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Börsen-Zeitung: Die Mauer muss weg
Kommentar zur Marktentwicklung seit der Deutschen Einheit von Werner Rüppel

Frankfurt (ots)

Die Mauer muss weg", mit dieser Forderung gingen die ostdeutschen Bürger im Herbst 1989 auf die Straße. Und der historische Moment war günstig, so dass diese deutsche Revolution erfolgreich war und die 1961 errichtete Berliner Mauer vor 30 Jahren tatsächlich geöffnet wurde. Die Freiheit hat obsiegt, viele Menschen weinten damals vor Glück. Auch wenn die untergegangene DDR von manch einem inzwischen wieder positiv gesehen wird, gilt es sich doch nichts vorzumachen: Staatssicherheit und Mauer stehen für ein Unrechtsregime. Oder wie es der Technologieunternehmer Stephan Schambach, der in Thüringen aufwuchs, ausdrückt: "Die DDR war eine milde Form von Nordkorea."

Am Kapitalmarkt führte der Fall der Mauer zu einer Wiedervereinigungshausse. So kletterte der Dax vom 9. November bis Ende 1989 um mehr als 20 %. Doch schon im Verlauf des Jahres 1990 machte sich Ernüchterung breit, zumal auch der Zweite Golfkrieg zu einem Einbruch der Aktienkurse weltweit führte. Hinzu kam dann, dass die Bundesbank, um die vor allem vereinigungsbedingte Inflation zu bekämpfen, ab 1990 ihre Leitzinsen drastisch erhöhte. Dies bremste den Dax, während Anleger für zehnjährige Bundesanleihen Renditen von 8% und 9% vereinnahmen konnten. Der Erwerb langer Bunds hat sich damals richtig gelohnt.

Über 30 Jahre gerechnet schneiden jedoch Aktien besser ab. So kommt der Dax seit dem Fall der Mauer auf eine Rendite von 7,6% pro Jahr, während Anleihen, gemessen am Rex-Performance-Index, eine Rendite von 5,3% pro Jahr erzielten.

Ander als nach dem Mauerfall zunächst gedacht, geriet die Wiedervereinigung ökonomisch allerdings zu einem schwierigen Unterfangen. Die DDR-Wirtschaft entpuppte sich als marode und nicht wettbewerbsfähig. Der damalige Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl bezeichnete vor allem das Umtauschverhältnis von D-Mark zu Ostmark im Verhältnis 1:1 als "Desaster". Und Jahre später tat er auf dem Neujahrsempfang des Internationalen Clubs der Frankfurter Wirtschaftsjournalisten kund: "Ich habe keine einziges Mal mit dem damaligen Kanzler Helmut Kohl über die Währungsunion reden können."

Das Primat der Politik obsiegte, und der Kurs der Bundesregierung war nicht gerade von marktwirtschaftlichem Sachverstand geprägt. Obwohl viel Geld in den Osten gepumpt wurde, waren die neunziger Jahre insbesondere in Ostdeutschland von einer anhaltenden Massenarbeitslosigkeit geprägt, die zwischenzeitlich eine Quote von nahezu 20% erreichte. Dies war in der Tat ein Desaster. Erst Gerhard Schröder gelang es, dass in Deutschland notwendige Reformen zum Abbau der Arbeitslosigkeit umgesetzt wurden.

Inzwischen gibt es in einigen Gebieten Ostdeutschlands blühende Landschaften, und der Wohlstand der Bürger in Ost und West hat sich zu einem Gutteil angeglichen. So hat die Deka ausgerechnet, dass der Osten in den 30 Jahren seit dem Mauerfall beim Geldvermögen deutlich aufgeholt hat. Und mit 43.500 Euro liegt das durchschnittliche Geldvermögen je Haushalt in Thüringen sogar höher als das in Bremen mit 42.000 Euro.

Eines haben Ost und West aber gemeinsam: Sie legen ihr Geld ineffizient an. "Die Deutschen sparen am liebsten mit dem Sparbuch. Hier gibt es auch keinen deutlichen regionalen Unterschied", sagt Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Dass Dividendentitel hierzulande auf Skepsis stoßen, zeige sich an der niedrigen Aktionärsquote von 5,2% in den neuen Bundesländern und 6,7% in den alten.

Nun sind aber Aktien gerade langfristig die lukrativste Assetklasse. Wohlstand für alle ist also vor allem mit Dividendentiteln möglich, doch sind dazu mehr ökonomische Bildung und ein verändertes Sparverhalten nötig. Hier gibt es eine Mauer in den Köpfen, die weg muss.

(Börsen-Zeitung, 09.11.2019)

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