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Mittelbayerische Zeitung: So bleibt man Volkspartei
Die CSU zeigt in Kreuth, was ihre Stärke ausmacht. Dazu gehört leider auch gefährlicher Populismus. Leitartikel von Sebastian Heinrich

Regensburg (ots)

Die CSU ist faszinierend. Seit Jahrzehnten ist sie unangefochten die einzige Volkspartei Bayerns. Und, das können ihr selbst ihre größten Kritiker nicht absprechen: Das ist eine bemerkenswerte Leistung. Vor allem angesichts der Tatsache, dass auch Bayerns Wahlvolk immer bunter wird. Wie im Jahr 2016 die Strategie aussieht, mit der sich die CSU ihre Übermacht sichert, hat sich in der Klausur in Wildbad Kreuth besonders deutlich gezeigt. Es ist eine Art Guter-Polizist-böser-Polizist-Spiel, das die Christsozialen inszenieren: Erst platziert Gerda Hasselfeldt, die erfahrene Chefin der CSU-Bundestagsabgeordneten, diplomatisch formulierte Forderungen zur Asylpolitik in Richtung der Koalitionspartner, Minuten später drischt Generalsekretär Andreas Scheuer plumpe Phrasen gegen Migranten in die Mikrofone. Hier Hasselfeldts Worte der Bewunderung für Kanzlerin Angela Merkel, dort eine Art Obergrenzen-Ultimatum von Parteichef Horst Seehofer. Die CSU macht das seit Monaten - und ihre vergleichsweise guten Umfragewerte sind ein Indiz dafür, dass das funktioniert. Die CSU bleibt stark. Sie bleibt stark, weil sie nah am Volk ist: Ihre Abgeordneten in Berlin und München haben überwiegend Direktmandate, sie sind von der direkten Wahl durch die Bürger abhängig. Und die Listenkandidaten für den Bundestag brauchen ein CSU-Ergebnis von mehr als 40 Prozent in Bayern, um einen Sitz zu ergattern. Das macht die Parlamentarier besonders empfindlich für die Stimmungen, für Furcht und Besorgnis in der Bevölkerung. Die CSU bleibt auch stark, weil sie eine Art konservatives Korrektiv ist, das Deutschlands politische Landschaft braucht. Denn fest steht: Ein beachtlicher Teil der Deutschen steht politisch eben weiter rechts als die in die Mitte gewanderte CDU. Und es ist allemal besser, wenn die CSU diese Wählerschaft bedient als die radikalen Hetzer der AfD. Dass die Christsozialen verantwortungsvoll mit dieser Rolle umgehen können, haben sie im vergangenen Jahr in Kreuth bewiesen. Damals stellten sich die Innenexperten der Partei direkt nach den Januar-Anschlägen von Paris unmissverständlich gegen Anti-Islam-Hetze. Allerdings gibt es auch die hässliche Nebenwirkung der CSU-Volksnähe: der dumpfe und gefährliche Populismus, von dem die Partei nicht lassen kann. Manche CSU-Vertreter sind sich nicht zu schade, selbst die hohlsten Parolen aus der rechten Ecke nachzuplappern. Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich etwa, der in Bezug auf die Gewalttaten an Silvester in Köln und anderen Städten vom "Schweigekartell" der Medien faselt. Und Generalsekretär Scheuer, der mit der Parole "Wer faul ist, kriegt nix" Stimmung gegen Migranten aus dem EU-Ausland macht. Ihre Stärke macht die CSU selbstbewusst. Das sieht man auch in diesen Tagen. Die Parteioberen geben sich auf den Fluren von Kreuth sicher, dass Merkel in der Flüchtlingsfrage bald auf CSU-Linie einschwenken wird, angetrieben von hohen Flüchtlingszahlen und der Stimmung der Bevölkerung. Doch auch bei der kraftstrotzenden CSU ist da diese Angst. Die Angst , dass die Menschen den - teils faktischen, teils von führenden CSU-Politikern aufgebauschten - Kontrollverlust in der Flüchtlingsfrage an der Wahlurne bestrafen. Ein prominenter CSU-Mann sagt, die Bürger könnten bald ihren Glauben daran verlieren, dass CDU und CSU für umfassende Sicherheit in Deutschland sorgen können. Das wäre der Super-Gau für die Partei - und unheilvolle Kraftnahrung für die Rechtspopulisten der AfD, welchen immer mehr Bürgern ihre Wunschrolle als einzig wahre Beschützer der Deutschen abkaufen könnten. Es liegt an der CSU, dieser Gefahr mit konstruktiven Vorschlägen zu begegnen - und die Stimmung in Deutschland nicht weiter mit platten Parolen anzuheizen. Die nötige Kompetenz ist in der Partei vorhanden. Aber die Versuchung, nach rechtsaußen zu schielen, bleibt groß. Zu groß.

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