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Börsen-Zeitung: Ernst der Lage verkannt, Kommentar von Jürgen Schaaf zur Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB)

Frankfurt (ots)

Wer nach der konzertierten Zinssenkung der
Europäischen Zentralbank (EZB), der US-Notenbank Federal Reserve 
(Fed), der Bank von England und anderen vom 8. Oktober gedacht hatte,
die EZB hätte den Ernst der Lage erkannt, wurde gestern eines 
Besseren belehrt. Zwar kappten die Währungshüter um EZB-Chef 
Jean-Claude Trichet angesichts der Rezession, in der sich die 
Eurozone offensichtlich bereits befindet, den Leitzins ein weiteres 
Mal um 50 Basispunkte auf jetzt 3,25%. Aber die Einschätzung der 
Situation, die Trichet gegeben hat, deutet eher darauf hin, dass die 
EZB ihren Platz "hinter der Kurve" behalten und sich weiter 
regelmäßig von der Realität überholen lassen will.
GlobaleFinanzmarktturbulenzen, Bankenkrise, anstehende 
Weltrezession - jedes dieser Ereignisse für sich genommen 
rechtfertigt ein beherztes Gegensteuern der Notenbank. Die Bank von 
England hat fast zeitgleich mit der EZB ihren Leitzins um satte 150 
Basispunkte auf 3,0% heruntergerissen. Das ist der Situation 
angemessen.
Trichet dagegen bleibt zögerlich bis vage, was die Ankündigung 
weiterer Zinssenkungen angeht - auch wenn die Märkte mit weiteren 
Zinssenkungen rechnen. Er behauptet allen Ernstes, dass die 
Inflationsgefahren noch nicht vollständig verschwunden seien. Dies 
ist eine komplette Fehleinschätzung der Lage. Ab Mitte 2009, wenn der
statistische Basiseffekt der hohen Ölpreise ausgewaschen ist, werden 
wir uns mit der Bedrohung einer Deflation auseinandersetzen. Dass 
dieses Szenario eintreten kann, schließt Trichet zwar nicht aus. 
Vorsorglich wurden aber bereits ein paar beschwichtigende, wenn auch 
verklausulierte Passagen, warum eine Deflation nicht zur Debatte 
stehe, in das Kommuniqué eingebaut, das der EZB-Chef nach dem 
Zinsbeschluss vorträgt.
Eine Zinssenkung um mindestens weitere 25, eher aber sogar 50 
Basispunkte im Dezember ist zwar wahrscheinlich. Angesichts der 
nervösen Finanzmärkte und der abstürzenden Wirtschaft der Eurozone 
wäre aber bereits gestern ein klareres Bekenntnis zu weiteren 
Zinssenkungen erforderlich gewesen, ebenso wie deutlichere Signale 
Trichets, dass die Währungshüter den Ernst der Lage voll erkannt 
haben und der Wiederherstellung der Stabilität des Finanzsystems der 
Eurozone - denn um nicht weniger geht es derzeit - oberste Priorität 
einräumen.
(Börsen-Zeitung, 7.11.2008)

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