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Menschen mit beidseitiger Amputation versorgen
Virtuelles Symposium von Ottobock

Menschen mit beidseitiger Amputation versorgen / Virtuelles Symposium von Ottobock
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„Menschen mit beidseitiger Amputation versorgen“

Virtuelles Symposium von Ottobock zeigt Herausforderungen und Chancen der bilateralen Prothesenrehabilitation

Duderstadt, 23. September 2022 – Bilateral Oberschenkelamputierte mit Prothesenversorgung sind noch immer eine wenig untersuchte Patientengruppe. Daher hat Ottobock am 13.9.22 das virtuelle Live-Symposium „Menschen mit beidseitiger Amputation: Ein komplexer Ausgangspunkt für die Rehabilitation mit einem mikroprozessor-gesteuerten Kniegelenk (MPK)“ ausgerichtet. 340 Experten aus 36 Ländern, die sich mit der Patientenversorgung im Bereich der ein- und beidseitigen Amputation befassen, haben teilgenommen. Die meisten Ergebnisse zu diesen Patienten beruhen auf Fallstudien oder kleinen Stichproben. Daher lag der Schwerpunkt des Symposiums auf dem Austausch von Prozessen und Best-Practice-Beispielen.

Michael Carroll, PhD, CPO, FAAOP(D) – Wissenschaftler und zertifizierter Orthopädietechniker des US Department of Veterans Affairs und Assistenzprofessor an der University of Central Florida – erläuterte seine Prozessschritte für bilaterale Oberschenkelamputierte von der Genesung bis zur Mobilität. Da die Anzahl an Amputationen steige, u.a. durch Diabetes, vaskuläre Erkrankungen und Traumata, sei ein Einsatz von Prothesen in allen Stadien der Rehabilitation sinnvoll. Patienten, die aufgrund eines Traumas amputiert werden, seien oft jüngeren Alters. Die Prothesennutzung sorgt für einen aktiveren, gesünderen Lebensstil und verringere so die Gefahr von Diabetes, Gefäßerkrankungen und vorzeitigem Tod. „Viele meiner Patienten berichten nach der Amputation von einer besseren Lebensqualität durch die Prothese, sind nicht mehr auf Rollstuhl oder Krücken angewiesen und haben teilweise auch weniger Schmerzen“, berichtet Carroll. Aufgrund der fordernden Reha müssten bilaterale Prothesen-Kandiaten körperlich (Gewicht, Kraft, Herz) aber auch mental geeignet sein. Auch ein multi-disziplinarischer Team-Ansatz aus Operateur, Wundversorger, Physiotherapeut, Psychologen, etc. und Patient sei wichtig.

Wahl des Kniegelenks entscheidend

Carroll stellt die vier Hauptphasen seines Protokolls für Prothesen mit abgestufter Länge vor: In der ersten Phase liegt der Schwerpunkt auf dem Aufbau von Selbstvertrauen, einschließlich emotionaler Unterstützung, Muskelaufbau, Gewichtskontrolle und erreichbaren Zielen. In der zweiten Phase beginnt der Prozess des Erlernens des Gehens auf sogenannten Short-Legs, d.h. Stubby-Prothesen. In der dritten Phase werden die Stubby-Prothesen verlängert. In Phase 4 wird auf Prothesen mit voller Beinlänge umgestellt.

Carroll rät dafür zu MPKs: „Es gibt eine enorme Kraftersparnis bei bilateraler Nutzung mit dem C-Leg[1]. Eine Studie von 2020[2] hat beim C-Leg im Vergleich zu anderen MPKs und mechanischen Knien die geringste Sturzhäufigkeit gezeigt“, berichtet Carroll. Er selbst habe mit dem C-Leg und seinen Nachfolgern sehr gute Erfolge erzielt. „Das C-Leg passt zu vielen Nutzern, hat eine schnellere Ganggeschwindigkeit bei ähnlicher Standfestigkeit als das Kenevo und eine längere Batterielaufzeit und bessere Wetterfestigkeit.“ Für aktivere Anwender sei jedoch das Genium zu empfehlen.

Professor Dr.-Ing. Malte Bellmann, von der Privaten Hochschule Göttingen und Director Research Biomechanic in der globalen Abteilung Klinische Forschung & Service von Ottobock, erläuterte den Nutzen von MPKs bei beidseitig oberschenkelamputierten Menschen. Soziale Teilhabe durch eine verbesserte Mobilität und mehr Lebensqualität durch Aktivitäten des täglichen Lebens (ADLs) sei der Schlüssel zu besserer Gesundheit. Auch sei bei der (soweit möglichen) motorischen Wiederherstellung eine möglichst physiologische Be- sowie Entlastung von Armen und Schultern anzustreben. Entscheidend für die Rehabiltation von transfemural (TF) Amputierten sei jedoch die Zuverlässigkeit und Sicherheit des Prothesen-Kniegelenks – besonders, um Stürze zu vermeiden. MPKs könnten auch die geringere körperliche Leistungsfähigkeit beidseitig Amputierter kompensieren sowie das Gangbild verbessern. Dies und die höhere Sicherheit führten zu besseren funktionellen Resultaten mit höherer Lebensqualität und Zufriedenheit.

