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Börsen-Zeitung: Unter staatlicher Kuratel, Kommentar von Bernd Wittkowski zur Inanspruchnahme staatlicher Hilfe durch Commerzbank, HSH Nordbank, WestLB & Co.

Frankfurt (ots)

Nein, es ist keine Schande, wenn Commerzbank,
HSH Nordbank, WestLB & Co. jetzt implizit eingestehen müssen, dass 
sie Hilfe vom Staat benötigen, um die globale Finanzkrise zu 
überleben. So wenig, wie es eine Schande ist, dass die Deutsche Bank 
glaubt und sogar stolz darauf ist, ohne Staatsknete über die Runden 
zu kommen: Konzernchef Josef Ackermann lehnt es allen 
Überredungsversuchen zum Trotz ab, sich die Hilfe ohne Not aufdrängen
zu lassen - und hat damit der Politik von links bis rechts wieder mal
eine willkommene Gelegenheit geboten, ihr Mütchen an der Nummer 1 des
Kreditgewerbes zu kühlen. Anscheinend wird heutzutage 
parteiübergreifend erwartet, dass Manager, die ihr Unternehmen 
halbwegs erfolgreich führen, dafür in Sack und Asche gehen und 
freiwillig der Solidargemeinschaft der Bedürftigen beitreten.
Einige Wertberichtigungen sind vonnöten: nicht nur an den 
Vermögenswerten der unter Kuratel des Finanzmarktstabilisierungsfonds
(Soffin) flüchtenden Institute, sondern auch an Diktion und Auftreten
mancher Akteure. Es erscheint doch arg euphemistisch, wenn etwa die 
Commerzbank als ersten Grund für die Nutzung der staatlichen Hilfen 
angibt, dadurch werde "Chancengleichheit mit internationalen 
Wettbewerbern" hergestellt, oder wenn die HSH Nordbank an vorderster 
Stelle darauf verweist, dass mit dem beantragten Garantierahmen von 
bis zu 30 Mrd. Euro (in Worten: dreißig Milliarden!) die 
Kreditversorgung der Wirtschaft gesichert würde. Alles nur der 
reinste Altruismus? Es wirkte glaubwürdiger, gäbe zur Abwechslung mal
eine Bank schlicht und ergreifend zu, dass es ihr aufgrund früherer 
Fehlentscheidungen miserabel geht und sie aus eigener Kraft nicht auf
die Beine kommt.
Nicht nur das Publikum muss sich ja daran gewöhnen, dass heute 
Dinge passieren, die noch gestern außerhalb des Vorstellungsvermögens
lagen. Das darf man in gewissen Grenzen auch Bankern zugestehen. Aber
etwas mehr Demut und Selbstkritik sollten dann auch erwartet werden 
können, will die Finanzgemeinde nicht riskieren, dass sich das an den
Stammtischen verbreitete Vorurteil vom "hohen Ross" in der 
Bevölkerung verfestigt. Noch im Februar dieses Jahres hatte 
beispielsweise Klaus-Peter Müller, damals Vorstandssprecher, seit Mai
Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank, eine teure 
Kapitalzuführung durch asiatische oder nahöstliche Staatsfonds für 
sein Haus "verbindlich" ausgeschlossen. Wenn überhaupt, kämen 
Eigenmittelaufstockungen nur als normale Investments in Frage, nicht 
aber in Form von "Maria-Hilf-Aktionen". Und nun, Herr Müller? Man 
könnte vielen Bankern ähnliche, die Realität verdrängende Äußerungen 
aus jüngerer Vergangenheit vorhalten.
Die Realität verdrängt hat nicht nur die Commerzbank, sondern der 
überwiegende Teil der Branche auf fatale Weise zuletzt vor allem 
insofern, als der Kollaps einer Bank der Dimension und Verflechtung 
von Lehman Brothers schlechthin für undenkbar gehalten wurde - 
Commerzbank-Chef Martin Blessing gestand diese Fehleinschätzung am 
Montag freimütig ein. Die Frage drängt sich auf, wie es - auch mit 
Blick auf das deutlich übertriebene Island-Exposure deutscher Banken 
- zu einem solchen kollektiven Blackout der kaufmännischen Vorsicht 
kommen konnte.
Was die konkreten Modalitäten der Hilfe angeht, hat die 
Commerzbank, die als erste deutsche Bank überhaupt unter dem 
öffentlichen Rettungsschirm eine Rekapitalisierung erhält, für sich 
und - trotz der Kosten der Stützung und des (mindestens) zweijährigen
Dividendenausfalls - auch für die Aktionäre verkraftbar erscheinende 
Bedingungen herausgeholt. Ob der deutsche Staatsfonds hier einen 
First-Mover-Bonus gewährt hat? Die ganze Aktion läuft, zumal gemessen
an ausländischen Exempeln, sehr smart ab. Die Zufuhr von 8,2 Mrd. 
Euro - nicht kleckern, sondern klotzen! - erfolgt eigentümerschonend 
im Wege der früher besonders bei den Landesbanken beliebten stillen 
Einlage. Die gelbe Bank wird Blessing zufolge "auch künftig allein 
verantwortlich von ihrem Vorstand geführt", die Entsendung von 
Soffin-Vertretern in den Aufsichtsrat sei kein Thema gewesen und auch
der fast 10 Mrd. Euro schwere Kauf der Dresdner Bank bleibt frei von 
Auflagen. Der Eindruck des Steuerzahlers, er dürfe diesen Mega-Deal 
auch zugunsten des Verkäufers Allianz mindestens vorfinanzieren, wird
schwer zu entkräften sein.
Die Aufgeregtheiten und Schuldzuweisungen in der Frage, ob 
überhaupt und von welchen Banken das Rettungspaket angenommen wird, 
ob dies im Gegensatz zum Vorgehen in anderen großen Industrieländern 
auf freiwilliger Basis geschieht oder auch hierzulande eine 
Zwangsbeglückung geboten ist - all das hätte man sich schenken 
können. Wer es nötig hat, das zeigte sich spätestens zum 
Wochenanfang, nimmt die Leistungen in Anspruch, wer es nicht nötig 
hat, der lässt es. Commerzbank und HSH Nordbank hatten es, wie die 
teilweise katastrophalen Zahlen des dritten Quartals belegen, bitter 
nötig. Jetzt geht es ihnen, ihren Eigentümern und ihren Kunden und 
damit absehbar auch dem Finanzmarkt besser. Nicht weniger, aber auch 
nicht mehr. Das Ende der Krise ist das noch lange nicht.
(Börsen-Zeitung, 4.11.2008)

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