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Kommentar zum Brexit: Frieden, Sicherheit und Wohlstand Von Christian Rein

Aachen (ots)

Es gibt Bilder, die brennen sich tief ein in das kollektive Gedächtnis, weil sie eine viel größere Bedeutung haben als das Ereignis selbst, das sie zeigen. Etwa als sich Bundeskanzler Helmut Kohl und Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand 1984 auf einem deutschen Soldatenfriedhof in Verdun die Hände reichten, um der im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten zu gedenken. Die Geste allein ist für Politiker schon äußerst bemerkenswert. Doch was sie aussagte, hatte umso größeres Gewicht: Anhaltender Friede ist möglich - auch zwischen Völkern, die in nicht allzu ferner Vergangenheit noch aufs Schlimmste verfeindet waren.

Frieden, Sicherheit und Wohlstand - das ist das Versprechen der Europäischen Union. Es hält seit den 1950er Jahren bis heute, und die EU ist dafür zu Recht 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Den ehemals verfeindeten Nachbarn diesseits und jenseits des Rheins war das immer auch eine besondere Verpflichtung, weshalb die Achse Berlin (beziehungsweise Bonn) - Paris auch stets eine besondere Verbindung war. Nicht umsonst ist vom deutsch-französischen Motor Europas die Rede.

"I want my money back!"

Vielleicht ist es angesichts dessen unfair, den Briten vorzuhalten, dass es keine solch markanten Bilder mit ihren Premierministern gibt. Die gibt es ja schließlich auch nicht mit Staatenlenkern vieler anderer EU-Staaten. Vielleicht fangen aber auch genau da die Missverständnisse zwischen den Briten und den übrigen EU-Staaten an. Denn von ihrem Selbstverständnis her - als ehemalige Weltmacht mit dem immer noch großen Commonwealth im Rücken, als ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat und vor allem als eine der stärksten Volkswirtschaften des Kontinents - wollten die Briten stets eine herausragende Rolle einnehmen. Wahrgenommen wurden sie zumeist als launische Diva, als Außenseiter, als "die von der Insel" - wozu die Briten freilich selbst ordentlich beigetragen haben.

Vom Verhältnis der Briten zum Rest der EU bleibt vor allem ein markanter Satz: "I want my money back!" ("Ich will mein Geld zurück!") Gesagt hat ihn die britische Premierministerin Margaret Thatcher, und zwar rein zufällig ebenfalls 1984 in Frankreich - beim EU-Gipfel in Fontainebleau. Fortan bekamen die Briten zwei Drittel ihrer Nettobeiträge an den EU-Haushalt zurückerstattet.

Mit den Sätzen, die sich ins kollektive Gedächtnis einbrennen, verhält es sich aber ähnlich wie mit den Bildern: Sie haben eine größere Bedeutung als die eigentliche Aussage. Thatchers Satz bedeutete: Mir ist die EU eigentlich egal, aber ich mache mit, solange am Ende die Kasse stimmt.

Kein Grund zur Schadenfreude

Wirtschaftsunion oder Wertegemeinschaft? Die EU war immer beides. Vielleicht ist aber auch das Teil des Missverständnisses zwischen den Briten und dem Rest der EU: Die Briten haben die EU wohl eher als eine Art Freihandelszone begriffen. Doch wenn man die Wirtschaftsunion will, dann muss man auch die Wertegemeinschaft akzeptieren.

Dass die Briten die EU verlassen, ist ein schwerer Schlag für die europäische Idee. Es gibt aber keinen Grund für ein schadenfrohes "Ihr werdet schon noch sehen" in Richtung London. Stattdessen sollte die EU diesen Schuss vor den Bug ernstnehmen und sich besinnen, denn Missverständnisse gibt es längst auch mit anderen Mitgliedsstaaten wie Polen oder Ungarn.

Frieden, Sicherheit und Wohlstand, das erfordert Solidarität, Rücksichtnahme und Kompromisse. Es erfordert gemeinsame Werte. Es erfordert einen deutsch-französischen Motor, der nicht stottert. Und vielleicht erfordert es auch neue Bilder, die sich tief in das kollektive Gedächtnis einbrennen und den Menschen die Bedeutung eines geeinten Europas vermitteln.

Pressekontakt:

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Redaktion Aachener Nachrichten
Telefon: 0241 5101-388
an-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de

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