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Mittelbayerische Zeitung

Mittelbayerische Zeitung: Ein Start im grünen Gegenwind. Schwarz-Orange zeigt, dass deutlich mehr Gleichklang möglich ist, als in Berlin. In den ersten 100 Tagen erfüllt man erste Wahlversprechen. Von Christine Schröpf

Regensburg (ots)

Nimmt man das Ausmaß der Harmonie als Messgröße läuft es in den ersten 100 Tagen Bayern-Koalition ziemlich gut. Das Doppel aus Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger arbeitet Hand in Hand - und damit anders als die GroKo in Berlin, in der die SPD gerade wieder überdeutliche Absetzbewegungen erkennen lässt. Dabei war Söder der neue politische Kompagnon bis zur Landtagswahl herzlich egal. Aiwanger wiederum fand es früher spaßig, Söder auf den Mond zu wünschen. Schwamm drüber. So spielt manchmal die Politik. Beim Zusammenspiel zeigt sich gerade, wie sehr die Freien Wähler Fleisch vom Fleisch der CSU sind. Ideologische Barrieren gibt es nicht. Das sorgt im Freistaat für eine Politik aus einem Guss. CSU wie Freie Wähler interpretieren in ähnlicher Weise das weiß-blaue Lebensgefühl. Die zwei Parteien sind im ländlichen Raum stärker verwurzelt als in der Stadt. Die Koalitionäre haben ein übereinstimmendes Gesellschaftsbild. Beide sehen starkes Wirtschaftswachstum als unabdingbar an. Wenn man nach Unterschieden sucht, landet man bei Details: In der Familienpolitik war den Freien Wählern der kostenfreie Kindergarten wichtiger als das Familiengeld der CSU. In der Debatte um Straßenausbaubeiträge legte sich die CSU nur deshalb lange quer, weil man an die hohen Folgekosten für den Staat dachte. Der größte Unterschied lässt sich noch bei der Energiewende ausmachen, die sich die Freien Wähler weit dezentraler und kleinteiliger wünschen. Ein Spezialfall, der durch übliche Bewertungsraster fällt, bleibt der per Koalitionsvertrag besiegelte Polderstopp auch an der Donau. Die Konfliktlinie verläuft hier innerhalb der Freien Wähler. Umweltminister Thorsten Glauber hat "Parteifreund" Aiwanger die heikle Frage auf den Tisch gelegt, wie er am Stopp festhalten kann, obwohl Polder eine Flutwelle um zehn Prozent kappen würden. Söder hält sich aus dem Streit heraus. Der Gleichklang der Bayern-Koalition bleibt unter dem Strich trotzdem so groß, dass der CSU-Chef in seiner persönlichen 100-Tages-Bilanz klarstellte, dass nicht an eine Fusion der beiden Parteien gedacht wird. Ein Gedanke, der Beobachtern fast kommen konnte. CSU und Freie Wähler mögen nicht fusionswillig sein. Fusionsfähig wäre man bei all der inhaltlichen Übereinstimmungen sehr wohl. Schwarz-Orange legt beim Regieren hohes Tempo vor. Das zentrale Wahlversprechen des nahezu kostenlosen Kindergartens wird bereits im April eingelöst. Der erste Doppelhaushalt mit einem saftigen Ausgabenplus von sechs Prozent in 2019 ist weiteren neuen Akzenten geschuldet. Ob Kritikern dieser Kurs gefällt oder nicht: Mangelnde Betriebsamkeit kann man den Koalitionären nicht attestieren. Schwarz-Orange bedient dabei aber vor allem das eigene Klientel. Gespür für Bürger anderer politischer Couleur beweisen Söder und Aiwanger nicht. Das birgt Risiken. Die Grünen als gemeinsamer Gegner sind seit der Landtagswahl weiter erstarkt. Auch der große Zuspruch für das Bienen-Volksbegehren dokumentiert, wie sehr sich die Stimmung im Land gedreht hat und sich mehr Ökobewusstsein auch in konservativen Kreisen verwurzelt. Die Bayern-Koalitionäre sind in diesem Spiel Getriebene und nicht Akteure. Die Grünen geben den Takt vor, setzen gezielt Stich um Stich. Auch Söders Versuch, auf die Schnelle mehr Klimaschutz in der Verfassung zu verankern und sich selbst ein grüneres Image zu verpassen, wurde ausgebremst. Knackpunkt ist, dass Umweltschutz in den Augen vieler Bürger nicht zur Kernkompetenz von Schwarz-Orange zählt. Diese offene Flanke hat die Koalition in der ersten Etappe ihrer Regierungsarbeit nicht schließen können. Im Gegenteil: Die Flanke hat sich weiter geöffnet.

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