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WAZ: Der Machtkampf im Iran - Eine Diktatur wankt - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Neda. Eine 27-jährige Philosophie-Studentin liegt
auf dem Asphalt, und, getroffen von einem Regime-Scharfschützen, 
stirbt sie, dokumentiert im Internet, vor den Augen der Welt. War das
der magische Moment, in dem das Schicksal sich wendet, weil 
Geschichte für einen tragischen Moment still steht, um dann eine 
andere Richtung zu nehmen? Zwingend ist das nicht. Aber es könnte 
sein; immerhin, vor 30 Jahren, als der Schah stürzte, war es so. Wie 
also enden Diktaturen?
Erstens: Sie ersticken an ihrer übersteigerten 
Selbsteinschätzung. Theokratien sind für die Hybris der Macht 
besonders anfällig: Sie reden sich solange ein, im Namen des 
Unwiderlegbarsten, Gott also, zu handeln, bis sie dieser Illusion 
erliegen.
Zweitens: Sie implodieren an ihren Machtkämpfen. Niemand, weder 
im Iran noch im Westen, weiß, wie mächtig der mächtigste Mann ist: 
Religionsführer Chamenei. Es ist aber deutlich geworden, dass er 
Widersacher hat im Klerus, einige seiner Weggefährten sympathisieren 
offen mit der Opposition. Chamenei hat sein Schicksal mit dem 
Ahmadinedschads verbunden - ein Zeichen der Schwäche. Der Präsident 
hat die Wahl gefälscht, der Wächterrat hat dies öffentlich quasi 
zugegeben. Einheitliche Führung sieht anders aus.
Drittens: Sie verlieren ihr Volk. Auf dem Land mögen sich die 
Perser an den Islamisten festhalten, in den Städten machen die Jungen
die Stimmung; und immer stärker die Frauen. Sie haben das allergrößte
Motiv: persönliche Freiheit. Erst schickt man sie auf die 
Universitäten, anschließend müssen sie zurück in die männerdominierte
Steinzeit. Davon haben sie die Nase voll. Darüber hinaus ist die 
Arbeitslosigkeit bedrückend hoch, die Aufstiegsperspektive niedrig. 
Diesen Grund für Widerstand hat die Regierung selbst zu verantworten.
Viertens: Sie büßen ihr Sprachmonopol ein. Die Regierung hat es 
nicht mehr auf der Straße, schon gar nicht im Internet. Vielleicht 
heißt es eines Tages: Das war die erste Diktatur, die 
hinweg-gezwitschert (getwittert) wurde.
Fünftens: Sie verlieren den Kampf der Köpfe. Chamenei ist kein 
geachteter Führer mehr, sondern ein verachteter Unterdrücker. Mussawi
ist keine Lichtgestalt; aber Gorbatschow wurde auch nicht als "Gorbi"
geboren, der dem Rad der Geschichte in die Speichen griff. Wie immer 
es ausgehen mag - eins steht jetzt schon fest: Die Welt denkt anders 
über die Menschen im Iran.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
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