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Börsen-Zeitung: Going Secret Von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Bereits in fünf Tagen beginnt die
Zeichnungsfrist für den Börsengang der Postbank, die den Investoren
bis zum 18. Juni Zeit lässt, über einen Einstieg in die Aktie zu
entscheiden. Dennoch tappen vor allem die Privatanleger immer noch im
Dunkeln, weil ihnen wichtigste Grundlagen für die Entscheidung
fehlen. Insbesondere Informationen und kompetente Meinungsäußerungen,
die ihre Urteilsbildung über einen angemessenen Preis für die neue
Aktie unterstützen könnten, werden geradezu systematisch unterbunden
und vorenthalten. Selbst Institutionelle haben teilweise das Gefühl,
sich bei dem Verfahren im Blindflug zu befinden.
Der große Testfall für die Wiederbelebung des deutschen
IPO-Marktes erweckt den Eindruck, als ginge es um eine geheime
Kommandosache anstelle einer Publikumsöffnung. Dabei spielen nicht
nur die involvierten Interessen eine Rolle. Vielmehr machen sich
darüber hinaus auch Folgen von Überregulierungstendenzen unangenehm
bemerkbar. Werden diese nicht eingedämmt, wird die Funktionsfähigkeit
des Kapitalmarktes auf Dauer erheblichen Schaden nehmen. Und es ist
fraglich, ob die vielen neuen und teilweise noch auf den Markt
zukommenden Regularien tatsächlich auch immer dem Schutz des Anlegers
dienen, d.h. dem Zweck, für den sie ursprünglich ausgedacht wurden.
In Frankfurt machen am IPO der Postbank Beteiligte hinter
vorgehaltener Hand keinen Hehl daraus, dass sie den Tag herbeisehnen,
an dem das ganze Verfahren – hoffentlich mit gutem Ausgang –
abgeschlossen ist. Ein Grund dafür sind die Konsortialauflagen bzw.
die darin enthaltenen Restriktionen bezüglich des Inhalts und der
Verbreitung von Research- Informationen. In den Studien der
beteiligten Banken durften keine expliziten Aussagen über die
Bewertung der Postbank gemacht werden. Die Folge sind wenig konkret
gehaltene Ausführungen über unterschiedliche Bewertungsvarianten, aus
denen relativ weite Preisspannen abgeleitet werden können. Es bleibt
den Anlegern überlassen, den IPO-Prospekt zu studieren und sich
ansonsten selbst einen Reim daraus zu machen, so sie dies denn
können.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Studien bis zum Beginn der Quiet
Period nur institutionellen Investoren und ausschließlich in
gedruckter Form zur Verfügung gestellt werden durften, wodurch ihre
Inhalte erst mit Verzögerung an die Medien und damit an die breitere
Öffentlichkeit gelangt sind. Wegen der einfachen Verbreitbarkeit war
den beteiligten Instituten untersagt, die Studien in E-Mail-Format
anzulegen. Auch mussten Protokolle über den Versand der Studien
mitsamt Namen der Adressaten angelegt werden. Eine weitere
Besonderheit des Postbank-IPO ist der weitgehende Ausschluss der
Analysten aus dem Vermarktungsprozess. So dürfen sie unter anderem an
den Roadshows nicht teilnehmen.
Weder dies noch das Bemühen, Research-Erkenntnisse gegenüber dem
privaten Publikum hermetisch abzuriegeln, entspricht jedoch den
hiesigen Vorschriften, sondern geht weit darüber hinaus – auch über
die Going-Public-Grundsätze der Deutschen Börse. Noch. Denn die
Regulierungswelle rollt weiter. Die globalen, d.h. US-Standards, die
beim Börsengang der Postbank Anwendung finden, drohen auch
hierzulande zur Norm zu werden. So läuft eine der im September 2003
formulierten Kernforderungen der Internationalen Organisation der
Wertpapieraufsichtsbehörden Iosco, mit denen potenzielle
Interessenkonflikte von Analysten angegangen werden sollen, auf deren
vollständigen Ausschluss von IPO-Vermarktungsaktivitäten hinaus. Ihre
Umsetzung sollte sich der Gesetzgeber zweimal überlegen. Denn wie
wichtig die Rolle der Analysten als Vermittlungsinstanz zwischen
Investoren- und Emittenteninteressen ist und welche Schwierigkeiten
der Verzicht auf diese Funktion mit sich bringen kann, wird dieser
Tage beim Postbank-IPO deutlich.
Schule machen sollte auch nicht die Research-Sperre für das
private Publikum und die Presse. Auch wenn Institutionelle eindeutig
die bedeutendere Investorengruppe sind, sind auch die Privatanleger
für Platzierung und Sekundärmarkt wichtig. Sie von wichtigen
Informationsquellen auszuschließen, kann nicht förderlich sein. Der
Prospekt als zentrale, alle Investoren gleichstellende und
Transparenz schaffende Quelle ist eine sinnvolle Einrichtung, reicht
in der Realität aber nicht aus. Es ist fraglich, ob die breite Masse
ihn überhaupt studiert bzw. studieren will und ob sie ihn auch
wirklich versteht. Zur Unterstützung ihrer Anlageentscheidung
brauchen die Privatanleger für sie konsumierbare, verständliche und
kompetente Berichterstattung in den Medien. Der Presse den Zugang zu
IPO-Studien zu erschweren und den Analysten zu untersagen, ihr
Fachwissen in die Berichterstattung einzubringen, ist der falsche
Weg. Es ist gerade auch im Interesse von Emittenten und Konsorten,
die Medien aktiv in ihrer Arbeit zu unterstützen, um sich nicht der
Möglichkeit zu berauben, für eine sachlich fundierte
Berichterstattung zu sorgen.
Auch die Regulatoren sollten das Thema überdenken. Dass die Anleger
davor geschützt werden müssen, durch gefärbte Analystenstudien in
die Irre geführt zu werden, ist unbestritten. Wenn ihnen als Folge
zunehmender Regulierung der Zugang zu Research-Informationen
verschlossen wird, wird jedoch Transparenz abgebaut und damit
letztlich der Anlegerschutz konterkariert.
(Börsen-Zeitung, 2.6.2004)
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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