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Demokratie im Fadenkreuz
Der Sturm auf das Kapitol in Washington muss auch Konsequenzen für den Schutz der Institutionen und gewählten Abgeordneten in Deutschland haben. Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

War der "Sturm" auf den Reichstag in Berlin im vergangenen August ein Vorbote für die Attacken eines gewaltbereiten Mobs auf das Kapitol in Washington vor einer Woche? Zumindest gibt es einen inneren Zusammenhang zwischen militanten Trump-Anhängern, Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretikern in den USA und Deutschland. Jenseits des Atlantiks entzünden sich die gewalttätigen Angriffe auf demokratische Institutionen vor allem an der vorgeblich "gestohlenen Wahl", von der Noch-Präsident Donald Trump, unbeirrt von den Fakten, schwadroniert. In Deutschland scheiden sich die Geister jetzt vor allem an der Corona-Pandemie. Was Bund und Ländern zur Eindämmung des Covid-19-Virus beschlossen haben, ist für eine Minderheit der Menschen hierzulande glatt "Corona-Diktatur".Die Gesellschaft in den USA ist allerdings noch tiefer gespalten. Und mit seinen Äußerungen hat Trump den Mob erst aufgehetzt, der dann pöbelnd und gewalttätig das Kapitol bestürmte. Die aufgeheizte Situation lässt für die Amtsübergabe an Joe Biden in einer Woche, just auf der Westterrasse des Kapitols, nichts Gutes ahnen. Dass Trump selbst, entgegen der Tradition, nicht zur Amtseinführung seines demokratischen Nachfolgers erscheinen will, gießt weiteres Öl ins Feuer. Viele seiner aufgeputschten Anhänger dürften dann erst Recht danach trachten, die Zeremonie zu stören, wenn ihr Polit-Guru nicht mit auf der Tribüne steht. Zu befürchten ist, dass Trumps Anhänger nicht nur friedlichen protestieren, sondern sogar Waffen mitbringen und schlimmstenfalls einsetzen würden.Den USA steht eine weitere Prüfung bevor: Sind die Demokratie, sind vor allem die Sicherheitskräfte - nach ihrem unrühmlichen Agieren am Kapitol -, sind auch die friedfertige Mehrheit der Menschen, sind Demokraten und Republikaner in der Lage, eine würdevolle, ungestörte Amtseinführung des neuen Präsidenten zu gewährleisten? Weitere schlimme Bilder wie vor einer Woche kann und darf sich das Land, in dem einst die Wiege der modernen Demokratie stand, nicht noch einmal leisten.Die Nachwehen des Angriffs auf das Kapitol sind auch diesseits des Atlantiks zu verspüren. Die Menschen, die jetzt allen Ernstes an eine "Diktatur" in Deutschland glauben, dürften sich von den schlimmen Bildern aus Washington ermuntert fühlen, ähnlich zu handeln. Anzeichen dafür gibt es bereits seit längerer Zeit. Die Corona-Krise hat die Art und Weise der Auseinandersetzung nur noch weiter verschärft. Demokratische Institutionen und ihre Gebäude, gewählte Abgeordnete - vom Bundestag bis in die kommunalen Parlamente hinein - werden zunehmend von Corona-Leugnern, Rechtsextremisten, Reichsbürgern, Anhängern der QAnon- und anderen Verschwörungstheorien ins Fadenkreuz genommen. Es ist unerträglich, wenn etwa Bürgermeister, Parlamentarier, aber auch Polizisten, Feuerwehrleute, Notärzte, Rettungssanitäter von einem aufgebrachten Mob beschimpft, bedroht und bisweilen sogar tätlich angegriffen werden.

In Deutschland hat jeder das im Grundgesetz verbriefte Recht, seine Meinung "in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten". Dazu gehört auch, die Regierung kritisieren zu dürfen, etwa wegen der vielen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Oder wie der Reformator Martin Luther einst sinngemäß sagte: Lasset die Argumente aufeinander prallen, aber die Fäuste haltet stille! Wer allerdings bösen Worten böse Taten folgen lässt, dem muss der Staat in den Arm fallen. Das muss geahndet werden. Es ist traurig, aber offenbar notwendig, dass nun auch in Deutschland die Sicherheitsvorkehrungen um den Bundestag, um Landesparlamente und andere Institutionen des Staates verschärft werden müssen. So weit wie in Washington vor einer Woche darf es bei uns gar nicht erst kommen.

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