Erfolgreiche Rehabilitation bei unterschiedlichen Mobilitätsgraden

Bellmann stellte drei Fallbeispiele von Menschen mit unterschiedlichen MFCLs (Medicare Functional Classification Levels) vor, die im Rahmen der Reha mit verschiedenen MPKs trainierten: Eine bilateral über dem Knie amputierte sportliche Person (MFCL-4) wechselte auf Genium und konnte damit nach kurzer Zeit alternierend Treppenstufen steigen. Ein Patient mit beidseitiger exartikulierter Hüftamputation (MFCL-1 bis 2) sowie ein Patient mit angeborener bilateraler Dysmelia (vergleichbar mit TF und Hüftexartikulation, MFCL-2) – trainierten beide mit C-Leg Prothesen (microprocessor-controlled knee joint) und Helix Hip Joint (hydraulic polycentric hip joint). Die Betroffenen konnten in Bezug auf Gangbild, Standfestigkeit, Selbstständigkeit (Setzen und Aufstehen) sowie (Schmerz-) Entlastung der gesunden Gliedmaßen stark von MPKs profitieren. Alle Patienten äußerten, auch in Bezug auf ihr Selbstwertgefühl, nicht auf moderne Prothetik verzichten zu wollen. Insgesamt sei der Rehabilitationsprozess lange und anspruchsvoll und benötige eine gute körperliche Konstitution und beste, sicherste Prothesentechnik. „Eine bestmögliche Prothesenfunktion und -sicherheit sowie ein speziell qualifiziertes Rehabilitationsteam sind für die erfolgreiche Rehabilitation und soziale Teilhabe von beidseitig oberschenkelamputierten Menschen unerlässlich“, sagt Bellmann.

Neue Wege durch Robotertechnologie in der Rehabilitation

Dr. med. Takaaki Chin, PhD, ist Director des Hyogo Rehabilitationszentrums in Japan. Er ist außerdem Director Research und Geschäftsführer des Zentrums für Roboter-Rehabilitation im Hyogo Institute of Assistive Technology. In seinem Vortrag sprach er über die Rehabilitation mithilfe smarter Robotik. Den Nutzen von Robotertechnologie fasst Chin so zusammen:

Die Integration von Robotertechnologie in den orthopädischen Rehabilitationsprozess ermöglicht eine völlig neue Strategie zur Bewältigung von Behinderungen durch Verbesserung und Kompensation von Funktionen zur Bewältigung von Aktivitäten des täglichen Lebens. Während der Rehabilitationstrainingsphase eröffnet das Zusammenspiel zweier unterschiedlicher Technologien, der Hybrid Assistive Limb und der mikroprozessorgesteuerten Knie-Knöchel-Fußorthese, neue Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen.“

Zentrum hat sechs-monatiges Kenovo-Protokoll entwickelt

Chin präsentierte eine überzeugende Fallstudie über das mit Kenovo entwickelte Rehabilitationsverfahren für beidseitig TF-amputierte Menschen: Mit dem Prothesenkniegelenk Kenevo sollte der Lernprozess für das beidseitige Gehen auf Prothesen auf sechs Monate verkürzt werden. Ein Patient mit 24 cm beidseitiger Stumpflänge begann zuerst auf „Stubbies“ zu trainieren, die graduell verlängert wurden. Mit verschiedenen Kenevo-Modi trainierte er die Laufbewegung auf unterschiedlichen Untergründen. Später wechselte der Patient von Kenevo auf das C-Leg, mit dem er unabhängig von Gehhilfen laufen lernte.

Chin beschreibt seine Erfahrungen: „Bislang dauerte es in der prothetischen Rehabilitation in Japan mehr als ein Jahr, bis ein Mensch mit einer beidseitigen Oberschenkelamputation selbstständig gehen konnte. Mit der Einführung unseres Kenevo-Protokolls kann dieser Zeitraum auf etwa sechs Monate verkürzt werden. Dies bedeutet eine erhebliche Einsparung an Ressourcen und damit auch an Kosten. Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass diese Anwender möglicherweise weiterhin zusätzliche Hilfsmittel wie einen Rollstuhl benötigen.“

Moderiert wurde die Veranstaltung von Dipl.-Ing. Merkur Alimusaj, Leiter der Technischen Orthopädie, Abteilung für Orthopädie, Unfallchirurgie und Querschnittslähmung am Universitätsklinikum Heidelberg. Am Heidelberg Motion Lab leitet er seit 2005 mehrere Studien im Bereich der Prothetik und Orthetik.

[1] Perry, Burnfield, Newsam & Conley, 2004

[2] Campbell, Stevens & Wurdemann, 2020

Über Ottobock

Für Menschen mit eingeschränkter Mobilität entwickelt Ottobock seit über 100 Jahren innovative Versorgungslösungen. Als „Human Empowerment Company“ stärkt Ottobock Bewegungsfreiheit, Lebensqualität und Unabhängigkeit. Dahinter stehen über 9.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit Innovationskraft, herausragenden technischen Lösungen und Services aus den Bereichen Prothetik, Orthetik, NeuroMobility und Patient Care befähigen sie Menschen in 135 Ländern, ihr Leben so zu leben, wie sie es wollen. Als Weltmarktführer in der tragbaren menschlichen Bionik setzt das 1919 gegründete Unternehmen immer wieder neue Standards und treibt die Digitalisierung der Branche voran – gemeinsam mit seinen Partnern, den Sanitätshäusern, sowie internationalen Forschungsinstitutionen. Die Expertise in der Biomechanik überträgt Ottobock seit 2018 auf Exoskelette für ergonomische Arbeitsplätze. Die internationalen Aktivitäten des Unternehmens werden vom Hauptsitz in Duderstadt (Niedersachsen) aus koordiniert. Seit 1988 unterstützt Ottobock die Paralympischen Spiele durch sein technisches Know-how.

Gesa Liss
Public Relations Managerin
Corporate Communications
Ottobock SE & Co. KGaA
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