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Aachener Nachrichten: Kommentar zu Merkels Halbzeitbilanz: Moderieren alleine reicht nicht

Aachen (ots)

Von Joachim Zinsen / Von Gerhard Schröder hieß es
immer, er sei ein Medienkanzler. Unterschwellig schwang in dieser 
Aussage stets der Vorwurf mit, Schröder lege bei seiner Politik mehr 
Wert auf Image und Verpackung, als auf den Inhalt. Angela Merkel ist 
mit solch einem Verdacht bislang noch nicht konfrontiert worden. Das 
verwundert. Denn auch sie ist vor allem eine Meisterin der 
politischen Inszenierung.
Schröder versuchte sich in seiner Kanzlerzeit als Macher zu 
präsentieren. Merkel hingegen arbeitet fleißig daran, der 
Öffentlichkeit als große Moderatorin zu erscheinen. In der 
Außenpolitik ist ihr das während des vergangenen halben Jahres auch 
gelungen.
Gründe dafür gibt es mehrere. Der wichtigste: Dank ihrer Rolle als 
Präsidentin sowohl bei den EU- als auch beim G8-Treffen stand die 
Kanzlerin qua Amt im medialen Focus. Das hat sie geschickt genutzt. 
Und zwar immer nach dem gleichen "Gipfel-Prinzip". Vor den 
Zusammenkünften betonte ihre Entourage stets die enorm schwierige 
Sachlage, die auf die Kanzlerin warten würde. Im Anschluss an die 
Treffen konnten ihre persönlichen Verpackungskünstler dann selbst die
kleinsten Fortschritte um so einfacher als historische Großtaten der 
Moderatorin Merkel verkaufen. So war es nach dem EU-Klimagipfel. So 
war es nach dem EU-Verfassungsgipfel. Am augenfälligsten aber war es 
nach dem G8-Treffen in Heiligendamm. Selbst das Wiederholen alter, 
bislang nicht eingehaltener Versprechen, wurde damals als 
diplomatisches Meisterwerk der Kanzlerin verkauft. Die 
Hofberichterstatter von Deutschlands größtem Boulevardblatt ernannten
sie daraufhin prompt zur "Miss World" und auch andere Zeitungen taten
so, als sei Frau Merkel das ultimative Spitzenprodukt der politischen
Evolution.
Der Fall Schäuble
Nun ist die Außenpolitik weit weg. Bei ihr kann man im Vagen bleiben.
Es zählen die großen Überschriften. Viel beschwerlicher ist das 
Geschäft in den Niederungen der Innenpolitik. Zwar versucht Merkel 
ihr "Gipfel-Prinzip" auch auf nationaler Ebene zu spielen - jüngstes 
Beispiel ist der Integrationsgipfel. Doch auf Dauer wird das 
schwerlich als Erfolgsrezept reichen.
In der Innenpolitik zählt das Konkrete. Merkel aber pflegt auch hier 
ihren Hang zum Ungefähren. Überdeutlich wurde das gestern wieder bei 
ihrer Halbzeitbilanz. Da bringt der Bundesinnenminister seit Wochen 
mit seiner Scharfmacherei die politische Klasse bis hin zum 
Bundespräsidenten auf die Palme und alles, was der Kanzlerin dazu 
einfällt, ist, dass es keine Denkverbote geben dürfe. Ein klares Wort
zum Inhalt der Schäuble-Vorschläge? Fehlanzeige.
Führungskraft
Das findet ihre Fortsetzung bei anderen innerkoalitionären 
Streitthemen. Mindestlohn und Atomkraft sind nur zwei davon. Wie ist 
Merkels Haltung dazu? Wann will die Kanzlerin diese heißen Eisen 
anpacken? Wohin plant sie den Zug zu steuern? Man möchte es gerne 
wissen. Doch die Kanzlerin bleibt im Nebulösen. Schnell drängt sich 
da die Frage auf: Weiss Frau Merkel es etwa selbst nicht?
Wenn die SPD inzwischen stärkere Führungskraft von der Kanzlerin 
einfordert - es muss ja nicht gleich die polternde Art von Schröder 
sein -, ist das natürlich auch ein machtpolitisches Manöver. Von der 
Sache her ist es dafür aber noch lange nicht falsch. Merkel kann 
moderieren, sie muss aber auch Farbe bekennen. Irgendwann nämlich 
werden selbst schön inszenierte Pressekonferenzen und ein entspanntes
Lächeln der Kanzlerin nicht mehr alle Probleme übertünchen können.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Aachener Nachrichten
von Wilpert Wolfgang
Telefon: +49(0)241/510 418
w.vwilpert@zeitungsverlag-aachen.de

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