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Mittelbayerische Zeitung: Schwarz-Gelb in Bayern provoziert das eigene Ende Im Januar zeigt sich, ob Horst Seehofer Neuwahlen riskiert und die FDP alles auf eine Karte setzt. Leitartikel von Christine Schröpf

Regensburg (ots)

Niemals zu sicher fühlen: Diese Lektion braucht die Politik immer wieder neu. Es ist atemberaubend, wie rasch sich nach der Zulassung des Volksbegehrens gegen Studiengebühren über Schwarz-Gelb dunkle Wolken zusammengebraut haben und wie schnell CSU und FDP in dieser ungemütlichen Wetterlage gegeneinander in die Schlacht gezogen sind. Davor schien für das Regierungsbündnis alles auf gutem Weg, die Opposition weit auf Distanz. Nun aber provoziert Schwarz-Gelb das eigene Ende. Selbst wenn man aus Räson bis zur Landtagswahl 2013 zusammenbleiben sollte, ist klar: der Wechselwille ist derzeit im Regierungslager mindestens so groß wie in der Opposition. Wie will man im Wahlkampf irgendjemand glauben machen, dass man die Zusammenarbeit gerne fortsetzen würde? Nach vier Jahren ist die nie besonders herzliche Beziehung auf neuem Tiefpunkt. Der Streit um die Studiengebühren entwickelt unkontrollierbare Eigendynamik. Beim FDP-Landesparteitag am Wochenende legen die Jungen Liberalen mit einem Dringlichkeitsantrag nach. Tenor: Nur nicht gegenüber der CSU klein beigeben. Seit Beginn der Krise wird mehr über als miteinander geredet. Ministerpräsident Horst Seehofer verkündete via Medien, dass mit der Koalitionsdisziplin für die CSU Schluss ist, wenn das Volksbegehren bei der Eintragungsfrist in der zweiten Januarhälfte die nötige Zahl von rund 950 000 Unterschriften erreicht. FDP-Fraktionschef Thomas Hacker ließ Seehofer via Landtagspresse ausrichten, dass in diesem Fall der Koalitionsbruch ohne weiteres Reden perfekt ist. Schon gleich nach der Urteilsverkündung im Oktober kam Sand ins Getriebe: Aus der FDP-Spitze waren Wirtschaftsminister Martin Zeil und Hacker zu dieser Zeit in den USA und Kanada - sie unterschätzten weit weg und in einer anderen Zeitzone die Lage. Die CSU daheim in Bayern preschte vor und vergaß , wie so gerne, vorher den Koalitionspartner zu fragen. Die schwerste Krise von Schwarz-Gelb in Bayern ist auch eine Kommunikationskrise. Keiner kann nun seine Stellungen ohne Gesichtsverlust verlassen. Die CSU mit 92 Abgeordneten wird sich von der 16 Mitglieder starken FDP nicht lange vorführen lassen. Wobei die Liberalen selbst nicht so felsenfest hinter Studiengebühren, wie es Hacker gerne hätte. Die ostbayerischen Abgeordneten Andreas Fischer und Thomas Dechant verweigern ihm die Gefolgschaft - sie werden sich bei Abstimmungen bestenfalls nur der Stimme enthalten. Zwei weitere liberale Abgeordnete, die ebenfalls ins Wanken gekommen waren, konnte er auf Parteilinie bringen. Jenseits des Pulverdampfs: Gegner und Befürworter der Studiengebühren verfügen über schlüssige Argumentationsketten. Die einen haben die Finanzen des Staates im Blick. Etwa 180 Millionen Euro müssen bei einer Abschaffung jedes Jahr an den Hochschulen kompensiert werden. Auch das reiche Bayern hat bekanntlich hohe Schulden. Die Gegenseite sieht es als zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe, eine Hürde zu beseitigen, die sozial Schwächere trotz aller Härtefallregelungen das Studieren schwer macht. Eine Position, mit der Seehofer immer sympathisierte - auch wenn er das seit seinem Amtsantritt aus mehr oder weniger guten Gründen nie so laut bekundete wie jetzt. Erst ließ die Finanzlast der BayernLB-Affäre wenig Spielraum. Sein Vorstoß gegen die Campus-Maut im Sommer 2011, als sich auf den Konten der Hochschulen Studiengebühren in in dreistelliger Millionenhöhe angesammelt hatten, wurde von CSU und FDP energisch weggebügelt. So hat jetzt auch die CSU-Fraktion das größte Glaubwürdigkeitsproblem. Im Januar kommt es zum Schwur: Das Volksbegehren hat aller Voraussicht nach die nächste Hürde genommen. Die Landtagswahl in Niedersachsen ist vorüber - und Bayern womöglich das einzige verbliebene Bundesland mit Campus-Maut. Neue, wichtige Umfrageergebnisse liegen in den Parteizentralen. Dann wird sich zeigen, ob die CSU vorzeitige Neuwahlen riskiert und die FDP es darauf ankommen lässt, wacker die eigene Meinung zu vertreten und dafür unterzugehen.

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