Alle Storys
Folgen
Keine Story von Mittelbayerische Zeitung mehr verpassen.

Mittelbayerische Zeitung

Mittelbayerische Zeitung: Keine Entwarnung
Das juristische Urteil, die NPD nicht zu verbieten, ist richtig. Das eigentliche Problem lebt weiter. Leitartikel von Jana Wolf

Regensburg (ots)

Mit seinem Urteil, die NPD nicht zu verbieten, hat das Bundesverfassungsgericht seine Unabhängigkeit bewiesen. Weder die Tatsache, dass der Verbotsantrag vom Bundesrat ausging, noch der öffentliche Ruf nach einem NPD-Verbot haben die Richter in ihrer Entscheidung beeinflusst. In der Urteilsbegründung des Gerichts heißt es, die NPD verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele. Dass die Partei diese Ziele aber tatsächlich erreiche, erscheine ausgeschlossen. Dazu fehle es an konkreten, gewichtigen Anhaltspunkten. Es ist gut und konsequent, dass die Richter den Verbotsantrag nach rein juristischen Kriterien bewertet haben. Diese juristische Unabhängigkeit ist enorm wichtig, weil sie die Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaates stärkt. Gerade in einer Zeit, in der die Demokratie durch die wachsende Gefahr von rechts auf die Probe gestellt wird, sollen Bürgerinnen und Bürger in Recht und Gesetz vertrauen können. In einer Zeit, in der AfD, Pegida, Front National oder FPÖ die politische Debatte anheizen und in der Öffentlichkeit Wut schüren, ist es wichtig, dass die Gerichte besonnen und nach rein juristischen Maßgaben arbeiten. In der Begründung des NPD-Urteils stehen allerdings auch Sätze, die zu denken geben. Dort liest man: Die NPD wolle die "freiheitliche demokratische Grundordnung" beseitigen. Sie missachte das Demokratieprinzip. Sie verletze mit ihrem Volksbegriff die Menschenwürde. Die rechtsextreme Partei weise sogar eine "deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus auf. Klar ist: Die Anhänger dieser Partei verachten die Freiheit, sie diskriminieren Menschen, sie haben eine antisemitische Gesinnung. Sie kennen keine Toleranz, sondern nur Aggression und Hetze. Klar ist aber auch: Ein Parteiverbot kann nicht die Gedankenwelt der Menschen eingreifen. Ein Neonazi bleibt im Herz ein Neonazi, auch wenn Richter seine Partei via Gerichtsbeschluss verboten haben. Dass ein Verbot der falsche Weg ist, hat der Fall des Freien Netz Süd gezeigt. Die rechtsextreme Organisation wurde am 23. Juli 2014 verboten. Beim Freien Netz Süd handelte es sich zwar um keine Partei, aber mit etwa 20 angegliederten rechtsextremen Kameradschaften um den größten neonazistischen Dachverband in Bayern. Und was ist nach deren Verbot passiert? Haben die Neonazis ihre fremdenfeindliche Gesinnung nach dem Beschluss neu überdacht? Natürlich nicht. Die früheren Mitglieder des Freien Netz Süd haben sich unter neuem Namen in der Organisation Dritter Weg neu formiert. Die Köpfe sind die gleichen wie früher. Und in den Köpfen auch die gleichen Gedanken. Dieser Fall zeigt: Selbst mit einem Verbot ist das Problem des Rechtsextremismus und Neonazismus in unserer Gesellschaft nicht gelöst. Das gleiche gilt für die NPD: Das Verfahren ist abgeschlossen, die rassistische Gesinnung geistert weiter in unserer Gesellschaft herum. Deswegen gilt es jetzt, die warnenden Sätze aus der Urteilsbegründung des Verfassungsgerichts ernst zu nehmen. Auch wenn die NPD schrumpft und derzeit nur noch etwa 5000 Mitglieder bundesweit hat, gilt es die Demokratie weiterhin vor Angriffen zu schützen. Der menschenverachtenden Rhetorik der Neonazis müssen besonnene und differenzierte Argumente entgegengesetzt werden. Andreas Voßkuhle, Präsident des Verfassungsgerichts, betonte bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe, dass ein Parteiverbot "kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot" sei. Er gab aber noch einen anderen, wichtigen Hinweis, der über das Urteil hinausweist. Einer Partei könne die staatliche Parteienfinanzierung entzogen werden. Dies habe nicht das Verfassungsgericht zu entscheiden, sondern der Gesetzgeber. Wenn der NPD der Geldhahn zugedreht werden würde, würde es für die Partei schwieriger werden, Kundgebungen und Veranstaltungen zu organisieren, bei der sie ihre Hetze verbreiten kann. Die Regierung sollte diesen Hinweis Voßkuhles erst nehmen. Schließlich geht es um ein wertvolles Gut: den Schutz unserer Demokratie.

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Mittelbayerische Zeitung
Weitere Storys: Mittelbayerische Zeitung
  • 16.01.2017 – 21:47

    Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Einbruchsprävention

    Regensburg (ots) - Mittelbayerische Zeitung, Autorin: Katja Meyer-Tien Es muss nicht teuer sein In einer Zeit, in der an gefühlt jeder Ecke die nächste Bedrohung lauert, wird das eigene Zuhause mehr noch als zuvor zum wichtigen Rückzugsraum. Die eigenen vier Wände versprechen Sicherheit und Geborgenheit. Umso mehr erschrecken da Meldungen, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche nach wie vor hoch ist. Der Boom der ...

  • 16.01.2017 – 18:22

    Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Donald Trump

    Regensburg (ots) - Mittelbayerische Zeitung, Autor: Reinhard Zweigler Wundertüte Trump Entgegen seiner sonstigen Art hat Donald Trump über das schlagzeilenträchtige Interview mit der Bild-Zeitung aus Deutschland sowie der angesehenen Times aus Großbritanien offenbar nicht getwittert. Keine 140-Zeichen-Botschaft zu einem Gespräch, das viele Politiker in Europa schockiert. Der künftige US-Präsident hat sozusagen ...