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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Papst Franziskus: "Das Projekt Franziskus" von Manfred Sauerer

Regensburg (ots)

Ein Papst, der offen für Veränderungen in der Kirche ist, der Lust an Erneuerung hat. Dass so einer kommt, hatten viele Katholiken gar nicht mehr zu hoffen gewagt. Und jetzt ist da dieser Franziskus, ein 76-jähriger Jesuit aus Argentinien, und stachelt die jungen Leute beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro quasi im Vorbeifahren an: "Macht Krach! Ich will Durcheinander, ich will Bewegung in den Diözesen". Und gleichzeitig prophezeit er das Ende aller Macht- und Einflussphantasien der Geistlichkeit. Weg mit diesem Klerikalismus! Die Kirche muss hin zu den Menschen, vor allem zu den Armen, Gestrandeten und Benachteiligten. Das ist Franziskus' Botschaft. Nach innen gewendet, hin zum Zentralismus der römischen Kurie, aber auch in viele rigide geführte Bistümer auf der ganzen Welt hineingerufen, kommen die Aufforderungen des ersten Papstes aus Südamerika einer Revolution gleich. Insofern wird sich Widerstand regen. Franziskus will eine Kirche, die den Menschen dient, deren Vertreter durch vorbildhaftes Verhalten überzeugen und damit dem Glauben neue Kraft und neues Vertrauen verleihen. Dieses Sich-klein-machen wird denjenigen zuwider sein, die den Glauben Kraft ihrer Autorität zu verbreiten gedenken und die es sich gut eingerichtet haben im geistlichen Machtapparat. In Rio stellte Franziskus seinen radikalen Worten noch schnell eine Entschuldigung an die Bischöfe in den Bistümern voran. Aber von seinem Weg wird er sich wohl nicht abbringen lassen. "Franziskus ist mehr als ein Name, es ist ein Projekt", sagt der bekannte brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff, der einst in den Laienstand zurückkehrte, weil er die ständigen Maßregelungen von Josef Ratzinger, dem damaligen Chef der Glaubenskongregation in Rom, nicht mehr ertrug. Mit dem Argentinier Bergoglio habe sich nun, so Boff, die Figur des Papstes verändert. Und mit dieser Figur hat sich auch eine Haltung, hat sich das Kirchenbild verändert. Viele träumen schon von einem neuen Konzil - einem Konzil, das der barmherzigen Volkskirche neuen Rückenwind verleiht und Reformen beschließt. Franziskus jedenfalls will Veränderung. "Menschen können sich ändern", rief er in Rio den Bewohnern eines Elendsviertels mit Blick auf die korrupten Eliten Brasiliens zu. "Gebt die Hoffnung nicht auf". Er will eine arme Kirche, die gerade daraus ihre Kraft schöpft und diejenigen, die in Macht, Geld und Besitz ihr Glück suchen, zu Gerechtigkeit und Solidarität bekehrt. Das klingt ein wenig romantisch, wird aber durch sein eigenes Handeln glaubwürdig. Und es ist ein Zeichen für die Katholiken. Denn nicht nur in Europa hat die Kirche ein Glaubwürdigkeitsproblem, sondern inzwischen auch in Lateinamerika. Dort laufen die zumeist armen Gläubigen vor allem in Brasilien zu den protestantischen Pfingstkirchen über und versprechen sich davon spirituelle Wunder. 1910 waren noch 90 Prozent der Einwohner Lateinamerikas Katholiken, 2010 nur noch 72 Prozent. Das große Ziel im Pontifikat Franziskus' heißt, für Gott wieder einen Platz mitten im Leben zu schaffen. Der Ansatz, dies zu schaffen, indem die Kirche den Menschen zum Maßstab allen Handelns macht, ist durchaus erfolgversprechend. Der Papst kennt aber auch die Hürden, die die Kurie inklusive der Hüter der Glaubensfragen hier aufstellen wird. Seine Parole für die Jugendlichen in Rio - "Ich will Durcheinander, ich will Bewegung" - wird er daher wohl auch bald durch die Gänge des Vatikans rufen. Wünschen wir ihm, dass er dort genügend begeisterte Zuhörer findet. Und wünschen wir ihm eine robuste Gesundheit.

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