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Mittelbayerische Zeitung: Es kommt auf Europa an - In einer zunehmend multipolaren Welt braucht es Stabilitätsfaktoren. Die EU muss einer davon sein. Von Christian Kucznierz

Regensburg (ots)

Beständig ist nur der Wandel: Wer am Ende des Jahres auf 2015 zurückblickt, erkennt wieder einmal, dass der Spruch stimmt. Dass die Welt in Bewegung ist, haben Europa und Deutschland natürlich immer gewusst, aber so unmittelbar gespürt haben das viele wohl schon lange nicht mehr. Es hat erst der Flüchtlinge bedurft sowie der Anschläge in Paris im Januar und November, um zu erkennen, dass das, was in der Welt geschieht, plötzlich auch direkte Auswirkungen auf unser Leben hat. Und das dürfte auch so bleiben. 25 Jahre sind vergangen, seit die Teilung in Ost und West endete. Es folgte eine kurze Phase, in der es schien, als ob damit auch die Geschichte ein Ende genommen hätte. Der Amerikaner Francis Fukuyama hatte sein Buch so genannt: Das Ende der Geschichte. Weil der Wettlauf der Systeme entschieden schien. Dann kam der 11. September 2001, als ein neuer Gegner den Westen herausforderte: der islamistische Terror. Es ist dieser ideologisch-religiöse Kampf, der die Geschichte neu in Gang gesetzt hat. Dabei ist er im Prinzip eine Fortsetzung dessen, was die früheren Kolonialmächte begonnen hatten, als sie die Welt nach ihrem Gusto aufteilten. Dieser neue Großkonflikt hat viele weitere ausgelöst und alte wiederbelebt. Im Kampf gegen den Islamischen Staat wird deutlich, wie sehr Saudi- Arabien und der Iran die Geschicke im Nahen und Mittleren Osten lenken, indem sie die diversen Terrororganisationen unterstützen. Der Kampf gegen den IS zeigt auch, dass der Konflikt zwischen den USA und Russland nicht wirklich beendet wurde; gerade, seit Wladimir Putin den Anspruch erhebt, die Geschichte nach seinem Willen zu gestalten. Diesen Machtanspruch über Zeit und auch Raum hat er in der Ost-Ukraine bereits unterstrichen. Dieser seit längerem schwelende Konflikt hat gezeigt, dass eine zunehmend multipolare Welt wieder Kriege ermöglicht, auch vor der Haustür der Europäischen Union, die als Friedensprojekt ja genau das verhindern möchte und dafür auch schon den Friedensnobelpreis erhielt. Im Nahen und Mittleren Osten entstehen im Schatten der alten auch neue Mächte. Die Türkei tritt mit dem Anspruch auf, ohne sie werde weder der Syrien-Krieg noch das damit verbundene Flüchtlingsproblem gelöst werden können. Seinen Einsatz zur Lösung beider Probleme lässt sich ein zunehmend autokratisch auftretender Präsident Erdogan von der EU fürstlich entlohnen. Das geschieht durch finanzielle Mittel, aber auch durch die Duldung von Erdogans Vorgehen gegen die Kurden. Die Türkei ist somit eine wichtige Schaltzentrale für künftige Weichenstellungen geworden. Einen "Betriebsunfall" gab es jedoch: Putin ist nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei mächtig sauer auf Ankara. Stichwort neue Mächte: Der Iran hat mit dem Atomabkommen Handlungsspielräume erhalten, deren Folgen vor allem Israel fürchtet. Teheran hat das Existenzrecht Israels nie anerkannt und wird das auch nie tun. Die Welt ist also in Bewegung, sie ist komplizierter und kleinteiliger geworden. Ein funktionierendes Staatengebilde wie die EU wäre jetzt umso wichtiger. Aber Europa ist zerstritten, nicht nur wegen der Flüchtlinge. Großbritannien erwägt, aus der EU auszusteigen. Griechenland war kurz vor dem Euro-Rauswurf. Rechtspopulisten in Frankreich, Polen, Ungarn oder den Niederlanden fordern ein Ende der Gemeinschaft. Und der Terror von Paris zeigt, dass die Verletzlichkeit Europas erkannt und ausgenützt werden wird. Das kommende Jahr wird eine Bewährungsprobe für die EU sein. Es kommt mehr denn je darauf an, dass sich die Gemeinschaft einbringt und nicht auseinanderdividieren lässt. Deutschland, Frankreich oder Großbritannien werden sich allein nicht behaupten können in einer Welt, an deren entfernten Enden China längst auf dem Sprung ist und Staaten wie Brasilien oder Indien auf ihre Chance warten. Und Russland wird kein Friedensstifter in dem Maße sein wollen, wie wir Frieden und Freiheit definieren; auch Amerika nicht, schon gar nicht unter einem möglichen republikanischen Präsidenten. Ende 2016 wird die Welt wieder ein Stück weit neu vermessen sein. Ein geeintes und starkes Europa muss dabei eine entscheidende Rolle gespielt haben.

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