regierungschefs zu führen. Mit Freunden, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, geriet das Telefonat zu einem freundlichen Austausch, mit Gegnern, wie Russlands Präsident Wladimir Putin, wählte Biden einen ernsten Ton. Seine Sprecherin muss im Briefingraum des Weißen Hauses nicht die Reporter beschimpfen oder über die unglaublichen Menschenmengen zu fantasieren, die bei der Amtseinführung des geliebten Präsidenten angeblich zugegen waren. Sie beantwortet stattdessen kompetent alle Fragen, verspricht die Rückkehr von Transparenz, Wahrhaftigkeit und Fakten. Der oberste Infektiologe der USA, Anthony Fauci, darf ohne Aufpasser vor die Presse treten und sagen, wie die Dinge bei der Pandemie stehen. Eine erfreuliche Neuerung sei, so Fauci zum Unterschied zur Vorgängerregierung, dass er nicht mehr um den heißen Brei herumreden müsse. Wenn er zu etwas keine Antwort habe, könne er dies nun einfach zugeben. Die ersten Tage Bidens markieren eine willkommene Rückkehr zur Normalität, in einer Zeit, die alles andere als gewöhnlich ist. Es ist noch keine drei Wochen her, als ein von Donald Trump aufgehetzter Mob den Kongress stürmte. Währenddessen beklagen die USA wegen Trumps verheerendem Corona-Krisenmanagement mit bald einer halben Millionen Covid-19-Toten mehr Opfer als im ganzen Zweiten Weltkrieg.

Ein großer Teil der sorgfältig vorbereiteten Dekrete und Gesetzesinitiativen der ersten Tage, zielt darauf ab, die schlimmsten Exzesse Trumps im Amt rückgängig zu machen. Vom Wiedereintritt ins Pariser Klimaabkommen über die Aufhebung des Muslim-Banns bis hin zum Stopp des Mauerbaus. Bidens Restaurations-Projekt wird von einem talentierten Team erfahrener Technokraten vorangetrieben, die den über Jahrzehnte eingespielten Prozess der Entscheidungsfindung in Washington wiederherstellen. Dazu gehört die Rückkehr der dicken Briefing-Kladden sowie die Einbindung von Interessengruppen und Verbänden.

Dass dir größten "Skandale" Bidens seine Begeisterung für einen teueren Peloton-Heimtrainer oder das Tragen seiner Rolex-Uhr am Tag der Amtseinführung waren, ist für sich genommen ein Zeichen der neuen Normalität. Was Joe- "Normalo" allerdings nicht beeinflussen kann, ist der Umgang der Republikaner mit dem abgewählten Präsidenten, der in den vergangenen vier Jahren die Werte und Institutionen der USA unterminiert hat. Zuletzt mit einem offenen Angriff auf das Herz der amerikanischen Demokratie.

Solange die "Grand Old Party" sich nicht aus dem Würgegriff des Demagogen Trump befreit, kann es in einem Zweiparteiensystem keine vollständige Rückkehr zur Normalität geben. Die Chancen stehen leider nicht gut, dass die Republikaner den anstehenden Impeachment-Prozess nutzen werden, sich im Schleudergang vom Trumpismus zu säubern.

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