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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Bundeswehr: Pawlowsche Reflexe von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Vor über einhundert Jahren experimentierte der russische Physiologe Iwan Pawlow mit hungrigen Hunden. Er zeigte ihnen Futter und kündigte dies zuvor mit einer Klingel an. Nach mehreren Versuchen lief den Tieren bereits das Wasser im Maul zusammen, wenn nur die Klingel ertönte. Das Thema Bundeswehreinsatz im Innern erzeugt in der deutschen Politik solch einen Pawlowschen Reflex. Sobald es erklingt, werden Vorbehalte abgesondert. Von der mitregierenden SPD, von der Opposition, von selbsternannten Hütern der Verfassung - aus schlimmer historischer Erfahrung. Doch so viel eingeübte und ständig wiederholte Rhetorik macht eine wirklich sachliche Debatte des Themas nahezu unmöglich. Flott werden historische Analogien zur Weimarer Republik oder zu Hitlers missbrauchter Wehrmacht hergestellt. Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit, die eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes benötigen würde, ist nicht zu sehen. Dabei gibt es gute Gründe, etwaige bewaffnete Bundeswehreinsätze im Inland kritisch zu hinterfragen. Nur um die geht es. Einsätze in Notfällen, etwa bei Naturkatastrophen, Überschwemmungen, jetzt bei der Flüchtlingsversorgung und ähnlichem sind ohnehin erlaubt. Unstrittig sollte sein, dass die Bundeswehr niemals zu einem "Staat im Staate" werden darf, der sich in die Politik einmischt, etwa gar gegen Demonstranten, Streikende, Parteien oder gegen das Parlament vorgeht. Doch bei Lichte besehen ist diese Gefahr bei der Parlamentsarmee Bundeswehr gar nicht gegeben. Seit ihrer Gründung vor über sechs Jahrzehnten ist die Armee der Bundesrepublik zudem nicht ein einziges Mal mit Putschabsichten aufgefallen. Auch sorgt das Prinzip der "inneren Führung" dafür, dass es nicht eine Armee von willfährigen Soldaten gibt, die gewissenlos jeden Befehl ausführen, sondern Staatsbürger in Uniform. Dass in der Bundeswehr auch Links- oder Rechtsextremisten Unterschlupf und Auskommen suchen, spricht nicht gegen die Armee als solche, sondern zeigt nur, dass sie ein Spiegelbild der Gesellschaft ist. Es gibt in Deutschland viele Menschen, die ein gespaltenes und sogar vollkommen kritisches Verhältnis zur Armee haben. Doch zumindest sollten alle anerkennen, dass diese Bundeswehr eine Armee in der Demokratie ist. Der offene Diskurs um den Sinn der deutschen Armee, um die Richtigkeit von Auslandseinsätzen, gehört ausdrücklich dazu. Und ob es die Bundeswehrkritiker wahr haben wollen oder nicht, auch ihre Freiheit und ihre Sicherheit werden mit von der Bundeswehr garantiert. Der jüngste Vorstoß von Ursula von der Leyen für den Bundeswehreinsatz im Innern geht auf die schrecklichen Terror-Erfahrungen von Paris und Brüssel zurück. Davor hatten bereits andere Verteidigungsminister, wie Thomas de Maizière oder Peter Struck, überlegt, was im Fall von terroristischen Attacken in Deutschland zu tun sei. Struck sprach sich vor einigen Jahren für den Abschuss von gekaperten Zivilflugzeugen aus, wenn dadurch noch Schlimmeres verhindert werden könne. Dies wurde von Karlsruhe jedoch gestoppt. De Maizière überlegte, was zu tun wäre, wenn etwa Terroristen mit schweren Waffen Anschläge verübten und die Ausrüstung und das Personal der Polizei nicht ausreichten sollten. Richtig ist, die Bundeswehr darf nicht den Lückenbüßer für eine kleingesparte Polizei geben. Doch wenn wirklich ein schlimmer Notfall, etwa durch schwere Terrorattacken, eintreten sollte, dann darf die Bundeswehr nicht in den Kasernen bleiben. Pawlowsche Reflexe sind in verantwortungsvoller Politik fehl am Platze.

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