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Deutsche Bischofskonferenz

Erklärung zur internationalen Verteilung von Impfstoffen

Bonn (ots)

In einer gemeinsamen Erklärung rufen mehrere Bischöfe, die mit Fragen der internationalen Zusammenarbeit befasst sind, zur Solidarität bei der weltweiten Verteilung von Impfstoffen auf. Erzbischof Dr. Ludwig Schick (Bamberg), Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck (Essen), Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen, und Bischof Dr. Heiner Wilmer (Hildesheim), Vorsitzender der Deutschen Kommission Justitia et Pax, mahnen, über die Sorgen und Ängste hierzulande die Schwächsten in der Welt nicht zu vergessen.

Die Erklärung im Wortlaut:

Die Menschen in Deutschland, Europa und der ganzen Welt sehnen ein Ende der Pandemie herbei. Trotz vieler Schwierigkeiten gibt es begründete Hoffnungen, bis zum Sommer einen beachtlichen Teil der Bevölkerung in Deutschland und Europa mit Impfungen vor dem Corona-Virus schützen zu können. Aber es wird immer deutlicher, dass wir die Pandemie auch in unserem Land erst dann überwunden haben werden, wenn sie weltweit besiegt ist. Auch deshalb ist es von größter Bedeutung, alles dafür zu tun, dass Impfstoffe so rasch wie möglich in allen Ländern eingesetzt werden können. Es ist ein Gebot der Solidarität, weltweiter Geschwisterlichkeit und des wohlverstandenen Eigeninteresses gleichermaßen.

Die wohlhabenden Staaten stehen in der Pflicht, den Menschen weltweit Zugang zu Schutzausrüstung, Tests, Geräten, Medikamenten und Impfstoffen zu ermöglichen. Gesundheitsversorgung ist ein öffentliches Gut, das in unserem Land zu Recht mit hohen Beiträgen der Allgemeinheit gefördert wird. Die Verantwortung der besser gestellten Länder endet jedoch nicht an ihren Staatsgrenzen. Die internationale Gemeinschaft hatte sich im Jahr 2015 mit den sogenannten Nachhaltigkeitszielen, speziell dem Nachhaltigkeitsziel Nr. 3, verpflichtet, alles dafür zu tun, ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten. Diese Verpflichtung muss auch für den globalen Umgang mit den Impfstoffen ausschlaggebend sein. Die Bundesregierung, die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten müssen sich in ihrem internationalen Handeln davon leiten lassen. Die Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE) hat jüngst gemeinsam mit Caritas Europa die Europäische Union mit Blick auf die weltweite Impfstoffverteilung an ihre Verpflichtung zur Solidarität erinnert.

Wir nehmen die große Ungeduld vieler Menschen in unserem Land wahr und können sie nachvollziehen. Mit Sorgen warten sie darauf, dass von ihnen geliebte Menschen und sie selbst bald geimpft werden können. Es ist aber ungerecht, wesentlich mehr Impfstoff zu sichern, als für den Schutz der eigenen Bevölkerung notwendig ist. Menschen in ärmeren Ländern, die über die geringsten Ressourcen und Möglichkeiten verfügen, sich vor einer Covid-19-Erkrankung zu schützen oder Erkrankte zu versorgen, müssen schnell geimpft werden. Auch Menschen auf der Flucht, in Flüchtlingslagern oder unterwegs sind den großen Risiken einer Covid-19-Erkrankung bislang oft völlig schutzlos ausgesetzt. Neben der Frage der Menschlichkeit ist es auch eine Frage der Vernunft, sie zeitnah zu impfen, denn dort, wo sich Viren ungehindert und in großer Zahl verbreiten, werden weitere Mutationen auftreten, die wiederum auf Europa zurückwirken können. Daher rufen wir dazu auf, mehr und schneller Impfstoffe für die wirtschaftlich am wenigsten entwickelten Länder bereitzustellen, um den Schutz für alle zu stärken.

Ein ermutigendes Signal ging im Frühjahr 2020 von der Gründung des Access to COVID-19 Tools Accelerator (ACT-A) unter dem Dach der Weltgesundheitsorganisation aus. In internationaler Zusammenarbeit werden Entwicklung, Produktion und Verteilung von Covid-19-Tests, -Behandlungen und -Impfstoffen gebündelt. Die bekannteste Säule von ACT-A ist die COVAX-Initiative, die sich die Beschaffung und Verteilung von Impfstoffen für alle Staaten zum Ziel gesetzt hat. Die Bundesregierung hat beachtliche Finanzmittel für diese Initiative bereitgestellt, ebenso die Europäische Union. Dies begrüßen wir ausdrücklich. Dennoch fehlen COVAX derzeit noch etwa drei Milliarden Euro, um bis Ende 2021 zwei Milliarden Impfdosen für Menschen weltweit zur Verfügung stellen zu können. Bei der Beschaffung von Diagnostik-Bedarf und Schutzausrüstung klafft die noch größere Finanzierungslücke von etwa 19 Milliarden Euro. Und schließlich weist die Weltgesundheitsorganisation darauf hin, dass es in einigen Ländern einer grundsätzlichen Stärkung der Gesundheitssysteme bedarf, um überhaupt Impfungen flächendeckend durchführen zu können. Die globale Zusammenarbeit in der Weltgesundheitsorganisation muss von deutlich mehr Staaten mit signifikanten Beiträgen finanziell und technisch gefördert werden.

