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Lausitzer Rundschau: Die Lausitzer Rundschau Cottbus Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über vorgezogene Wahl: Urteil mit Beigeschmack

Cottbus (ots)

Das gestrige Urteil des Bundesverfassungsgerichts
fiel mit sieben zu einer Stimme klarer aus, als manche Skeptiker das
erwartet hatten. Politisch und als Wähler darf man mit dem Karlsruher
Spruch zufrieden sein. Die heiße Phase des Wahlkampfes ist längst
eingeläutet. Man mag sich deshalb nicht vorstellen, was passieret
wäre, hätten die Richter gestern anders entschieden. Ein Nein zur
Neuwahl wäre einer politischen Katastrophe gleichgekommen: Ein
Kanzler, der über eine inszenierte „gescheiterte Vertrauensfrage“ die
Neuwahl provozierte, stünde als Blamierter da. Ein Bundespräsident,
der nach gründlichem Nachdenken schließlich der Argumentation Gerhard
Schröders folgte, wäre ein böse Düpierter, der womöglich über seinen
Rücktritt hätte nachdenken müssen. Die Mehrheit der Abgeordneten des
Bundestages wäre brutal ausgebremst und vor den Kopf gestoßen worden.
Die Stimmung im Land ist in den vergangenen Wochen buchstäblich über
die Verfassungsrichter hinweggerollt. Deshalb aber zu meinen, die
Hüter des Grundgesetzes hätten angesichts dieser erdrückenden Fakten-
und Stimmungslage ja gar nicht mehr anders entscheiden können, hieße,
die absolute Unabhängigkeit des höchsten deutschen Gerichts völlig
falsch einzuschätzen. Es hat das letzte Wort. Und davon haben die
Richter, oftmals zum Leidwesen der Regierenden, immer wieder souverän
Gebrauch gemacht. Karlsruhe konnte im Fall dieser Neuwahl gar nicht
anders entscheiden, wollte es die wegweisenden Leitsätze seines
Urteils von1983 nicht spektakulär aushebeln. Eben an diese Vorgaben
hatten sich sowohl Gerhard Schröder als auch Horst Köhler in ihren
Begründungen für eine Neuwahl am 18. September penibel entlang
gehangelt. In einem Leitsatz von damals heißt es sinngemäß, dass der
Bundeskanzler sich die Vertrauensfrage mit Vorsatz negativ
beantworten lassen dürfe, wenn er den Eindruck habe, dass eine Lage
vorläge, die eine „vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene
Politik nicht mehr sinnvoll“ möglich mache. Schröder war und ist mit
Blick auf die rot-grüne Koalition genau dieser Meinung. Der
Bundespräsident kam zu keiner anderen Einschätzung, weil auch er sich
an eine weitere Vorgabe von 1983 hielt, die besagt, dass der
Präsident im Kern „die Einschätzungs- und Beurteilungskompetenz des
Bundeskanzlers zu beachten“ habe. Folglich konnte das Gericht gestern
gar nicht anders entscheiden. Es stärkte dem Kanzler rechtlich und
politisch sogar noch den Rücken, bei der Wahl könnte er allerdings
der große Verlierer sein. Es bleibt gleichwohl ein fader
Beigeschmack, den auch Senatspräsident Winfried Hassemer nicht vom
Tisch wischen wollte, als er gestern meinte, eine Erosion der
Regierungsarbeit und der nicht offen gezeigte Entzug des Vertrauens
lassen sich ihrer Natur nach nicht ohne Weiteres in einem
Gerichtsverfahren darstellen und festlegen. Eine unechte
Vertrauensfrage, ist aber nach wie vor kein wirklich überzeugender
Weg, um in politisch verfahrener Lage zu Neuwahlen zu kommen. Es ist
deshalb an der Zeit, dass sich alle Parteien gründlich Gedanken
darüber machen, was man an die Stelle der unwürdigen
Hilfskonstruktion setzt. Der Deutsche Bundestag sollte ernsthaft
diskutieren, welcher Weg zu einem akzeptablen Selbstauflösungsrecht
des Bundestages via Grundgesetzänderung führt.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau

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