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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christine Straßer zu Jugendstudie

Regensburg (ots)

Desinteressiert, unideologisch, ausgesprochen pragmatisch. Mit derlei Stichworten haben Forscher die deutsche Jugend jahrelang beschrieben. Sie beklagten das schwindende Interesse junger Menschen, sich mit Politik zu befassen - der Spaß und der persönliche Erfolg gingen vor. Von einer Null-Bock-Mentalität war die Rede. Noch im Jahr 2002 befanden die Macher der Shell-Jugendstudie, dass junge Deutsche "Ego-Taktiker" seien. Sie interessiere nur, was ihnen selbst nutze. Doch jetzt deutet sich ein Wandel an. "Die junge Generation befindet sich im Aufbruch. Sie ist anspruchsvoll, will mitgestalten und neue Horizonte erschließen", sagt Studienleiter Professor Mathias Albert von der Universität Bielefeld. Mehr noch: Immer mehr junge Leute entdeckten auch die Politik wieder. Fast die Hälfte der 15- bis 24-Jährigen gab bei der Shell-Jugendstudie an, sich dafür zu interessieren. Dieser Anteil steigt seit 2002 stetig. Dennoch kommt das Ergebnis auch ein wenig unerwartet. In den vergangenen fünf Jahren hat es in Deutschland schließlich keinen wahrnehmbaren politischen Protest von Jugendlichen gegeben. In der Jugendstudie formulieren die Wissenschaftler äußerst vorsichtig, wollen noch nicht von einer neuen Generationengestalt sprechen. Aber es gebe Anzeichen, dass sich eine herausbildet. "Jugendliche wollen zupacken, wo sie es können, und sie orientieren sich dabei wieder vermehrt an Idealen", heißt es im Schlusskapitel. Wohin die Entwicklung nun geht, wird entscheidend davon abhängen, ob die jungen Leute auch den Platz bekommen, sich aktiv einzubringen. Denn eines zeigt die Studie sehr klar: Die Jugendlichen meiden etablierte Strukturen eher. Nur vier Prozent haben sich bereits in politischen Gruppen oder Parteien engagiert. Von den Parteien fühlt sich die Mehrheit nicht gehört. Es ist also eher zweifelhaft, dass sich das gestiegene politische Interesse dort in einer erhöhten Mitarbeit niederschlagen wird. Jugendliche leben ihre politischen Überzeugungen anders aus. Sie boykottieren Waren aus politischen oder ethischen Gründen oder unterzeichnen Petitionen. Beliebter als klassische Unterschriftenlisten sind dabei Online-Petitionen. Immerhin jeder Vierte hat schon einmal an einer Demonstration teilgenommen, und jeder Zehnte hat sich in einer Bürgerinitiative eingebracht. Vieles spricht dafür, dass sich mit Beteiligungsangeboten, die über das Internet zugänglich sind und in die sich Jugendliche online einbringen können, wichtige neue Möglichkeiten herstellen ließen. Meinungsfreiheit zählt für die Jugendlichen zu den wichtigsten Errungenschaften unserer Gesellschaft. Und gerade auch Meinungsabfragen und Teilhabe an Entscheidungsprozessen ließen sich ja auch über Internet organisieren. Anders als in den 1980er Jahren, als sich das politische Interesse vor allem aus einer Unzufriedenheit mit der gesellschaftlichen Entwicklung, insbesondere der fortschreitenden Umweltverschmutzung und der atomaren Aufrüstung speiste, scheinen die Jugendlichen sich heute einbringen zu wollen, weil sie das Gefühl haben, wieder etwas bewegen zu können. Ein Thema, dass die Jugendlichen besonders umtreibt, ist die Flüchtlingsfrage. Der Studie zufolge ist die Einstellung gelassen bis positiv. Obwohl deutlich mehr Menschen aus Krisengebieten zu uns flüchten als in den vergangenen Jahren, findet nur gut jeder dritte Jugendliche, dass Deutschland die Zuwanderung drosseln sollte. 2006 vertraten diese Meinung noch fast sechs von zehn Jugendlichen. Einschränkend muss man hinzufügen, dass die Befragungen bereits Anfang Januar bis Mitte März stattfanden. Die Zustimmungswerte könnten sich seitdem verändert haben. Wenn es jedoch andererseits stimmt, wie die Forscher den Prozess beschreiben, in dem die Jugendlichen zu einer eigenen Position finden, dann spricht das für ein weitgehendes Festhalten an den Positionen. In der Studie ist zu lesen, dass Jugendliche verstärkt Stellung beziehen. "Sie tun dies umsichtig abwägend; man erkennt deutlich das Bemühen, alle Positionen zunächst einmal gedanklich nachzuvollziehen, um dann eine eigene Position zu formulieren." Anders gesagt: Leicht machen es sich die Jugendlichen also nicht, bevor sie eine Meinung äußern.

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