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Mittelbayerische Zeitung: Aus den Fugen Mit der Transferperiode im Profifußball endet eine unterhaltsame Form der Wettbewerbsverzerrung. Von Heinz Gläser

Regensburg (ots)

Der Kalender diktierte diesmal das Halali. Da der 31. August heuer auf einen Samstag fiel, wurde das Ende der Jagd auf diesen Montag verlegt. Traditionell gebärdet sich die Boombranche dann beinahe tollwütig. Es geht zu wie an Rudis legendärer Resterampe, wobei dieser Vergleich hinkt wie ein angeschlagener Spieler. Denn Schnäppchen waren kaum mehr im Angebot, als sich das Sommer-Transferfenster in den meisten europäischen Profifußball-Ligen schloss. Mag die Weltwirtschaft aktuell unter willkürlich angezettelten Handelskonflikten ächzen und die Angst vor einer Rezession übers ökonomische Spielfeld geistern, so tangiert dies den globalen und speziell europäischen Markt für mehr oder minder begabte Kicker kaum. Der Fußball erfreut sich einer regen Binnenkonjunktur - ja: Es herrscht weiterhin Goldgräberstimmung. Stand Montagvormittag hatte die Bundesliga knapp 730 Millionen Euro in neue Spieler investiert. Natürlich schwanken die Angaben, weil beide Seiten gewöhnlich "über die Modalitäten Stillschweigen vereinbaren", so lautet die inzwischen gängige Floskel. Wer auf den letzten Drücker zuschlägt, hatte in aller Regel zuvor etwas versäumt oder sich schlicht verpokert. Der glorreiche FC Bayern, obwohl vor finanzieller Potenz schier berstend, fand sich diesmal in der Riege der Zögerer und Zauderer wieder, ehe der ewige deutsche Branchenprimus mit dem Brasilianer Philippe Coutinho doch noch das erhoffte bunte Kaninchen aus dem Hut zauberte. Dieser personelle Schachzug war wiederum dem Umstand geschuldet, dass das eigentliche Objekt der heißen Begierde, Nationalspieler Leroy Sané, urplötzlich aufs Krankenlager sank, statt die Koffer für einen Umzug nach München zu packen. Derweil riss in Turin dem Defensiv-Schlachtross Giorgio Chiellini das Kreuzband im Knie, was beim italienischen Rekordmeister Juventus hektische Aktivitäten auslöste und ein spontanes Last-Minute-Interesse am bayerischen Weltmeister und Bankdrücker Jérome Boateng befeuerte. Merke: Wer sich in der Offensive für sündteueres Geld einen Cristiano Ronaldo leistet, der will nicht den Champions-League-Titel vergeigen, nur weil hinten ein mindertalentierter Verteidiger zur Unzeit den Ball verdaddelt. All das Geschacher ist - zugegeben - unterhaltsam und lädt gusseiserne Fans ein zu jenen endlosen Personaldebatten, die früher am Stammtisch und heute im Internet geführt werden. Allein: In diesem Basar, der sich ab 1. Januar wiederholt, wenn die Wintertransferperiode eingeläutet wird, steckt immer auch ein Stück Wettbewerbsverzerrung. In den großen europäischen Ligen sind bereits einige Spieltage ins Land gegangen. Jenen Klubs, bei denen sich jetzt Torschlusspanik breitmachte, räumt der verlängerte Wechselzeitraum über den Saisonbeginn hinaus die unverdiente Chance ein, personelle Fehlplanungen doch noch zu korrigieren. Zudem leistet die bestehende Transferperiode der ohnehin grassierenden Preistreiberei Vorschub. Wer aktuell noch dringenden Nachbesserungsbedarf sah oder hatte, dem führte nicht selten die blanke Not den Stift, mit dem der Vertrag mit dem Neuzugang signiert wurde. Es ist eine Binsenweisheit: Insgesamt ist der Transfermarkt im Fußball längst aus den Fugen geraten. Vor allem in England pumpen TV-Sender, global operierende Unternehmen und Oligarchen so viel Geld in die Premier League, dass die Vereine beim Ausgeben fast schon in Kalamitäten geraten. Und im Schattenreich der international tätigen Berater hat die goldene Nase Wiederkennungswert. Appelle an die Vernunft verhallen natürlich. Erst ein Liebesentzug der Fans würde ein Umdenken einläuten. Dieser ist aktuell jedoch so wahrscheinlich wie ein deutscher Meister SC Paderborn.

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