Die Weltgesundheitsorganisation hat darüber hinaus eine Datenbank angelegt, in der Unternehmen ihre Technologien, ihre Patente und ihr Know-How zur Herstellung und Weiterentwicklung von Mitteln, auch von Impfstoffen, zur Bekämpfung von Covid-19 mit anderen Unternehmen teilen können. Wir rufen alle Unternehmen dazu auf, diese Möglichkeit im Sinn ihrer Gemeinwohlverantwortung in Erwägung zu ziehen. Für eine rasche Erhöhung der Produktion von Covid-19-Impfstoffen ist es zudem erforderlich, den Abschluss geeigneter Lizenzvereinbarungen und Kooperationen zwischen Impfstoffherstellern, die Patente innehaben, geeigneten potenziellen Produzenten und Kooperationspartnern zu unterstützen.

Auf der politischen Agenda steht aber auch die Frage, wie wir mittel- und längerfristig zu einer global breiter aufgestellten Infrastruktur für eine hinreichende Produktion und Verteilung von Impfstoffen gelangen können. In der internationalen Diskussion richtet sich der Blick hier besonders auf das "Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums", das bei der Welthandelsorganisation (WTO) angesiedelt ist. Dieses Abkommen kennt sogenannte "Flexibilitäten", d. h. Sonderregelungen u. a. für Notsituationen. Die Mitgliedsstaaten der WTO sind aufgefordert, alle ihnen im Rahmen der TRIPS-Flexibilitäten zur Verfügung stehenden Instrumente zu prüfen. Derzeit steht die zeitlich befristete Freigabe von Patenten, der sogenannte TRIPS-Waiver, im Mittelpunkt der Debatte. Papst Franziskus hat jüngst erneut die Forderung nach einer vorübergehenden Aussetzung der geistigen Eigentumsrechte bekräftigt, um den allgemeinen Zugang zu Impfstoffen zu ermöglichen. Nach dem TRIPS-Abkommen ist darüber hinaus auch die Erteilung von Zwangslizenzen möglich. Ausdrücklich begrüßen und unterstützen wir, dass die Diskussion darüber - nicht zuletzt auch durch die jüngsten Ankündigungen der Regierung der Vereinigten Staaten - an Fahrt aufgenommen hat. Wir wissen aber auch, dass die politischen Prozesse in der Welthandelsorganisation komplex sind und Zeit erfordern. Noch mehr Zeit wird vergehen, bis über solche Mechanismen tatsächlich eine Steigerung der Impfstoffproduktion erreicht werden kann. Daher setzen wir uns weiterhin dafür ein, dass die ACT-A-Initiative der Weltgesundheitsorganisation zur Verteilung von Impfstoffen, zum Transfer von Technologien und zur Sicherung von Basis-Gesundheitsstruktur entschieden unterstützt wird. Dafür müssen jetzt deutlich mehr Mittel aufgewendet werden!

Am 27. März 2020, in der Anfangsphase der Krise, hat Papst Franziskus in seiner Ansprache auf den Stufen des Petersdoms die Hilfe Gottes gegen die Corona-Pandemie herabgerufen. Er deutete die weltweite Notlage als Krise der Menschheit, die sich wieder auf Zusammenhalt besinnen müsse. Das Erschrecken über die verheerenden Wirkungen der Pandemie hatte viele Menschen umfangen. "Uns wurde klar, dass wir alle im selben Boot sitzen, alle schwach und orientierungslos sind, aber zugleich wichtig und notwendig, denn alle sind wir dazu aufgerufen, gemeinsam zu rudern, alle müssen wir uns gegenseitig beistehen", so Papst Franziskus vor einem Jahr. Wir sind überzeugt: Es ist an der Zeit, diesen Auftrag des Heiligen Vaters nicht nur im eigenen Umfeld, nicht nur im eigenen Land, sondern in internationaler Zusammenarbeit zu realisieren. Es ist an der Zeit, bei der Bekämpfung der Pandemie Mitverantwortung zu übernehmen für die Schwachen und Marginalisierten weltweit.

Pressekontakt:

Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz
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Tel: 0228/103-214
Fax: 0228/103-254
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