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Lausitzer Rundschau: Die Koalition, ihre Reformen und das Volk

Cottbus (ots)

"Gesetzesreformen, sind nur dann wohltätig, wenn
sich die Lebensverhältnisse, Sitten und Rechtsauffassungen geändert 
haben und die alten Gesetze nicht mehr dazu passen. Reform der 
Gesetze muss dem Wandel der Sitten folgen. Aber sie darf ihm nicht 
vorauseilen oder ihn gar erst herbeizwingen wollen; dann tut sie weh 
und weckt Widerstand." Sebastian Haffner, der große Publizist, hat 
diese Sätze in seinen "Ansichten eines Wechselwählers" geschrieben - 
und dass an ihnen etwas Wahres sein muss, zeigt eine kürzlich in der 
"Zeit" erschienene Umfrage. Ihr kurz zusammengefasstes Ergebnis: Die 
Große Koalition, die es bei der Wahl 2005 zusammen auf rund 70 
Prozent der Wählerstimmen brachte, verfolgt in zentralen Fragen eine 
komplett andere Politik, als sie sich die Mehrheit der Bevölkerung 
offenbar wünscht. So sind 72 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass 
die Bundesregierung zu wenig für die soziale Gerechtigkeit tut. 82 
Prozent wollen die Rente mit 67 wieder abgeschafft sehen. 62 Prozent 
lehnen die Bundeswehr-Einsätze in Afghanistan ab. Und 67 Prozent 
finden, dass Unternehmen wie die Bahn oder die Telekom besser in 
Staats- als in Privatbesitz sein sollten. Letzteres sehen übrigens 
sogar 71 Prozent der Unions- und 57 Prozent der FDP-Wähler so. 
Natürlich darf sich Politik nicht darauf beschränken, nur jene 
Projekte anzugehen, für die es gerade eine Mehrheit in den Umfragen 
gibt. Verantwortliche Führung heißt manchmal auch, unbequeme, aber 
als notwendig erkannte Ziele gegen Widerstände durchzusetzen. Dann 
aber gilt es, für diese Ziele durch Überzeugungsarbeit wenigstens im 
Nachhinein Mehrheiten zu schaffen. Mindestens an dieser Stelle hat 
die Große Koalition bisher offenbar versagt. Aber die Zahlen weisen 
in ihrer Eindeutigkeit auf mehr hin, als nur auf ein 
Kommunikationsproblem: Möglicherweise lassen sie sich damit erklären,
dass die Sicht auf jene von Haffner genannten Lebensverhältnisse in 
Deutschland eine völlig andere ist, je nachdem, ob man sie vom 
"Raumschiff Berlin" aus betrachtet oder aus einem Lausitzer Dorf 
beziehungsweise einer strukturschwachen Stadt im Ruhrpott. Zwar 
dürften in ihren Wahlkreisen fest verwurzelte Abgeordnete weniger 
anfällig sein, die Bodenhaftung zu verlieren. Aber ein großer Teil 
der Gesetze wird in Deutschland mittlerweile eben nicht mehr im 
Parlament entwickelt sondern in der Ministerialbürokratie. Unter der 
mehr oder minder segensreichen Mitwirkung sogenannter Experten - gut 
dotierte Hochschulprofessoren, namhafte Unternehmensberater, 
Lobbyisten. Die Folgen dieser Entwicklung sind dramatisch: Sie zeigen
sich im Mitgliederschwund bei Union und SPD, in der Stärkung der 
politischen Ränder, im Vertrauensverlust der Bürger in die 
parlamentarische Demokratie insgesamt. Niemand will einem gnadenlosen
Populismus das Wort reden - aber vielleicht sollten sich die beiden 
in der Großen Koalition vereinten Volksparteien doch hin und wieder 
mal an Martin Luthers Motto "Dem Volk aufs Maul" schauen erinnern. 
Jedenfalls dann, wenn sie Volksparteien bleiben wollen.

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