ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Medien-Info: Aktuelle „Ghent Study 2.0“ zeigt prekäre Arbeitsbedingungen im Luftverkehr – ver.di sieht dringenden Handlungsbedarf für faire Beschäftigung und mehr Sicherheit
Aktuelle „Ghent Study 2.0“ zeigt prekäre Arbeitsbedingungen im Luftverkehr – ver.di sieht dringenden Handlungsbedarf für faire Beschäftigung und mehr Sicherheit
Die heute vorgestellte „Ghent Study 2.0“, eine europaweite Untersuchung der Universität Gent in Zusammenarbeit mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) als Teil der Europäischen Transportarbeiter Föderation (ETF) und mit Branchenverbänden, offenbart inakzeptable Missstände bei den Arbeitsbedingungen von Flugzeugbesatzungen.
Die Studie macht klar: Immer mehr Pilotinnen und Piloten sowie Kabinenbeschäftigte haben atypische bis prekäre Beschäftigungsverhältnisse – darunter Leiharbeit, befristete Verträge, Pseudo-Teilzeitverträge und Scheinselbstständigkeit. Besonders stark betroffen sind Crews in Billigfluggesellschaften und Wet-Lease-Fluggesellschaften, die komplette Maschinen samt Besatzung und Wartung mieten und auch im Auftrag deutscher Fluggesellschaften unterwegs sind. Die Beschäftigten dort leiden vielfach unter unsicheren Verträgen, unregelmäßigen Dienstplänen und sehr hoher Arbeitsbelastung.
„Die Ghent Study 2.0 bestätigt, was viele Crews täglich erleben: unsichere Jobs, ständige Verfügbarkeit, wachsende psychische und physische Belastungen“, sagte Dennis Dacke, ver.di-Bundesfachgruppenleiter Luftverkehr und Maritime Wirtschaft, am Freitag. „Der Befund ist alarmierend, denn solche Arbeitsbedingungen gefährden nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten, sondern auch die Sicherheit im Luftverkehr.“ Dacke betonte, dass dies auch in Deutschland tätige Airlines betreffe, laut Studie insbesondere Ryanair und deren in Deutschland operierende Tochtergesellschaften wie Malta Air sowie die ungarische WizzAir, die auch viele Flüge ab Deutschland durchführt.
Disruptive Dienstpläne, Verspätungen und immer häufigere Bereitschaftsdienste erzeugen laut Ghent Study 2.0 erhöhten Stress und bringen zusätzliche Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Die hohen Belastungen für das Flugpersonal zeigen sich in gesundheitlichen Problemen wie Schlafschwierigkeiten oder chronischer Erschöpfung (Fatigue-Syndrom). Hinzu kommen berufsspezifische Risiken, die sich häufen – wie sogenannte Fume-Events, bei denen die Kabinenluft durch Schadstoffe aus Öl- oder Hydraulikflüssigkeiten der Triebwerke kontaminiert wird. „Diese Kombination von prekären Arbeitsverhältnissen, Stressfaktoren und besonderen Gesundheitsgefährdungen führt unweigerlich zu Sicherheitsrisiken, die wir uns im Luftverkehr nicht leisten können“, erklärte Dacke.
Als Gegenmaßnahmen schlägt die Studie eine europaweite Regulierung gegen Scheinselbstständigkeit und prekäre Vertragsmodelle sowie stärkere Schutzmaßnahmen für die Crew-Gesundheit vor. „Diese Forderungen unterstützt ver.di nachdrücklich“, sagte Dacke. Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse verbinde sich ein klarer Appell an EU-Institutionen, nationale Regierungen und Airlines, die Arbeitsverhältnisse gerade in postpandemischen Zeiten wieder sicherer zu machen. Nötig sei ein entschiedenes Gegensteuern bei der erkennbaren branchenweiten Verschlechterung der Arbeitsbedingungen (Level-Down-Konvergenz), die nicht nur Billigflieger betreffe. Auch die Sozialpartner seien aufgefordert, den Fokus wieder klar auf bessere Beschäftigungsbedingungen zu legen. Dacke: „Faire Beschäftigung und psychosoziale Gesundheit sind Grundpfeiler der Flugsicherheit.“
Hintergrund zur „Ghent Study 2.0“: Die Studie mit dem Titel “UGent 2.0 – Evolving social challenges for aircrew and the need for regulatory response” wurde vom International Research Institute on Social Fraud and Social Criminal Law (IRIS-Institut) der Universität Gent durchgeführt, von der Europäischen Kommission finanziert und vom europäischen Gewerkschaftsdachverband im Luftverkehrssektor (ETF) sowie Branchenverbänden (ECA, ENAA) unterstützt. Die Untersuchung knüpft an die erste „Ghent Study“ von 2015 an, die bereits einen hohen Anteil atypischer Beschäftigungsverhältnisse unter Piloten nachwies. Die Neuauflage erweitert den Fokus auf das Kabinenpersonal und untersucht neben Vertragsformen auch die psychosozialen und gesundheitlichen Auswirkungen.
Für Rückfragen: Dennis Dacke, ver.di-Bundesfachgruppenleiter Luftverkehr und Maritime Wirtschaft, +49 (0)171 3009154
V.i.S.d.P.
Jan Thomsen ver.di-Bundesvorstand Paula-Thiede-Ufer 10 10179 Berlin Tel.: 030/6956-1011, -1012 E-Mail: pressestelle@verdi.de www.verdi.de/presse