Alle Storys
Folgen
Keine Story von Börsen-Zeitung mehr verpassen.

Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung: Schnapsidee, Kommentar von Jürgen Schaaf zur Forderung des Versicherungskonzerns Talanx nach einem Girokonto bei der Bundesbank

Frankfurt (ots)

Auf den ersten Blick möchte man es für einen
schlechten Scherz halten, was der Versicherungsriese Talanx da 
treibt. Der drittgrößte deutsche Assekuranzkonzern will seinen 
Zahlungsverkehr über ein Girokonto der Bundesbank abwickeln und zerrt
die abwinkenden Währungshüter vor den Kadi. Das ist absurd, denn die 
Forderung von Talanx entbehrt jedweder Grundlage. Zwar ist es 
richtig, dass Kreditinstitute bei der Bundesbank Konten unterhalten. 
Dies ist aber kein Privileg, sondern eine Pflicht, damit die Banken 
ihrer Funktion der Kreditvergabe nachgehen können. Sie multiplizieren
das Geld der Notenbank und kanalisieren es in die Gesamtwirtschaft. 
Private oder Unternehmen wie Versicherungen können diese Aufgabe 
nicht übernehmen.
Dass es Ausnahmefälle für die Mitarbeiter der Bundesbank oder 
Geldtransporteure gibt, hat ausschließlich Kostengründe. Sollten 
Gerichte diese Ausnahmen als problematisch ansehen, müssten sie 
fallen - als Argument für "Bundesbank-Konten für jedermann" wären sie
mindestens bedenklich.
Mag sein, dass die Versicherer nur ein bisschen stänkern wollen, 
um zu verhindern, dass sie unter die Aufsicht der Bundesbank kommen, 
wie Berlin es offenbar plant. Die losgetretene öffentliche Debatte 
macht deutlich, warum es vielleicht sinnvoll ist, die Bankenaufsicht 
bei der Bundesbank anzusiedeln, aber damit nicht automatisch die über
die Versicherer.
Das eigentliche Problem ist aber der Vertrauensverlust in das 
private Bankensystem Deutschlands. Wenn die Einlagen von Kunden 
tatsächlich hohe Risiken bergen, wie Talanx unterstellt, ist die 
Politik gefordert, entsprechende Sicherheitsmängel zu beseitigen. 
Auch eine Reform des Einlagensicherungsfonds erscheint nicht abwegig.
Die Erfahrungen der Finanzkrise liefern genügend Beispiele für eine 
konstruktive Debatte.
Es bleibt aber eine Schnapsidee, den kompletten Zahlungsverkehr an
die Bundesbank zu geben. Entweder würde die Notenbank auf diesem Weg 
zu einer ordinären Geschäftsbank degradiert - mit den naheliegenden 
Interessenkonflikten zwischen Profitstreben und hoheitlicher Aufgabe.
Oder es kommt zu einer kompletten Verstaatlichung des Kreditsektors. 
Denn wie wollte man dem Handwerksbetrieb verwehren, was man 
Versicherern gewährt? Auch bei dieser Variante bleibt einem das 
Lachen im Halse stecken.
(Börsen-Zeitung, 21.1.2010)

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Börsen-Zeitung
Weitere Storys: Börsen-Zeitung