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Börsen-Zeitung: Auf Rekordjagd
Kommentar zur Lage auf dem Markt für Unternehmensanleihen von Kai Johannsen

Frankfurt (ots)

Am Primärmarkt für Unternehmensanleihen (Corporate Bonds) brummt das Geschäft. Die Anleger brauchen sich keine Gedanken über mangelnden Nachschub zu machen, denn regelmäßig kommen diverse Emittenten an den Markt, sodass querbeet alle Laufzeiten, Ratings und Branchen vertreten sind. Und umgekehrt müssen sich die Unternehmen nicht über fehlende Nachfrage sorgen, die Investorenresonanz ist gut, sodass im Schnitt gute Überzeichnungen der Emissionen zu registrieren sind. Im September kamen nach Berechnungen der Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) auf Euro denominierte Corporate Bonds für 67,5 Mrd. Euro auf den Markt (unabhängig vom Sitz der Gesellschaft). Das ist Rekord. Damit wurde der März des Jahres 2016 übertroffen, als Unternehmensbonds für 56,1 Mrd. Euro emittiert wurden. Der Primärmarkt für Corporates konnte bereits per 25. September das gesamte Emissionsvolumen des Vorjahres von 325,6 Mrd. Euro in den Schatten stellen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres kamen dann Corporates für 330,3 Mrd. Euro (im Vorjahreszeitraum: 268,8 Mrd. Euro, ca. +23%) zusammen.

Selbst im sogenannten Sommerloch war der Unternehmensanleihemarkt emissionsseitig recht aktiv, gab es doch im Juli und August neue Papiere für 26,6 bzw. 21,7 Mrd. Euro. Für beide Monate konnten damit ebenfalls Rekordwerte markiert werden. Es sind laut LBBW in erster Linie die guten Bonitäten, die das Gros der Emissionen ausmachen. 83% des diesjährigen Volumens entfallen auf Investment-Grade-Bonitäten, also Emittenten mit Einstufungen von AAA bis BBB minus. 15,4% steuern die Adressen aus dem spekulativen Bereich bei, das sind Bonitäten von BB plus bis CCC. Der Rest der Emissionen kommt von Unternehmen, die kein Rating haben.

"Auf den ersten Blick mag das hohe Volumen an neuen Corporate Bonds zunächst erstaunen, denn die Renditen von auf Euro lautenden Unternehmensanleihen im Investment-Grade-Bereich befinden sich auf einem historischen Tiefstand. Zudem wurden vereinzelt sogar Neuemissionen mit negativer Rendite recht erfolgreich am Markt untergebracht - zum Beispiel von Siemens. Das ist aus Anlegersicht ja erst mal alles nicht sonderlich attraktiv", sagt Matthias Schell, Investmentanalyst im Strategy Research der LBBW. Im Schnitt zahlen die Unternehmen im Investment-Grade-Bereich über alle Laufzeiten und Ratings hinweg betrachtet noch eine Rendite von 0,40%, das ist so wenig wie nie zuvor. Aus Sicht der Unternehmen mit Refinanzierungsbedarf seien solche Renditeniveaus zwar sehr attraktiv, aus Investorensicht sei das aber als ausgesprochen mager einzustufen. Dennoch bleibe die Nachfrage der Investoren nach Investment-Grade-Bonds ungebrochen hoch, das bisherige Jahresvolumen der Nettozuflüsse an Fonds liege sogar auf einem Rekordniveau.

Eine Erklärung, warum die Anleger dennoch zugreifen und den Firmen damit ermöglichen, Papiere weiterhin zu diesen tiefen Renditeniveaus problemlos absetzen zu können, sieht Schell im Mangel an Alternativen in anderen Segmenten. "Sichere Staatsanleihen wie die Bundesanleihen rentieren schon lange im Minus. Bei Pfandbriefen ergibt sich ein ähnliches Bild. Selbst den einen oder anderen High Yielder haben wir ja schon mit Negativrenditen gesehen", sagt Schell. Unternehmensanleihen, die in einem solchen Umfeld noch eine positive Rendite abwerfen, sind ganz offenkundig für viele Anleger attraktiv, und deshalb greifen die Investoren beherzt zu.

Es sieht derzeit nicht danach aus, als würde sich an der gegenwärtigen Marktsituation etwas nachhaltig ändern. Die Europäische Zentralbank hat im September beschlossen, in eine neue Runde von Quantitative Easing zu gehen. Ab November sollen wieder Staatsanleihen gekauft werden, d.h., es soll wieder Nettoneukäufe von Anleihen geben. Damit werden die bekannten Verdrängungsprozesse - das Crowding-out der Investoren in andere Assetklassen und damit auch Bondmarktsegmente - weiter befeuert. Das beschert den Unternehmen ein weiterhin attraktives Refinanzierungsumfeld aus niedrigen Renditen und engen Credit-Spreads. Das zieht Emittenten an. Schell erachtet die Chancen als gut, dass die Rekordjagd am Markt für neue Corporate Bonds weitergeht und in diesem Jahr womöglich auch der Jahresrekord geknackt wird. Er stammt aus dem Jahr 2017, als Unternehmensanleihen für 406 Mrd. Euro emittiert wurden. Da reicht im Jahresschlussquartal ja fast schon das durchschnittliche Monatsvolumen der beiden Sommermonate Juli und August.

(Börsen-Zeitung, 05.10.2019)

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