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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Sondierungsgespräch zwischen Union und Grünen: Der Kopf sagt SPD von Stefan Stark

Regensburg (ots)

Die Zeit für eine schwarz-grüne Ehe ist noch nicht reif. Merkel wählt die risikoarme Variante.

Schwarz und Grün: Wie schlecht diese Farben derzeit zusammenpassen, verraten die Schimpftiraden, die sich führende CSU- und Grünen-Politiker vor den gestrigen Sondierungen an den Kopf warfen. Von "Zynikern" war die Rede, von "Leuten von gestern", von "Kamikaze". Diese Wortwahl verdeutlicht, wie tief die Gräben zwischen Teilen der Union und dem linken Flügel der Grünen sind. Sie macht gleichzeitig klar, dass die Ängste vor dem krachenden Scheitern eines schwarz-grünen Experiments im Bund in beiden Lagern überwiegen. Die Zeit ist - im Moment - nicht reif für eine grüngesprenkelte Regierung Merkel. Allein die Vorstellung, wie sich am Kabinettstisch die CSUler Peter Ramsauer und Hans-Peter Friedrich einerseits sowie die Grünen Toni Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt auf der anderen Seite argwöhnisch belauern, wirkt kabarettreif. Viele Personen und Positionen verhalten sich zueinander wie Feuer und Wasser. Alles läuft auf eine große Koalition hinaus. Dafür gibt es aus Unionssicht mehrere triftige Gründe, aus denen weniger ideologische Motive sprechen, sondern der reine Pragmatismus. Es ist vor allem die SPD-Mehrheit im Bundesrat, die CDU und CSU vor einem Bündnis mit den Grünen abschreckt. Die Sozialdemokraten könnten alle wichtigen Gesetze einer schwarz-grünen Bundesregierung in der Länderkammer wieder einkassieren und so eine Nebenregierung bilden. Auf dieses Risiko würden sich Angela Merkel und Horst Seehofer nicht einlassen. Außerdem ist im Augenblick kaum einzuschätzen, in welche Richtung sich die nach ihrer Wahlschlappe geschwächten Grünen mit ihrer renovierten Führung entwickeln. Denn nach dem Abgang von Jürgen Trittin müssen die neuen Fraktionschefs zuerst einmal verhindern, dass ihnen der ganze Laden um die Ohren fliegt. Für viele - auch in der eigenen Partei - war Trittin eine große Reizfigur. Doch es gelang ihm, das linke Lager mit den Pragmatikern halbwegs zu versöhnen. Seine Nachfolger müssen gut aufpassen, dass es jetzt nicht zu erbitterten Flügelkämpfen zwischen Fundis und Realos kommt. Ein weiteres schlagendes Argument spricht gegen Schwarz-Grün: Diese Koalition würde den Willen der Wähler konterkarieren. Die Öko-Partei wurde für ihren radikalen Linksschwenk abgestraft. Die mageren 8,4 Prozent - noch hinter der Linkspartei - sagen eindeutig: Bleibt in der Opposition und nutzt die nächsten vier Jahre zum Nachdenken. Die Grünen sind - nach der FDP - die großen Wahlverlierer. Daraus den Auftrag für eine Regierungsbeteiligung zu konstruieren, wäre eine schwere Hypothek für Schwarz-Grün. Gleichzeitig würden sich viele Stammwähler der Ökopartei mit Grauen von einem Bündnis mit Merkel und Seehofer abwenden. Schon kurz, nachdem die ersten Hochrechnungen am Wahlabend über die Bildschirme flimmerten, brachte es die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner auf den Punkt: Der Bauch sagt Grün, der Kopf SPD. Das bedeutet konkret: Die Union geht auf Nummer sicher und wählt den Partner, der sich bereits zwischen 2005 und 2009 als verlässlich erwies. Es heißt aber auch, dass sich CDU und CSU mittelfristig nach einem neuen strategischen Partner umsehen müssen, da ihnen die FDP vorläufig abhandengekommen ist. Für die Vernunftehe - das schwingt in Klöckners Worten mit - ist die SPD die bessere Kandidatin. Für eine leidenschaftliche Beziehung jedoch, aus der sich wirklich etwas Neues entwickeln kann - auch wenn es manchmal heftig kracht - kommen mittelfristig eigentlich nur die Grünen in Frage. Das hätte für die Union den Charme, die strategische Option auf ein rot-rot-grünes Bündnis zu zerstören. Die Grünen wiederum würden sich von der Fessel befreien, die sie im Augenblick auf Gedeih und Verderb an die SPD kettet. Aus dieser Sicht waren die gestrigen Sondierungen keine sinnlose Schauveranstaltung, sondern ein erstes Rendezvous. Daraus könnte in vier Jahren ein heißer Flirt werden - unter zwei Bedingungen: Die FDP scheitert beim Comeback-Versuch. Und die Grünen sind bis dahin bereit, viele schwarze Kröten zu schlucken.

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