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Lammleber trotz Dioxin-Belastung auf dem Markt
Kompetenzstreit zwischen Bund und Ländern
Foodwatch spricht von Skandal

Berlin (ots)

Lammleber ist trotz ständiger Überschreitungen des Dioxin-Grenzwerts weiter auf dem Markt. Das ergab eine Stichprobe der taz (Wochenendausgabe) in türkischen Lebensmittelgeschäften in Berlin, Hannover und Frankfurt am Main. Ein taz-Reporter hatte im Mai fünf Läden gefragt, ob sie Lammleber führen. Vier hatten das Produkt im Angebot. Bereits im Januar hatten von acht angefragten Läden die Hälfte Lammleber vorrätig.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte schon im April 2009 auf seiner Internetseite klar davon abgeraten, überhaupt noch Schafleber zu essen. In 94 Prozent von 140 Leberproben aus sechs Bundesländern sei mehr des Gifts enthalten als von der EU erlaubt. Die Belastung war dem Gutachten zufolge "in den meisten Proben sehr hoch" - teilweise 42-mal höher als der gesetzliche Grenzwert.

Die zuständigen Beamten der Länder forderten im November vom Bund, per Verordnung den Verkauf von Schafleber aus Deutschland zu verbieten, wie eine Sprecherin der Bremer Gesundheitssenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) berichtet. Doch diese Forderung hat der Bund bis heute - sechs Monate später - nicht erfüllt.

Stattdessen verweist der Bund auf die Länder. Die müssten die Dioxingrenzwerte durchsetzen, sagte ein Sprecher von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) auf Anfrage der taz. Dabei ermächtigt das Lebens- und Futtermittelgesetzbuch den Bund, "zur Abwehr einer Gefahr für die menschliche Gesundheit" Lebensmittel zu verbieten.

Der Geschäftsführer der Verbraucherorganisation Foodwatch, Thilo Bode, hält das für einen "Skandal". Er warf den Behörden vor, untätig zu sein. Der repräsentativen Nationalen Verzehrstudie der Bundesregierung zufolge essen in Deutschland nur rund 750.000 Menschen mindestens einmal pro Monat Schafsleber - die meisten sind türkischer Abstammung. Bode sagte, immer wenn es um Minderheiten gehe, erregten die Giftbelastungen anders als die Dioxinfunde in Schweinefleisch und Hühnereiern zur Jahreswende nur geringes Medieninteresse. "Es fehlt der öffentliche Druck, damit die Behörden handeln. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit gilt aber auch für Minderheiten." Er forderte, zum Beispiel Dioxintests vorzuschreiben - in der Praxis käme das einem Verbot gleich, weil die Tests mehr kosten als die Leber.

Weder das Bundesinstitut für Risikobewertung noch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit konnten bisher klären, wie die Dioxine in die Tiere gelangten. Sicher ist nur, dass die Chemikalien hauptsächlich bei der Metallproduktion oder in Müllverbrennungsanlagen entstehen und in die Atmosphäre entweichen. Dann kann sich dioxinhaltiger Staub im Boden und zum Beispiel auf Gras ablagern. Wenn Tiere das fressen, nehmen sie das Gift zu sich.

Pressekontakt:

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Redaktion Wirtschaft und Umwelt
Jost Maurin
Telefon: 030 259 02-227

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