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Mittelbayerische Zeitung

Mittelbayerische Zeitung: Betrug an den Jungen

Regensburg (ots)

Von Stefan Stark

Heute wird der Bundestag den größten sozialpolitischen Unfug aller Zeiten beschließen: Entgegen alle Vernunft werden die Abgeordneten - voraussichtlich mit großer schwarz-roter Mehrheit - ein Rentenpaket billigen, dem vor allem drei Etiketten anhaften: teuer, ungerecht, betrügerisch. Diese sogenannte Reform ist ein Verrat an der jungen Generation, die einmal die Zeche bezahlen muss. Der Sinneswandel bei den Großkoalitionären ist bemerkenswert. Vor der Bundestagswahl lief die SPD noch Sturm gegen den Unionsplan, die Sozialkassen für die Mütterrente zu plündern. CDU und CSU wiederum verteufelten damals die von den Sozialdemokraten propagierte Rente mit 63. Jetzt, da Union und SPD gemeinsam auf der Regierungsbank sitzen, wir beides beschlossen. Das ist Wahnsinn im schwarz-roten Quadrat. Oder anders gesagt: Ein rückwärtsgewandtes Projekt, mit dem die Früchte der Agenda-Politik verfrühstückt werden, schweißt diese Bundesregierung zusammen. Mit einer unglaublichen Ignoranz überhört die Koalition geflissentlich die Warnrufe der Deutschen Rentenversicherung ebenso wie die Mahnungen der Wirtschaft - und verpulvert die Milliardenreserven der Rentenkasse, die bald schmerzlich fehlen werden. Anstatt die Lasten auf viele Schultern zu verteilen, nimmt die Regierung die üblichen Verdächtigen aus - die Beitragszahler. Und wenn die Renten-Zeitbombe schließlich hochgeht, wird diese Regierung nicht mehr im Amt sein. Das ist Politik nach dem Motto: Nach uns die Sintflut! Nicht geschenkt, sondern verdient - mit diesem Mantra verteidigt Arbeitsministerin Andrea Nahles das Rentenpaket. Dazu lässt sich nur süffisant anmerken, dass sie das Geld jedenfalls nicht verdient hat für die nachträglichen Wahlgeschenke, die jetzt an ältere Mütter sowie langjährige Facharbeiter verteilt werden - jeweils Teile der klassischen Klientel von Union und SPD. Die meisten Abgeordneten und Minister haben nie oder nur geringfügig in die Rentenkasse eingezahlt. Die Politikerkaste hat für sich eine Luxus-Altersversorgung geschaffen, die ihr einen sorgenfreien Ruhestand garantiert. Wären die Parlamentarier normal rentenversichert - dieses Paket wäre nie gekommen. Die Probleme beginnen damit, dass die Koalition die eigentlich fällige Senkung des Rentenbeitrags streicht. Arbeit wird so zum Leidwesen der Unternehmen teurer gemacht, als sie sein müsste. Gleichzeitig müssen die Beschäftigten per schwarz-rotem Federstrich auf eine Entlastung bei den Sozialabgaben verzichten. Und trotz "Flexi-Rente" ist die Sorge vor einer Frühverrentungswelle nicht vom Tisch. Die größte Hypothek aber sind die Kosten des Rentenpakets von geschätzten 160 Milliarden Euro bis 2030. Das führt dazu, dass die Rücklagen der Rentenkasse schmelzen wie ein Eisbecher in der Sommersonne. Dann soll es nach den Koalitionsplänen einen Steuerzuschuss geben. Doch was, wenn die Wirtschaft nicht mehr so geschmiert läuft wie bisher und die Steuermilliarden nur noch spärlich sprudeln? Dann heißt es entweder Schulden machen für die Rente - oder man dreht an der Steuer- und Beitragsschraube. Die kosmetischen Korrekturen, die es am Rentenpaket gab, um wankelmütige Abgeordnete auf Koalitionslinie zu bringen ändern jedenfalls nichts an den wesentlichen Konstruktionsfehlern. Die von einigen Koalitionsabgeordneten angedrohte Rebellion wird sich bei der Abstimmung heute als Sturm im Wasserglas entpuppen. Vor allem die jungen schwarz-roten Parlamentarier sollten eigentlich - wenn sie das Gesetz durchwinken - gleich ihre Sachen packen. Sie müssen sich im Gegensatz zur Rentner-Riege im Parlament vorwerfen lassen, ihre eigene Generation im Stich gelassen zu haben. Denn für die Jüngeren ist das Rentenpaket doppelt ungerecht. Sie bezahlen die Zeche für die sozialen Wohltaten von heute. Und morgen, wenn sie selbst in Rente gehen, werden sie von den jetzigen Rentengeschenken nichts mehr haben - weil es dann nichts mehr zu verteilen gibt.

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